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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0079
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1. Kirchenordnung [um 1532]

viel verstehet, fallen laßen, sonder ir pfarfolck zu
guten wercken, als keuscheit in der ehe, zuchtiglich
leben, ire kinder woel zu erzihen, die elternn zu er-
ren, zu der liebe Gottes unnd des nechsten, under
iennen selbst zu frieden 16r | unnd eynnigkeit unnd
gegen irer rechten oberigkeit zu gutwilligkeit anwei-
ßenn, wie Cristus unnd alle sein apostel gelernt ha-
ben. Darumb sollen auch die zehen gebott22, darin
dan alle gute werck verfasset seint, auff daß aller-
fleissigeste von den pfarhernn oder predigernn ireß
besten verstentnuß geprediget werden, unnd sollen
dergleichen von ungemessem zudrincken23, fullerey,
gotteslesterunge und allen andern lastern, nemblich
nach der lere des helligen apostels Pauli5 von ehe-
bruchery, hurery, ungerechtigkeit, geilheit, abgot-
tery, zaubery, boeßem, schwerren wucher, geitz,
feintschafft, hader, eiffer, zornn, zanck, zweydracht,
secten, haß, mordt, sauffen, fressen unnd derglei-
chenn, mit hochstem fleiß abzihen unnd darneben
anzaygen, wie Got der almechtig derselbigen groben
laster halben die menschen hie zeitlich offt gestrafft
unnd mit grausamen, schwerren, untregelichen pla-
gen geschlagen hat, damit erm anzaigt, das er on al-
len zwieffel nach diesem leben viel herter straffen
wirt, wo sie sich nit bessern, auff das die leuthe also
zur gottesforcht, zur buyße unnd rewe gereitzt unnd
vermant werden, daß sicher unnd forchtloeß leben
zubegeben unnd die sunden zu meyden. 16v |
Es sollen auch nach eyner iglichern predigen umb
der kinder unnd anderer eynfeltiger leuth willen von
wort zu wort durch die prediger vurgesprochenn
werden die zehen gebott24, vater unnser25 unnd die
articul des glaubens26.
Ferner sollen die prediger das volck dahien wey-
sen, daß sie ire hoffnunge, glauben unnd vertrawen
allein zu Got unnd keyner creatuer stellen, dan man
sicht allenthalben, wie daß eynfeltig volck auß lau-
5 Gal. 5 [19-21].
E Esai. 43 [11].

m B: er ye.
n B: außerwelten Gottes.
22 Ex 20,2-17; Dtn 5,6-21.

term unverstande ire zuflucht unnd vertrawen in ir-
ren noeten allein zu den helligen unnd außerwel-
tenn haben, umb hulff unnd troest bey den creaturen
ansuchen unnd verlaßen den schepfergot, irren hey-
lant unnd seligmacher, dardurch auch die eher Got-
tes mechtiglich geschwecht wirt unnd abgehet.
Unnd dieweil die argwonigen unnd ligenhafftigen le-
genden der heiligen, die man so fast27 on alle maß
auff der cantzel getrieben hait, zu solichem forder-
lich gewesen, darumb wurt eß vor nutz und gut an-
gesehen, das sie die legenden der helligen eyn zeit-
lanck biß uff weitern bescheit gentzlich rugen laßen,
on allein die in der geschrifft des alten unnd newenn
testaments gegrunt seint, unnd laß auch eynmal
Gottes wort vorgehenn, I 17r | daß daß volck darauß
lernne, allein in Got vertrawen unnd ire hoffnunge
setzen alß in das hochste gut, darvon hilff, trost,
erleßunge vonn allem ubel, da alles gut unnd die
seligkeit eigentlich herkompt, wie Esaias spricht8:
Ich binß, ich bin der her, unnd ist sonst kein selig-
macher on mich.
Es sollen sich auch alle prediger in irem predigen
alles schmehens, nachredens, schimpfirrens28, papi-
stischen und lauthrischenn oder ketzrischenn schel-
tens29, außschreyens unnd alles andernn, das zu wid-
derwillen, uneynnigkeit, auffrur unnd emporunge
dient oder ursach geben mecht, enthalten unnd ver-
meyden.
Dergleichenn sollen sich alle geistlichen unnd
weltliche personnen bey ernstlicher straffe leibs und
guts enthalten, in offen wirtzheusern unnd sonst
von der alten unnd newe lere, wie manß nennet, ver-
echtlich, frevenlich oder zenckisch zureden oder zu
disputiern, auch keiner den andern schmeen, ver-
achten noch zu widderwertigkeit ursach geben, son-
der sich mit vermeydunge der nachrede unnd
schmach gegen jederman in aller maß halten, wie
itzt von pfarhernn unnd predigernn gesetzt ist. 17v |
23 Zutrinken = sein Gegenüber zum Wetttrinken herausfor-
dern, SCHUBERT, Essen und Trinken, S. 290-293.
24 Ex 20,2-17; Dtn 5,6-21.
25 Mt 6,9-13.
26 Apostolisches Glaubensbekenntnis, BSLK S. 21.
27 Sehr, viel.
28 Verspottens, GRIMM, DWb 15, Sp. 179.
29 Als papistisch, lutherisch oder ketzerisch schelten.

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