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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0220
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Nassau-Dillenburg

29. Kirchgangsmandata
11. Juli 1618

Demnach man augenscheinlich sihet und spürett,
auch auß den täglichen seufftzen und clagen der kir-
chendiener und anderer frommen christen vernimpt,
daß beydes, göttliche vermahn- und träwungen1 und
der hochwohlgeborner samptlicher unßerer gnediger
herrn, graffen zu Naßaw Catzenelnbogen etc.2 alß
unßer von Gott vorgesetzter hoher obrigkeitt, hoch-
nötige, wohlgemeinte christliche policeyordtnun-
gen3 von besuchung und verseumbnus der predigten
und kinderlehren4 leyder wenig dießes ortths in acht
genommen, sondern viellmehr in windt geschlagen
und verachtet werden, und dennoch nicht allein ins
gemein der hochwohlgeborn unser g. herr die handt-
habung der policeyordtnungen, sondern auch inson-
derheitt und mit hochlöblichem eyffer in ihrer g[na-
den] hinderlaßener instruction5 die beförderung des
gottesdienstes und kirchendisciplin dero amptman
ernstlich und in gnaden anbevohlen, mehr erwehnte
policeyordnung auch im buchstaben vermagh und
außtrücket, wofern der prediger und ältisten ver-
mahnungen nichts würden verfangen wollen, daß
solches furters der obrigkeitt angezeigt und hierüber
gebührende verordnung erwarttet werden solle, wie
dan solche anzeige und bitt umb fernere ordnung
geschehen, daß darauff abermahls und zum über-
fluß6 alle und jede dießes kirspels angehörige hier-
mitt uff die policeyordnung verwießen, deren erin-
nert und hiermitt sonderlich ermahnet sein sollen,
[1.] anfängklich, das |8v| auff die hohe fest-, sonn-
und bättage alle und jede, so in den häußern und
zum kirchgangk alters oder leibscräffte halben tüch-
tig seind, sowohl in morgens- alß auch mittagspre-

a Textvorlage (Handschrift): HHStaatsA Wiesbaden Abt.
171, Z 1976, fol. 8r-9v.
1 Drohungen.
2 Ernst Casimir von Nassau-Diez (1573-1632), siehe oben,
S. 42 Anm. 189.
3 Die in Herborn gedruckte Nassau-Catzenelnbogische

digten kommen und niemandt, alß etwa nur eine
persohn in jederm hauße, und diejenige, so zu der
wacht verordnet, außpleiben, und in sonderheitt die
ältern, herrn und frauwen, ihre kinder und gesinde
zu der kinderlehr sontags zu mittagh fleißig schik-
ken, sich auch daran nichts hindern laßen sollen.
[2.] Vors ander, daß ahn den bettagen vor der
predigt, alß welche ohnedas zeittlich und frühe ge-
nug angestellet wirdt, niemandt einige handtarbeitt
außer seinem hauße beginnen oder verrichten, son-
dern alle solche arbeitten biß nach geendtem gottes-
dienst einstellen soll.
[3.] Wie dan auch der wochenpredigten halben,
zum dritten, bevohlen wirdt, daß zum wenigsten
eins von den alten auß jederem hauße dieselbe be-
suchen und Gottes wortt ahnherren und dem ge-
meinen gebäth beywohnen, auch ein jedes ahn sein
ortth und platzs in der kirchen, da ihme sonsten or-
dentlich zu sitzen gebühret, sich setzen und verfü-
gen, nicht aber hien und wieder in die winckell sich
verkrichen soll.
[4.] Wie dann auch, vors vierdte, daß zu späth
oder langsamb einkommen zur kirchen und das zu
früe außlauffen vor gesprochenem seegen, alß durch
welche beyde andere fromme mittchristen in ihrer
andacht verhindert und geärgert werden, hiermitt
gäntzlich und zumahl verbotten und keineswegs ge-
duldet werden soll. | 9r |
Und damitt alle und jede obgeschriebene puncten
der gepuer in acht genommen, auch die ungehor-
sambe, wiederspenstige und halsstarrige beneben
deme, daß sie Gottes straff nicht entfliehen und

Polizeyordnung von 1615, vgl. den Auszug bei Spiel-
mann, Geschichte 3, S. 135-138.
4 Vgl. auch das Kirchgangsmandat vom 19. Februar 1567,
oben, Nr. 11, und das Bettagsmandat vom 12. Januar
1607, oben, Nr. 26.
5 Liegt nicht vor.
6 Mehr als genug, Grimm, DWb 23, Sp. 222.

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