Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0249
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32. Kirchenordnung 1574/1576

Zur Vesper oder Kinder Predigten sol man etli-
che Psalmen, Lateinisch oder Teutsch, sampt dem
Magnificat80 lassen vorhergehen und, wann die Pre-
digt gehalten unnd die Kinder verhöret worden, mit
dem Gottseligen Gesang: Erhalt uns, Herr, bey dei-
nem Wort81 oder dergleichen beschliessen.
Auff die Wercktage sol deß morgens für der Pre-
digt gleichfalls ein teutscher Psalm oder zween unnd
zu ende ein kurtzer Christlicher Gesang, als: Danck
sagen wir alle82, Erhalt uns, Herr; Gott, der Vatter,
wohn uns bey83 etc. Oder dergleichen gesungen wer-
den.
Am Sonnabent zu Vesper, wann deß andern tags
das Nachtmal deß Herrn zu halten und derwegen
eine Vermahnung an die Communicanten zu thun
ist, sol man vorher etliche Teutsche oder Lateinische

Psalmen sampt dem Magnificat Teutsch oder auch
zu zeiten Lateinisch singen.
Diese Ordnung im singen unnd andern Cere- | K4r |
monien sol in allen Stätten durchauß gleichförmig,
wie sie allhie beschrieben ist, gehalten werden, und
kan auch leichtlich geschehen, dieweil allda Schul-
meister, Schüler und andere zum Gesang dienliche
Personen vorhanden. Auff den Dörffern aber sol
man gleichsfalls mit der Predigt, Gebet und dispen-
sation deß heyligen Abendtmals nach jetzt gesetzter
maß procediren. Den Gesang aber, weil nicht all-
wegen gnugsame Personen vorhanden, mag man
messigen, doch sol man sich gedachter Ordnung, so
viel immer müglich, zu folgen befleissigenn.

Von Predigten, verkündigung und erklärung deß heyligen Göttlichen Worts

Das fürnemeste, das in allen Christlichen Versam-
lungen tractiert und gehandelt werden sol, ist die
Predigt, das ist die Verkündigung unnd Außlegung
deß heyligen Göttlichen Worts, dann damit müssen
die jungen, einfeltigen und unverstendigen in der
rechten, warhafftigen Lehr | K4v | von Gott und sei-
nem willen, von dem rechten, waren Gottesdienst
unnd unserer Seelen Heyl und Seligkeit underrich-
tet, die verstendigen aber und so die Lehr wissen, im
Glauben bestetigeto, alle irrthumb und falsche, ver-
führische Lehr und Meynung von Gott unnd seinem
Dienst widersprochen und widerlegt, die Gottseli-
gen unnd bußfertigen zu einem Christlichen, Gott
angenemen und wolgefelligen Leben angewiesen, die
Gottlosen in irem unchristlichen wesen und wandel
gestrafft, die schwachgleubigen, betrübten und be-
kümmerten Hertzen gestercket und getröstet unnd
also die gantze Gemeine unnd ein jedes Gliedmaß an
seinem ort gebessert werde[n], dann alle Schrifft,
von Gott eyngegeben, spricht der Apostel, 2. Ti-
moth. 3 [16-17], ist nütze zur Lehre, zur Straffe, zur
o Agende 1618: confirmirt.
p Agende 1618: Feyertagen.
80 Lk 1,46-55. Vgl. Symphorianus Pollio: Meine Seel erhebt
den Herren mein, Wackernagel, Kirchenlied III,
S. 509.

Zuochtigung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch
Gottes sey vollkommen, zu allen guten Wercken ge-
schickt. Item Rom. 15 [4]: Was uns vorgeschrieben
ist, das ist uns zur Lehre vorgeschrieben, auff daß
wir durch gedult unnd trost der Schrifft hoffnung
haben. Derhalben sol diß der Kirchendiener fürne-
meste unnd größte sorg seyn, daß die Predigten
Christlich, treuwlich und fleissig versehen und also
angestellet und verrichtet werden mögen, daß man
im werck befinde, daß sie nicht vergebens gesche-
hen, sondern ein merckliche besserung bey der Ge-
meine darauß erfolget sey.
Es sol aber im predigen nachfolgende Ordnung ge-
halten werden:
An den gemeinen Sontagen oder Festagenp, | L1r |
wann die grossen Versamlungen seyn, bey welchen
man das heylige Nachtmal zu halten pflegt, sollen
die Prediger die gebreuchlichen textus Evangelio-
rum oder Historias de tempore dem Volck vorlesen
unnd außlegen. Dise Außlegung aber sollen dermas-
81 Luther: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort, AWA 4,
Nr. 38.
82 Dank sagen wir alle, Wackernagel, Kirchenlied III,
S. 550.
83 Luther: Gott, der Vater, wohn uns bei, AWA 4, Nr. 23.

231
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften