Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0328
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nassau-Weilburg

23. Die Spielgesellschafften und Conventicul, da mit karten,
Würffeln und dergleichen spitzbübischer weiß umb Geld und
Gelds werth gespielet wirt, dergleichen hin und wider in un-
sern Herrschafften hiebevor einnisten wöllen, aber bey Zeit
an etlichen Orten außgehaben [=beseitigt] worden, solle man
gäntzlich nit gedulden. Welcher darbey ergrieffen wirt, soll
fürs erste und andermal einen Orts gülden Kirchenstraff er-
legen. Die Receptatores aber und die solchen Spielern, Raß-
lern [=Spielern] und Doppleren [=Würfelspielern] in irer Be-
haussung Gewahrsam oder sonsten Unterschleiff geben, oder
die Rädlinsführer, so die unverständige Jugent hierzu verley-
ten, sollen umb ein halben Gülden oder nach gelegenheit hö-
her belegt seyn. Wann aber nach dem ersten, andern und
dritten mal keine solche Kirchen Straffen unnd Warnungen
wöllen helffen, gehören Thürn [=Turmstrafe, Gefängnis]
unnd andere ernstere Obrigkeits Mittel darzu, welche die
Beampte, da ihnen solche Leuth benambset oder ruchtbar
werden, unnachlassig vorzunemen Macht haben sollen.
24. Wir vernehmen auch, daß unsern Mandaten unnd hie-
bevor beschehehem ernstem Verbott zuwider in den Würts-
häussern nicht allein nach neun Uhren zu Nachts, sondern
auch biß in die halbe Nacht und länger den inheimischen
Wein uffgetragen werde. Mit Wanderersleuthen und Fremb-
den oder, da inheimische von frembden beruffen und geladen
werden, hat es eine andere Gelegenheit, unnd kan denselbi-
gen, wenn sonst kein ungebür vorgehet, solch gewiß Maß
nicht allwegen gegeben werden, Sondern wirt in dergleichen
Fällen zu vernünfftiger Discretion billich gestellet. Ob nun
wohl dieses den Politischen Dienern und Beampten auß ha-
bendem Befelch zu bestraffen zustehet, So wollen wir doch
darneben befehlen unnd ordnen, darmit ja solche Unordnung
desto weniger verschwiegen unnd ungestraffet bleibe, daß
auch die Kirchencensorn hieruff Achtung geben unnd, da sie
solche Verbrecher in Erfahrung bringen, denen einen halben
Gülden abfordern unnd sie zur Kirchenbuß einschreiben,
nicht daweniger, aber auch der Obrigkeit und Beampten zu
derselbigen Straffe anzeigen.
25. Das Kugelschieben [=Kegeln] Sontags zwischen den Mor-
gen- und Mittagspredigten oder dem Catechismo soll bey
Straff drey Alb. verbotten seyn, Derjenige, so die Kegel
unnd Kugel dargibt, doppel so viel erlegen. Wenn es aber in
wehrendem Gottesdienst geschehe, so wirt die Obrigkeit und
Amptsdiener sie mit Ernst deßwegen anzusehen und bestraf-
fen wissen.
26. Die Hagel Feyertage [siehe unten, S. 352 Anm. 31], Faß-
nacht-, Walpurgis- unnd Johannsfewr, Geleute und Glocken-
streich gegen das Wetter, Gebete bey und uber den Todten
Gräbern sampt andern dergleichen abgöttischen alten verleg-
nen [=abgelegten] Mißbräuchen gedencken Wir bey unser
Ungnad und ernster vorbehaltener Straffe nit zu gedulden.
27. Hieher gehören auch die ubergebliebene Todtenbein
[=Ossuarium] und genannte Heyligen- wie auch Sacrament-
häußlin, die man gäntzlich soll abschaffen unnd die Todten-
beyn auff den Gottsacker in die Erde verscharren und be-
graben.
28. Das Rathscheiben, Lencher außruffen [=Lehenausrufen,
siehe S. 128 Anm. 69] und das Mägde und Knecht umb die-
selbe Zeit einander zu Wein führen wie nicht weniger die Zu-
sammenkunfften deß jungen Volcks, Knecht unnd Mägde, zu
Winterszeiten in den Kunckel- oder Spinnstuben [siehe
S. 129 Anm. 72] und dergleichen andern Versammlungen sol-

len bey sechs Alb., vier Pfenning Kirchenbuß (vorbehaltlich
fernerer Obrigkeitlicher Abstraffung) verbotten seyn.
29. Bey dieser gantzen Verordnung, wo die Straffen nicht
eben namhafft gesetzt oder die Umbstände in etwas eine Er-
höhung leyden mögen, soll man diese gute Discretion unnd
Maß halten, auch also behutsam verfahren, daß die gemes-
sene Limites einer Kirchenbuß nicht uberschrieten und in
andere, härtere Straffen, so der Obrigkeit gebüren möchten,
verwandelt werden, gegen welchen verweißlichen [=unehren-
haften, schimpflichen] Mißbrauch, wann derselbige sich ein
oder ander orts wider besser Zuversicht wolte spüren lassen,
Wir, da es Uns klagendt vorgebracht, gebürendes einsehen
zu haben hiermit vorbehalten.
Von Allmosenstöcken und Gottes Kasten
1. Damit den Land- und Haußarmen dürfftigen, so wegen
Leibs Schwachheit, hohen Alters oder dergleichen Gebrechen
und Unvermöglichkeit ihr Brodt mit der Handarbeit nicht
mehr erwerben können, man desto baß in ihrer Dürfftigkeit
zu Stewer möge kommen und sie mit desto reichern Allmosen
mildiglich bedencken unnd versorgen, verordnen Wir und
wöllen, daß in den Stätten, Flecken und sonsten auff dem
Land in den volckreichen Gemeinden auff die Son- unnd
gantze Feyertage wie auch bey Einsegnung der Eheleuthe
das Allmosen mit dem Säcklein gesamlet, in einen sondern
darzu geordneten Gotteskasten geschüttet und die Zuhörer
durch die Pfarrer und Kirchendiener offtmals vermahnet
werden, daß niemand mit lehren Händen unnd ohn ein Got-
tes Gabe vor dem Herren erscheine.
2. Deßgleichen sollen bey den Hochzeit- unnd gemeinen
Zunfftmahlzeiten mit Umbtragung der Büchsen die Allmo-
sen gesammlet und die Leuthe zur milden Gabe den Armen
zu Stewer ermahnet werden.
3. Item wenn Käuffe, Teusch oder andere dergleichen Con-
tracten geschlossen und beschrieben werden, soll man Kauf-
fer und Verkauffer mit auffgesetzten Büchsen vermahnen,
daß sie auch in den Gotteskasten etwas wöllen stewren.
4. Also auch in Erbfällen, wenn Theilungen der Erbschafften
werden vorgenommen, sollen jederzeit die Büchsen auffge-
setzt und ein Gottesgab vor die Armen von den Erben ge-
betten werden.
5. Ferners sollen die Kirchendiener reiche und vermögliche
Personen in irem Läger sowol als sonsten mit Glimpff [=An-
stand] unnd Bescheidenheit vermahnen, daß sie zu besserer
Unterhaltung und Trost der Armen von irer Verlassenschafft
[=ihrem Nachlass] etwas zu milten Sachen außsetzen und
verordnen wöllen.
6. Auch wenn Leichpredigten gehalten, soll mit Umbtragung
deß Seckels das Allmosen gesamlet und durch den Pfarrer
allezeit fleissig vermahnet werden, daß den armen eine Gabe
von denen, so die Leich begleiten, möge widerfahren.
7. Was demnach also in den Allmosen Kasten fället, das soll
man wol verwahret behalten, darmit vornemblich ingesesse-
nen Haußarmen darvon nach zutragender Gelegenheit deß
Gotteskastens könne gestewret werden. Wo auch die Hauß-
armen und sonsten dürfftige seyn, die also gethan, daß inen
das Allmosen nicht wol zu versagen, denen sollen die Kasten-
oder Kirchenmeister, wie solche jedes Orts seyndt, mit Zu-
ziehung deß Pfarrers und Kirchendieners eine Gab nach Ge-
legenheit mittheilen unnd solches bey den Visitationen ge-
bürlich verrechnen.

310
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften