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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0371
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36. Erläuterungspunkte zur Kirchenordnung 1617

Von christlichen begräbnußen
1. Bey den leichtbegengnußen sollen, wo schuelen
sein undt es begehret wirdt, die thodten mit christ-
lichem gesang uber die gaßen zue ihrer ruhestatt be-
gleitet werden unndt tröstliche vermahnungen ge-
schehen, wie jedes orts wol herkommen.
2. Wo daß crucifix bißhero den leychen vorge-
tragen worden, soll es, wie in andern unsern grave-
unndt herrschafften mehrentheilß lengst gefallen
undt verplieben, auch abgestellet werden.
Von schuelen
Ahn den orten, wo schuelen sein, sollen die eltern, so
ihre kinder muetwillig undt nur zu ersparung des
schuelgelts6 von der schuelen abhalten, ebensowol
das schuelgelt zue entrichtenf schuldig sein alß die-
jenige, welche die schuelen durch ihre kinder besu-
chen laßen, darinnen auch unsere beampte ihnen ge-
bührende handtbiethung leisten.
Von offentlicher poenitentz
1. Es soll auch nach lauth unser ernewerten kirchen-
ordnung34, so wir vermittelst göttlicher verleyhung
| 9r | hiernegst zue publiciren gemeint, hienfuro in
den fällen begangener unzucht undt fleischlicher
und unordentlicher vermischungen der bescheidene
underscheidt gehalten werden, das wan zwo perso-
nen mit einander unzucht getrieben, hernacher aber
sich erst ehelich versprechen, dieselbe ohne vorge-
hende offentliche kirchen poenitentz nicht eingeseg-
net, wann aber eheliche verlobte persohnen nach
solchem ehegelübte sich zue frühe hetten zuesam-
men gethan, derselbige exceß bei der einsegnung mit
bescheidenlichem ernst geruget und die excedirende
persohnen unserm herrn Gott und der kirchen ver-

e B: geltts.
f B: verrichten.
g Fehlt B.
h-h Fehlt B.
i B: befehlen.
j B: stätten.
k-k B: inspection.

söhnet werden, sodann, furs dritte, solcher verlobter
persohnen zue frühezeitige coniunctio erst nach be-
schrittenem ehebeth würde in erfahrung gebracht,
wollen wir dieselbige hiermit fur die kirchencensur
verwiesen haben, und bleiben in überigen bei voriger
ordnung.
2. Eß hat auch nicht den verstandt undt mei-
nung, das allein in ehebruch, hurerei undt unzucht-
sachen publica pöenitentia soll ufferlegt werden,
sondern sowol in andern dergleichen fällen, da of-
fentliche ärgernußen vorgangen, alß wen kinder ih-
ren eltern fluchen, dieselbige schlagen undt höchlich
unehren, item, so diebe seindt, denen die obrigkeit
das leben geschencket oder sonsten die schwere
leibsstraff aus gnaden gemiltert und was dergleichen
casus und schwere gegebene ärgernußen mehr sein
mögen.
3. Begebe sichs aber, das die boßheit überhandt
wolt nehmen und eine |9v| persohn in dergleichen
grobeg exceß wiederumb zum andern oder dritten
mahl würde fallen, so hat man die laster- oder
schandstein35 alsdan zue gebrauchen, hdoch würd
vor einen übelstandt alhier gehaltenh, das dieselbige
stein in der kirchen ufgehencket werden, sondern
seindt an andern offenen platzen, als rathheußer
etc., zue transferiren und verwarlich zue behalten,
das sie jederman imm gesicht seien.
Von etlichen andern kirchensachen,
alß von stiffts-, kirchen-, hospital- und
andern rechnungen über geistliche güter
Wir verordneni hiermit, das hienfuro beneben dem-
oder denjenigen, so wir aus unsern räthenj und die-
nern zue kirchensachen bestellet oder sonsten nach
gelegenheit gebrauchen, auch unsere superattenden-
ten, ihrer anbevolener superattendentz und kdie in-
spectornk deren claß, darinnen jeder die ufsicht hat,

34 Die Kirchenordnung von 1576 in der Fassung von 1618,
siehe oben, S. 297.
35 Steine, die der Delinquent als Schandstrafe eine Zeit
lang tragen musste; häufig wurde ihm hierzu eine Kette
mit ein oder zwei Schandsteinen um den Hals gebunden,
DRW 12, Sp. 212.

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