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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0396
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Hanau-Münzenberg

berger Kirchenrat (Nr. 4) stammt jedoch nicht aus diesen Anfangsjahren der Institution, sondern aus einer
Zeit, als das Gremium bereits etabliert war. Die Ordnung ist nicht datiert, lässt sich jedoch aufgrund
inhaltlicher Kriterien in die Jahre zwischen 1580 und 1583 einordnen: Der Text erwähnt ein früheres Ehe-
mandat, das unter der Vormundschaftsregierung Philipp Ludwigs I. erlassen worden war und das die regie-
renden Vormünder erneuern lassen haben. Bei diesem Mandat handelt es sich um das Schreiben vom
17. Mai 1564, das der gedruckten Eheordnung von 1578 (Nr. 3) vorangestellt wurde. Die Kirchenratsord-
nung muss demnach jünger als dieses Mandat sein und folglich aus der Zeit der Vormundschaftsregierung
für Philipp Ludwig II. (1580-1595) stammen. Die in der Kirchenratsordnung genannten Superintendenten
Nicolaus Krug und Konrad Cleß waren bis zu ihrem Tod 1583 bzw. 1586 im Amt. Der Zeitraum, in dem die
Kirchenratsordnung entstanden sein muss, beschränkt sich damit auf die Jahre zwischen 1580 und 1583,
also vom Beginn der Vormundschaftsregierung für Philipp Ludwig II. bis zum Tod des Superintendenten
Nicolaus Krug.
Die personelle Zusammensetzung des Kirchenrats entsprach zu Beginn der 1580er Jahre immer noch der
ursprünglichen Konzeption von 1563: Die fünf Mitglieder waren der Oberamtmann von Hanau, ein gräf-
licher Rat, die beiden Superintendenten sowie der Hanauer Burggraf. Die Kirchenratsordnung regelte
sowohl den Termin der wöchentlichen Sitzungen als auch die Inhalte, mit denen sich die Räte zu befassen
hatten. Hierzu zählten Ehesachen, Anstellung, Absetzung und Besoldung der Pfarrer und Prediger sowie
Unterhalt der Kirchen- und Schulgebäude einschließlich der Pfarrhäuser.

3. Der Wechsel zum reformierten Bekenntnis (1595-1608)
Während die Bevölkerung in der Grafschaft Hanau-Münzenberg überwiegend der lutherischen Theologie
anhing, wandte sich Philipp Ludwig I. möglicherweise bereits in den 1570er Jahren der Lehre Calvins zu,
zumal er seine Unterschrift nicht unter die Konkordienformel von 1577 setzte. Aber erst 1595, mit dem
Antritt der eigenständigen Regierung seines Sohns Philipp Ludwigs II., sollten sich die konfessionellen
Verhältnisse in Hanau-Münzenberg ändern.51 Philipp Ludwig war durch seine Mutter, Magdalene von
Waldeck, die in zweiter Ehe mit dem reformierten Grafen Johann VII. von Nassau-Siegen verheiratet war,
und durch zwei seiner drei Vormünder calvinistisch erzogen worden und hatte an den beiden reformierten
Lehranstalten, der Hohen Schule in Herborn und der Universität in Heidelberg, studiert.52 Nach seinem
Regierungsantritt 1595 drängte er auf die Einführung der Zweiten Reformation, die bereits unter der Vor-
mundschaftsregierung angebahnt worden war53, und zur Unterstützung bat er seinen ehemaligen Vormund
Johann VI. von Nassau-Dillenburg, ihm Jodocus Naum,54 den Rektor der Hohen Schule in Herborn, zu

Heppe, Kirchengeschichte 2, S. 231. Die Kirchenrats-
protokolle sind für die Jahre von 1563 bis 1574 überlie-
fert, Dahmen, Nach Gottes Wort, S. 11 unter Verweis
auf HStaatsA Marburg Protokolle II A, Nr. 20.
51 Heppe, Kirchengeschichte 2, S. 233 Anm. 2; vgl. ebd.,
S. 234-239; Menk, Philipp Ludwig I., S. 159f.; Mül-
ler-Ludolph, Philipp Ludwig II., S. 197-199; Gbio-
rczyk, Entwicklung, S. 281-283; Ascpikewitz, Wirk-
samkeit, S. 85-88.
52 Bott, Gründung I, S. 47.
53 Zu den Bemühungen der Vormünder, die religiösen Ver-
hältnisse in Hanau-Münzenberg zu ändern, siehe MüL-
ler-Ludolph, Philipp Ludwig II., S. 130-139. Philipp

Ludwig II. verfasste im Jahre 1600 eine „Kurze erzäh-
lung, was sich bei der hanau mintzenbergischen letzten
tutel und curatel ... zugetragen“ (verschiedene Ausferti-
gungen in HStaatsA Marburg Best. 81, Nr. 81, Nr. 17/2
und Nr. 17/6). Hierin übte er scharfe Kritik an der Reli-
gionspolitik der Vormundschaftsregierung, die den Kon-
fessionswechsel mit Zwangsmaßnahmen zu erreichen
gesucht habe, Müller-Ludolph, Philipp Ludwig II.,
S. 205; Wolf, Regierung (1936), S. 90; Siebert, Phil-
ipp Ludwig II., S. 151f.
54 Jodocus Naum (1550-1597) hatte 1575 in Heidelberg
studiert, kam 1582 als Schulmeister nach Dillenburg,
ging 1584 als Pfarrer nach Burbach und amtierte zudem

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