Einleitung
Der mit „Visitationsarticuli speciales“ überschriebene Entwurf vom 6. März 1599, der von zeitgenös-
sischer Hand und vermutlich von dem hanau-münzenbergischen Rat Otto Schultheß stammt, enthält eine
umfangreiche Sammlung von Visitationsfragen, die an die Presbyter, Schulmeister, Küster und Geistlichen
gerichtet waren.
Aus der Zeit um 1600 ist ein weiterer Fragenkatalog überliefert (Nr. 9c). Hierbei handelt es sich offen-
sichtlich um das Handexemplar, das die Visitatoren für die Befragung der einzelnen Personengruppen
verwendeten, denn die Artikel sind für jede Gruppe gesondert auf einen Papierbogen geschrieben und mit
entsprechenden Vermerken versehen: Puncten, derohalben sich bey den beampten zuerkundigen. Daneben
machen Kanzleivermerke deutlich, dass es sich um Formulartexte handelte, die mehrfach wiederverwendet
wurden: Nach gethanem bericht soll dieser zeddel wiederumb an gehörigen ort [=in die Kanzlei] gelifert werden.
Obwohl man die Visitationsfragen bereits um die Jahrhundertwende 1599/1600 entworfen hatte, wurde
erst 1602 eine Visitation durchgeführt, bei der sie zum Einsatz kamen.76
10. Ordnung der Landesverwaltung 3. Juli 1600 (Text S. 439)
In die Phase der Konsolidierung des reformierten Bekenntnisses gehört eine Ordnung zur Landesverwal-
tung, die auch kirchenorganisatorische Belange regelte. Diese Ordnung wurde von Philipp Ludwigs II.
Vormündern Johann VI. von Nassau-Dillenburg und Ludwig I. von Sayn-Wittgenstein erlassen. Hinsicht-
lich der kirchenleitenden Gremien wurde beschlossen, dass die Mitglieder des seit 1563 bestehenden Kir-
chenrats77 die Geistlichen der Grafschaft in Pfarrerklassen einteilen sollten, die zu regelmäßigen Klassikal-
konventen zusammenzukommen hatten.
Ferner plante man in allen Kirchen Presbyterien einzurichten, Katechisation zu halten und Hausvisi-
tationen durchzuführen. Diese Punkte sollten den Pfarrern bei einer Generalvisitation nahegelegt werden.
Die Visitatoren hatten dabei auch den refractarii die reformierte Lehre nahe zu bringen. In der Hanauer
Residenz sollte ein Hofprediger angestellt werden, der neben seinen seelsorgerlichen Aufgaben auch die
Armenfürsorge und die Verwaltung der Kirchengüter zu beaufsichtigen hatte.78
Aus der Ordnung der Landesverwaltung wurde in unsere Edition nur das erste Drittel des gesamten
Werks, das die kirchlichen Regelungen beinhaltet, aufgenommen, die übrigen Teile, die sich mit Themen der
säkularen Landesverwaltung befassen, wurden nicht berücksichtigt.
11. Almosenordnung [nach 3. Juli 1600] (Text S. 443)
In Hanau-Münzenberg war seit etwa 1597 die Nassau-Dillenburger Almosenordnung von 1589 in
Gebrauch,79 die man sich am 27. Februar dieses Jahres nach Hanau hatte schicken lassen.80 Dennoch bildete
nicht diese, sondern die Kurpfälzische Almosenordnung von 1574 die Vorlage für ein eigenes Regelwerk, das
Philipp Ludwig II. in den nächsten Jahren konzipieren ließ.
Die Hanau-Münzenberger Almosenordnung stimmt inhaltlich mit der Kurpfälzer und der Nassauer
überein, der Wortlaut weicht jedoch gelegentlich ab. Trotz der Übernahmen der Kurpfälzer Vorlage berief
sich Philipp Ludwig II. in der Vorrede der Hanau-Münzenberger Almosenordnung auf eine vor jahren ...
76 Zur Visitation von 1602 siehe Aschkewitz, Durchset-
zung, S. 89f.; ders., Kampf, S. 39; Rullmann, Kirchen-
visitationsprotokoll, S. 186.
77 Vgl. oben, Nr. 4.
78 Vgl. Müller-Ludolph, Philipp Ludwig II., S. 206f.
79 Abdruck unten, S. 182ff. Nr. 24.
80 Dies geht aus einem Vermerk in der Visitationsinstruk-
tion von 1597 (Nr. 6b) hervor: Die herrn rhete uberschi-
cken den Visitationsabschied wie auch die Naßawische
Almosenordnung mit befehl, uber solchem mit ernst zu [hal-
ten?I. Zur Übersendung der Almosenordnung vgl. auch
oben, Einleitung zu Nr. 6b. Im Hanau-Münzenberger
Bestand des HStaatsA Marburg Best. 83, Nr. 1416 sind
zwei Abschriften der Nassau-Dillenburger Almosenord-
nung überliefert.
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Der mit „Visitationsarticuli speciales“ überschriebene Entwurf vom 6. März 1599, der von zeitgenös-
sischer Hand und vermutlich von dem hanau-münzenbergischen Rat Otto Schultheß stammt, enthält eine
umfangreiche Sammlung von Visitationsfragen, die an die Presbyter, Schulmeister, Küster und Geistlichen
gerichtet waren.
Aus der Zeit um 1600 ist ein weiterer Fragenkatalog überliefert (Nr. 9c). Hierbei handelt es sich offen-
sichtlich um das Handexemplar, das die Visitatoren für die Befragung der einzelnen Personengruppen
verwendeten, denn die Artikel sind für jede Gruppe gesondert auf einen Papierbogen geschrieben und mit
entsprechenden Vermerken versehen: Puncten, derohalben sich bey den beampten zuerkundigen. Daneben
machen Kanzleivermerke deutlich, dass es sich um Formulartexte handelte, die mehrfach wiederverwendet
wurden: Nach gethanem bericht soll dieser zeddel wiederumb an gehörigen ort [=in die Kanzlei] gelifert werden.
Obwohl man die Visitationsfragen bereits um die Jahrhundertwende 1599/1600 entworfen hatte, wurde
erst 1602 eine Visitation durchgeführt, bei der sie zum Einsatz kamen.76
10. Ordnung der Landesverwaltung 3. Juli 1600 (Text S. 439)
In die Phase der Konsolidierung des reformierten Bekenntnisses gehört eine Ordnung zur Landesverwal-
tung, die auch kirchenorganisatorische Belange regelte. Diese Ordnung wurde von Philipp Ludwigs II.
Vormündern Johann VI. von Nassau-Dillenburg und Ludwig I. von Sayn-Wittgenstein erlassen. Hinsicht-
lich der kirchenleitenden Gremien wurde beschlossen, dass die Mitglieder des seit 1563 bestehenden Kir-
chenrats77 die Geistlichen der Grafschaft in Pfarrerklassen einteilen sollten, die zu regelmäßigen Klassikal-
konventen zusammenzukommen hatten.
Ferner plante man in allen Kirchen Presbyterien einzurichten, Katechisation zu halten und Hausvisi-
tationen durchzuführen. Diese Punkte sollten den Pfarrern bei einer Generalvisitation nahegelegt werden.
Die Visitatoren hatten dabei auch den refractarii die reformierte Lehre nahe zu bringen. In der Hanauer
Residenz sollte ein Hofprediger angestellt werden, der neben seinen seelsorgerlichen Aufgaben auch die
Armenfürsorge und die Verwaltung der Kirchengüter zu beaufsichtigen hatte.78
Aus der Ordnung der Landesverwaltung wurde in unsere Edition nur das erste Drittel des gesamten
Werks, das die kirchlichen Regelungen beinhaltet, aufgenommen, die übrigen Teile, die sich mit Themen der
säkularen Landesverwaltung befassen, wurden nicht berücksichtigt.
11. Almosenordnung [nach 3. Juli 1600] (Text S. 443)
In Hanau-Münzenberg war seit etwa 1597 die Nassau-Dillenburger Almosenordnung von 1589 in
Gebrauch,79 die man sich am 27. Februar dieses Jahres nach Hanau hatte schicken lassen.80 Dennoch bildete
nicht diese, sondern die Kurpfälzische Almosenordnung von 1574 die Vorlage für ein eigenes Regelwerk, das
Philipp Ludwig II. in den nächsten Jahren konzipieren ließ.
Die Hanau-Münzenberger Almosenordnung stimmt inhaltlich mit der Kurpfälzer und der Nassauer
überein, der Wortlaut weicht jedoch gelegentlich ab. Trotz der Übernahmen der Kurpfälzer Vorlage berief
sich Philipp Ludwig II. in der Vorrede der Hanau-Münzenberger Almosenordnung auf eine vor jahren ...
76 Zur Visitation von 1602 siehe Aschkewitz, Durchset-
zung, S. 89f.; ders., Kampf, S. 39; Rullmann, Kirchen-
visitationsprotokoll, S. 186.
77 Vgl. oben, Nr. 4.
78 Vgl. Müller-Ludolph, Philipp Ludwig II., S. 206f.
79 Abdruck unten, S. 182ff. Nr. 24.
80 Dies geht aus einem Vermerk in der Visitationsinstruk-
tion von 1597 (Nr. 6b) hervor: Die herrn rhete uberschi-
cken den Visitationsabschied wie auch die Naßawische
Almosenordnung mit befehl, uber solchem mit ernst zu [hal-
ten?I. Zur Übersendung der Almosenordnung vgl. auch
oben, Einleitung zu Nr. 6b. Im Hanau-Münzenberger
Bestand des HStaatsA Marburg Best. 83, Nr. 1416 sind
zwei Abschriften der Nassau-Dillenburger Almosenord-
nung überliefert.
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