Ysenburg
21. Almosenordnung für die Stadt Büdingen 18. Januar 1611 (Text S. 689)
Die Ordnung für das Almosen weist keinen Aussteller auf. Es handelt sich um einen Entwurf, der mit
zustimmenden Kommentaren versehen ist (placet; dieses werde verordtnet), woraus geschlossen werden kann,
dass Graf Wolfgang Ernst I. die Ordnung in Kraft setzte. Der Geltungsbereich geht nicht auf den ersten
Blick aus dem Regelwerk hervor. Aufgrund des im Text genannten Orts Großendorf sowie Hinweisen auf
ein Wohnviertel „hinter der Burg“ muss es sich um Regelungen für die Stadt Büdingen handeln. Die
westlich von Büdingen gelegene Siedlung Großendorf war älter als Büdingen und trug ursprünglich diesen
Namen, die Bezeichnung Großendorf wurde erst seit Ende des 15. Jahrhunderts verwendet. Die Großen-
dorfer Pfarrkirche St. Remigius war die Büdinger Mutterkirche.95
Die Almosenordnung erläuterte, dass durch eine lange zeitt continuirender thewrunge viele Leute auf das
öffentliche Almosen angewiesen seien, dass aber die wirklich Bedürftigen von den vorgeblichen unterschie-
den werden müssten. Die Ordnung regelte zum einen, aus welchen Quellen die Almosen geschöpft werden
sollten, zum anderen, wie die Gaben unter die Armen zu verteilen seien.
22. Fastnachtsmandat 14. Februar 1612 (Text S. 693)
23. Mandat zur Belehrung der Gemeinden über den Katholizismus 29. Juni 1614 (Text S. 694)
24. Mandat zum evangelischen Sonntagsgebet 9. September 1614 (Text S. 696)
Anfang des 17. Jahrhunderts war der Wechsel zum reformierten Bekenntnis in der gesamten Grafschaft
Ysenburg konsolidiert. In den Gemeinden wurden jedoch weiterhin zahlreiche altgläubige Bräuche gepflegt,
gegen die Wolfgang Ernst I. 1612 und 1614 mit zwei Mandaten vorging.
Zunächst beauftragte er den Amtmann in Birstein dafür zu sorgen, dass eingedenk des Tods Kaiser
Rudolfs II. am 20. Januar 1612 sowie Wolfgang Ernsts Trauerjahr für seine Frau Elisabeth, die am 5. Mai
1611 gestorben war, keine ausschweifenden Fastnachtsfeierlichkeiten in seinem Amt stattfinden sollten
(Nr. 22). Neben der Pietät gegenüber den Todesfällen spielte bei derartigen Fastnachtsmandaten stets die
obrigkeitliche Sorge vor Ausschweifung und allerlei unzüchtigen Lustbarkeiten der Untertanen eine Rolle.
In ähnliche Richtung argumentierte Wolfgang Ernst in einem Mandat, das er 1614 an die Pfarrer der
Grafschaft sandte (Nr. 23) und in dem er feststellte, dass noch zahlreiche altgläubige Praktiken in den
Gemeinden in Übung seien oder wieder aufgekommen wären. Diese Zustände führte er auf die vielfaltigen
sünden unter der Bevölkerung zurück, die das Evangelium, die Sakramente und die Sonntagsheiligung
verachte. Der Graf trug den Pfarrern auf, die Gläubigen um so nachdrücklicher zu ermahnen, von ihren
altgläubigen Bräuchen abzulassen. Schließlich wandte sich Wolfgang Ernst I. im gleichen Jahr noch einmal
an die Pfarrer seines Landes und ergänzte sein zuvor erlassenes Mandat dahingehend, dass ein spezielles
Gebet, das er hatte formulieren lassen, in den Gottesdienst aufgenommen werden sollte (Nr. 24). Die Stelle,
an der die besondere Bitte zu sprechen war, ist genau bezeichnet (zu ende der wortt: Wollest, o vatter aller
gnaden, etc. ...), die Angabe bezieht sich auf die Kirchenordnung von 1598 (Nr. 17).
Münzenberg siehe oben, S. 384, zu Hessen-Kassel siehe Decker, Pfarrgeschichte, S. 15f. Zu St. Remigius siehe
Sehling, EKO IX, S. 41f. oben, S. 550.
95 Dehio, Hessen, S. 113; Meyer, Geschichte, S. 82f.;
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21. Almosenordnung für die Stadt Büdingen 18. Januar 1611 (Text S. 689)
Die Ordnung für das Almosen weist keinen Aussteller auf. Es handelt sich um einen Entwurf, der mit
zustimmenden Kommentaren versehen ist (placet; dieses werde verordtnet), woraus geschlossen werden kann,
dass Graf Wolfgang Ernst I. die Ordnung in Kraft setzte. Der Geltungsbereich geht nicht auf den ersten
Blick aus dem Regelwerk hervor. Aufgrund des im Text genannten Orts Großendorf sowie Hinweisen auf
ein Wohnviertel „hinter der Burg“ muss es sich um Regelungen für die Stadt Büdingen handeln. Die
westlich von Büdingen gelegene Siedlung Großendorf war älter als Büdingen und trug ursprünglich diesen
Namen, die Bezeichnung Großendorf wurde erst seit Ende des 15. Jahrhunderts verwendet. Die Großen-
dorfer Pfarrkirche St. Remigius war die Büdinger Mutterkirche.95
Die Almosenordnung erläuterte, dass durch eine lange zeitt continuirender thewrunge viele Leute auf das
öffentliche Almosen angewiesen seien, dass aber die wirklich Bedürftigen von den vorgeblichen unterschie-
den werden müssten. Die Ordnung regelte zum einen, aus welchen Quellen die Almosen geschöpft werden
sollten, zum anderen, wie die Gaben unter die Armen zu verteilen seien.
22. Fastnachtsmandat 14. Februar 1612 (Text S. 693)
23. Mandat zur Belehrung der Gemeinden über den Katholizismus 29. Juni 1614 (Text S. 694)
24. Mandat zum evangelischen Sonntagsgebet 9. September 1614 (Text S. 696)
Anfang des 17. Jahrhunderts war der Wechsel zum reformierten Bekenntnis in der gesamten Grafschaft
Ysenburg konsolidiert. In den Gemeinden wurden jedoch weiterhin zahlreiche altgläubige Bräuche gepflegt,
gegen die Wolfgang Ernst I. 1612 und 1614 mit zwei Mandaten vorging.
Zunächst beauftragte er den Amtmann in Birstein dafür zu sorgen, dass eingedenk des Tods Kaiser
Rudolfs II. am 20. Januar 1612 sowie Wolfgang Ernsts Trauerjahr für seine Frau Elisabeth, die am 5. Mai
1611 gestorben war, keine ausschweifenden Fastnachtsfeierlichkeiten in seinem Amt stattfinden sollten
(Nr. 22). Neben der Pietät gegenüber den Todesfällen spielte bei derartigen Fastnachtsmandaten stets die
obrigkeitliche Sorge vor Ausschweifung und allerlei unzüchtigen Lustbarkeiten der Untertanen eine Rolle.
In ähnliche Richtung argumentierte Wolfgang Ernst in einem Mandat, das er 1614 an die Pfarrer der
Grafschaft sandte (Nr. 23) und in dem er feststellte, dass noch zahlreiche altgläubige Praktiken in den
Gemeinden in Übung seien oder wieder aufgekommen wären. Diese Zustände führte er auf die vielfaltigen
sünden unter der Bevölkerung zurück, die das Evangelium, die Sakramente und die Sonntagsheiligung
verachte. Der Graf trug den Pfarrern auf, die Gläubigen um so nachdrücklicher zu ermahnen, von ihren
altgläubigen Bräuchen abzulassen. Schließlich wandte sich Wolfgang Ernst I. im gleichen Jahr noch einmal
an die Pfarrer seines Landes und ergänzte sein zuvor erlassenes Mandat dahingehend, dass ein spezielles
Gebet, das er hatte formulieren lassen, in den Gottesdienst aufgenommen werden sollte (Nr. 24). Die Stelle,
an der die besondere Bitte zu sprechen war, ist genau bezeichnet (zu ende der wortt: Wollest, o vatter aller
gnaden, etc. ...), die Angabe bezieht sich auf die Kirchenordnung von 1598 (Nr. 17).
Münzenberg siehe oben, S. 384, zu Hessen-Kassel siehe Decker, Pfarrgeschichte, S. 15f. Zu St. Remigius siehe
Sehling, EKO IX, S. 41f. oben, S. 550.
95 Dehio, Hessen, S. 113; Meyer, Geschichte, S. 82f.;
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