Ysenburg-Birstein
23. Mandat zur Belehrung der Gemeinden über den Katholizismusa
29. Juni1614
Concept schreibens, an alle pastores abgangen, die
Wolffgang Ernst1, grave zu Ysenburgkh unnd Bü-
dingen etc.
Unsern gruß und gnedigen willen zuvor, wolge-
lerter, lieber getrewer. Wir mögen euch gnedig un-
verhalten, daß im Heiligen Römischen Reich Teut-
scher Nation, unserm vielgeliebtenn vatterlandt, ge-
nugsam offenbar und bekhandt ist, waßmaßen der
leidige antichrist, der babst zu Rom und sein ge-
schworner anhang, sich nicht allein das licht des hei-
ligen evangelii2 (welches Gott der almechtige zu die-
sen letzten zeiten wiederumb hell und clar angezün-
det und herfürleuchten lassen) zuverdunckheln, die
göttliche warheit zu dämpffen, die christenheit wie-
der under das joch seiner antichristischen tiranney
zubringen und seine abgotterey mit gewalt durch-
zutringen und fortzupflantzen, ime3 vorgenommen
hat (inmassen dan er solches an underschiedlichen,
auch in der nachparschafft bekandten ortten albe-
reit ins werckh gerichtet), sondern auch durch heim-
liche practiken und arglistigkeit die underthanen
wieder ire ordenliche obrigkeit durch seine anstiffter
und botten ufzuwiglen und zuverreitzen4, die uner-
farne jugendt, knecht | und mägdt, mit zulassung
allerhandt leichtfertigkheit und üppigkheit, welche
dan mehr alß an andern orten im pabsthumb gedul-
det und gelitten wirdt, neben gefärlicher einbildung
alles zeitlichen gedeyens und wolfart an sich zu lo-
cken und der obrigkheit abzupracticiren5, die under-
haltung kirchen und schulen, hospitalien unnd an-
derer milten sachen, von unsern gottseligen lieben
a Textvorlage (Handschrift): FYBA Büdingen Kulturwe-
sen Fasz. 16/99.
1 Wolfgang Ernst I. von Ysenburg-Birstein (1560-1633),
siehe oben, S. 559 Anm. 76.
2 Vgl. 2Kor 4,4.
3 Sich.
underthanen vorm bapsthumb zu verwahrnen etc. |
vorfahren gestiffte und bißhero angewendete kir-
chen- und clostergüter mit gewalt an sich zuziehen
und ime zuzuheimbschen sich understehet, auch
solch sein antichristisch vorhaben und beginnen so
weit ins werckh gerichtet und underbauet6 hatt, daß
es fast das ansehen gewinnen will, alß wolten die
evangelische ständte, mit vollem kriegsgewalt ange-
griffen, dero landt und leutte verderbet und verher-
get7 werden, welches alles sonder zweiffel wir mit
unsern vielfaltigen sünden, insonderheit der gemeine
man mit undanckhbarkeit und verachtung des hei-
ligen evangelii und sacramenten, entheiligung des
sabbaths, freßen und sauffen, fluchen und schweren,
unzucht und ruchloßem wesen und andern sunden
und lastern mehr, wie leider am tag ist, ja, daß uns
das heilige | wort Gottes gantz und gar entzogen
würde, gar wolverdienet haben, derohalben eine
hohe notturfft sein will, daß wir unsere vielfaltige
sünden recht erkennen, durch ernstliche buß und
besserung des lebens Gott dem almechtigen in die
rudte fallen8, ime mit einem eiferigen, glaubigen und
demutigen gebet ein fußfall thun und inbrunstiglich
anruffen, daß er unß unsere sünden gnediglich ver-
zeihen, wahre besserung des lebens verleyhen, die
geträuwete9 straffen gnediglich abwenden, uns wie
bißhero bei der erkhandten warheit und offentlicher,
friedlicher verrichtung des wahren gottesdinsts er-
halten und wieder das wüten und doben des anti-
christs und seines geschwornen haufens schützen
und handthaben wölle.
4 Anzustacheln, Grimm, DWb 25, Sp. 1004.
5 Abspenstig zu machen.
6 Untermauert, Grimm, DWb 24, Sp. 1501f.
7 Verheert, verwüstet, zerstört, Grimm, DWb 25,
Sp. 562.
8 Vgl. Ps 89,33; Klgl 3,1.
9 Angedrohten.
694
23. Mandat zur Belehrung der Gemeinden über den Katholizismusa
29. Juni1614
Concept schreibens, an alle pastores abgangen, die
Wolffgang Ernst1, grave zu Ysenburgkh unnd Bü-
dingen etc.
Unsern gruß und gnedigen willen zuvor, wolge-
lerter, lieber getrewer. Wir mögen euch gnedig un-
verhalten, daß im Heiligen Römischen Reich Teut-
scher Nation, unserm vielgeliebtenn vatterlandt, ge-
nugsam offenbar und bekhandt ist, waßmaßen der
leidige antichrist, der babst zu Rom und sein ge-
schworner anhang, sich nicht allein das licht des hei-
ligen evangelii2 (welches Gott der almechtige zu die-
sen letzten zeiten wiederumb hell und clar angezün-
det und herfürleuchten lassen) zuverdunckheln, die
göttliche warheit zu dämpffen, die christenheit wie-
der under das joch seiner antichristischen tiranney
zubringen und seine abgotterey mit gewalt durch-
zutringen und fortzupflantzen, ime3 vorgenommen
hat (inmassen dan er solches an underschiedlichen,
auch in der nachparschafft bekandten ortten albe-
reit ins werckh gerichtet), sondern auch durch heim-
liche practiken und arglistigkeit die underthanen
wieder ire ordenliche obrigkeit durch seine anstiffter
und botten ufzuwiglen und zuverreitzen4, die uner-
farne jugendt, knecht | und mägdt, mit zulassung
allerhandt leichtfertigkheit und üppigkheit, welche
dan mehr alß an andern orten im pabsthumb gedul-
det und gelitten wirdt, neben gefärlicher einbildung
alles zeitlichen gedeyens und wolfart an sich zu lo-
cken und der obrigkheit abzupracticiren5, die under-
haltung kirchen und schulen, hospitalien unnd an-
derer milten sachen, von unsern gottseligen lieben
a Textvorlage (Handschrift): FYBA Büdingen Kulturwe-
sen Fasz. 16/99.
1 Wolfgang Ernst I. von Ysenburg-Birstein (1560-1633),
siehe oben, S. 559 Anm. 76.
2 Vgl. 2Kor 4,4.
3 Sich.
underthanen vorm bapsthumb zu verwahrnen etc. |
vorfahren gestiffte und bißhero angewendete kir-
chen- und clostergüter mit gewalt an sich zuziehen
und ime zuzuheimbschen sich understehet, auch
solch sein antichristisch vorhaben und beginnen so
weit ins werckh gerichtet und underbauet6 hatt, daß
es fast das ansehen gewinnen will, alß wolten die
evangelische ständte, mit vollem kriegsgewalt ange-
griffen, dero landt und leutte verderbet und verher-
get7 werden, welches alles sonder zweiffel wir mit
unsern vielfaltigen sünden, insonderheit der gemeine
man mit undanckhbarkeit und verachtung des hei-
ligen evangelii und sacramenten, entheiligung des
sabbaths, freßen und sauffen, fluchen und schweren,
unzucht und ruchloßem wesen und andern sunden
und lastern mehr, wie leider am tag ist, ja, daß uns
das heilige | wort Gottes gantz und gar entzogen
würde, gar wolverdienet haben, derohalben eine
hohe notturfft sein will, daß wir unsere vielfaltige
sünden recht erkennen, durch ernstliche buß und
besserung des lebens Gott dem almechtigen in die
rudte fallen8, ime mit einem eiferigen, glaubigen und
demutigen gebet ein fußfall thun und inbrunstiglich
anruffen, daß er unß unsere sünden gnediglich ver-
zeihen, wahre besserung des lebens verleyhen, die
geträuwete9 straffen gnediglich abwenden, uns wie
bißhero bei der erkhandten warheit und offentlicher,
friedlicher verrichtung des wahren gottesdinsts er-
halten und wieder das wüten und doben des anti-
christs und seines geschwornen haufens schützen
und handthaben wölle.
4 Anzustacheln, Grimm, DWb 25, Sp. 1004.
5 Abspenstig zu machen.
6 Untermauert, Grimm, DWb 24, Sp. 1501f.
7 Verheert, verwüstet, zerstört, Grimm, DWb 25,
Sp. 562.
8 Vgl. Ps 89,33; Klgl 3,1.
9 Angedrohten.
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