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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0724
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Ysenburg beide Linien

als sol solch abendeßen oder nachteßen hiermit ab-
geschafft unnd bey straff 2 fl verpotten seinq. Was
aber frembde leutt unnd diejenige, so auff der hoch-
zeitt gedienet unnd aufgewartt, anlangt, dieselbige
sollen hiermit nicht gemeint sein.
Man sol auch zue jeder malzeitt auf jeden tisch
mehr nicht als 6 eßen geben unnd auftragen laßen,
unnd welcher hieruber thun wurd, sol so viel gulden,
als er disch gespeißet, zuerlegen schuldig sein.
So viel aber die hochzeitten, daruff man nicht zu
schencken pflegt15, beruren thuen, sollen zue densel-
bigen mehr nicht als zwen tisch gepetten, auch mehr
nicht als zwo malzeiten nach obbestimpter maß ge-
halten werden und das uberige rechnungsglach
gentzlich verbotten sein, alles bei obgesetzter straff.
Wan auch bißhero im brauch gewesen, daß auf
den eheberedungstag oder weinkauf nicht viel, ein
geringer anzal personen gepetten unnd auch nicht
weniger an speis unnd tranck ist aufgewendet wor-
den als auf den hochzeittlichen tag selbsten, als sol
hienfuro, diesem zuvorkomm, an ehevolck unnd le-
dig personen mehr nicht dan zu zweien | dischen be-
ruffen und gepetten, auch nur eine mahlzeitt unnd
wie droben vermeldet, mit 6 eßen gehaltten werden,
unnd sollen die verbrecher mit 5 fl gestraffet wer-
den.
Was dan ferner die kindbett16 anlangend, hatt
man bißhero gespuret unnd gesehenn, das die eltern
ihre kindlein gantz geverlich17, ja auch gottlichem
bevelch18 zuentgegen, etliche tag lang ungetaufet
liegen laßen, allein des prachts unnd uncostens hal-
ben, bis sie denselbigen zusamen gepracht haben, als
wollen wir hiemit unnd ist unser ernstlich gepott,
das hienfuro, wen der almechtige Gott die schwan-

q Am Rand, gestrichen: gleiche meinung sol es haben mit
denen hochzeitten, daruff man nicht zu schencken pflegt,
und sol zu solchen hochzeitten mehr nicht als zwen tisch.
15 Hier sind Freihochzeiten gemeint, siehe oben, S. 221
Anm. 54.
16 Das Kindbettmahl, siehe oben, S. 201 Anm. 26.
17 In böser Absicht.
18 Vgl. Mt 19,13-15; Mk 10,13-16; Lk 18,15-17; Gen 17,12;
Lev 12,3.
19 Ehemann.
20 Vgl. Mk 10,13-16; Mt 19,13-15; Lk 18,15-17.

gere frauwen ih[r]er weiblichen burden mit gnaden
entbunden unnd sie mit einer leibsfrucht gesegnet,
sie beneben ihrem ehevogt19 als eltern schuldig sein
sollen, ihre kindlein unverzueglichen unserm lieben
herrn Jesu Christo zu[zu]tragenn20 unnd also durch
die heilige tauff der christlichen kirchen einverleiben
zu laßen unnd deßelbig mitnichten leichtfertiger-
weiß zuverseumen bey vermeidung unserer ungnadt
unnd darzu 5 fl straff.
Was aber das glach21, welches gleich nach be-
schehener tauf bißhero gehalten worden ist, belan-
get, wollen wir, das solchs umb dieser uhrsachen
willen, weil die hausmutter ihrer leibsschwachheitt
halben gleich anfangs in der kuchen oder sonsten im
haus nicht wandern noch ufsehens haben kan, biß
nach ausgang der | sechs wochen, woferrn der gevat-
ter inheimisch gepetten worden, verschoben, alsdan
auch die bretzel tuglich mitgegeben22 unnd also ein
glach vor alles gehalten werden. Do aber der gevat-
ter frembt unnd uber land erpetten ist, mag solch
gloch so bald, da es in des kindleins eltern gelegen-
heitt wehre, nach verrichtung des christlichen
wercks, doch auf maß, wie hernach volget, voln-
bracht werden.
Unnd sollen zue solchem kindbett nicht mehr
person als zu einem tisch geladen unnd beruffen
unnd nur ein malzeitt unnd daruber uber 6 eßen
nicht gegeben werden, alles bei straff 1 fl. Denjeni-
gen personen, so zu gevatter gestanden, sol zu sol-
cher mahlzeitt uber ein halb viertel wein zuschenck-
en hiermitt auch verpotten sein. Wofern aber je-
mand daruber thun wurd, derselbig sol mit soviel
schreckenberger23 als viel maß er daruber ge-
schenckt, verfallen sein. Auch sollen diejenigen, wel-

21 Gelage, Festmahl.
22 Anlässlich der Taufe wurde der Taufschmaus ausgerich-
tet, hier erhielt offenbar jeder eine Brezel, vgl. Wor-
schech, Reinhard, Frauenfeste und Frauenbräuche
in vergleichender Betrachtung mit besonderer Berück-
sichtigung Frankens, Diss. phil. Würzburg 1971, S. 126f.
23 Der Schreckenberger war eine Silbermünze, die im 16.
Jahrhundert am Schreckenberg bei Annaberg im Erzge-
birge geprägt wurde. Um 1500 entsprachen sieben
Schreckenberger dem Wert eines Guldens, Schrötter,
Wörterbuch, S. 607f.

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