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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0037
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laß zu der Vermutung, daß das oberpfälzische Religionsmandat von 1538 auch die Rheinpfalz betreffe,
liegt in dem Nuntiaturbericht vom 3. Dezember 1538, in dem es heißt, daß Kurfürst Ludwig und sein
Bruder Friedrich dies Edikt für ,,ihre Länder erstellt und publiziert“ hätten3. Offenkundig glaubte man
in Wien und Rom, daß das Edikt auch in der Rheinpfalz gelte. Ihre Information und eine Kopie des
Edikts hatten die Nuntien von den bayerischen Gesandten erhalten. Es läßt sich aber an den Briefen
Johann Ecks aus Ingolstadt an Aleander in Wien ganz klar und eindeutig feststellen, daß er bei seinen
Berichten nur die Oberpfalz im Auge hatte4. Von entsprechenden Bestimmungen für die Rheinpfalz
weiß er augenscheinlich nichts. So liegt der Irrtum bei den Berichten nach Rom, die ihre Information
ungebührlich verallgemeinern. Die treibenden Kräfte dieser Schwenkung in der Religionspolitik der
Oberpfalz sind die Stände und Pfalzgraf Friedrich als Statthalter. Kurfürst Ludwig ist bei diesen Vor-
gängen seiner lebenslänglichen Haltung und Einstellung gemäß eher passiv und nur gewährend. Zudem
vermeidet er bewußt eine schriftliche Ausfertigung des Erlasses und dessen Publikation im herkömm-
lichen Sinne. Auch fehlen in den oberpfälzischen Akten und Vorgängen für diese Zeit5 alle Hinweise
auf eine entsprechende Regelung am Rhein. Ein weiteres Argument gegen die Geltung des Edikts am
Rhein ist der Umstand, daß ein Teil seiner Bestimmungen die Erlasse von 1546 vorwegnehmen würde,
jene aber nicht als Wiederholungen und Bekräftigungen früherer Befehle kenntlich sind. In der Rhein-
pfalz blieben mithin die kirchlichen Verhältnisse von den oberpfälzischen Vorgängen unberührt. Eine
aktive obrigkeitliche Reformationstätigkeit beginnt in der Rheinpfalz erst nach Ludwigs Tode.

II. Die Regierungszeit Friedrichs II. (1544-1556)
Dem am 16. März 1544 kinderlos verstorbenen Ludwig V.folgt auf Grund von vom Kaiser bestä-
tigten Familienverträgen statt des Neffen Ottheinrich, der als Sohn von Ludwigs zweitem Bruder Ru-
precht nach den Bestimmungen der Goldenen Bulle der nächste Erbe gewesen wäre, dessen dritter Bruder
als Friedrich II., der Weise (1544-1556). 1482 geboren, hatte der Prinz seine Erziehung am
burgundischen Hofe erhalten und war dadurch zum ständigen Vermittler zwischen pfälzischer und habs-
burgisch-kaiserlicher Politik geworden. Seit 1518 war er Statthalter der Oberpfalz und doch daneben
immer wieder in militärischen (Türkenkriege) und vor allem diplomatischen Diensten des Kaisers
tätig gewesen. 1535 ehelichte er nach sieben anderen vergeblichen Werbungen Dorothea, die Tochter des
unglücklichen Dänenkönigs Christian II., eine Nichte Karls V., und erwarb damit Ansprüche auf den
dänischen Thron. Habsburg beabsichtigte mit dieser Ehe die pfälzische Politik dauerhaft an die kaiser-
liche zu binden. 1521-1522 hatte Friedrich der Reformation nahegestanden und Martin Butzer als Hof-
prediger bei sich gehabt. Später folgt er dem Neutralismus des pfälzischen Kurhauses, was ihn 1530 in
Augsburg den Protestanten die Confutatio namens des Kaisers übergeben und dann vor allem in der Ära
der Religionsgespräche zu einem auch von den Protestanten geschätzten Vermittler werden läßt. So
präsidiert er dem Regensburger Kolloquium von 1541, dessen Teilergebnisse er auch, nachdem sie von
den konfessionellen Partnern bereits preisgegeben waren, weiterhin zu erhalten sucht. Die Freigabe des
evangelischen Bekenntnisses in der Oberpfalz 1538, von den oberpfälzischen Landständen gefordert,
geht zu einem erheblichem Teile auf seine Rechnung. Sein Regierungsantritt durfte sowohl innerhalb

3 Vgl. Nuntiaturberichte aus Deutschland, 1. Abt., Bd. III, hrsg. v.W. Friedensburg (1893), S. 279; ähnlich
später ebendort, S. 291-292, 312-313 (wo ausdrücklich der Rhein genannt wird), S. 342-343, 382.
4 Vgl. Zeitschrift für Kirchengeschichte, Bd. 19 (1899), S. 235; dazu Nuntiaturberichte, 1. Abt., Bd. IV (1893),
S. 582 und 585-586.
5 Vgl. Lippert, S. 21ff. und Götz: Die religiöse Bewegung, S. 26-29.

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