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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0045
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ihren Rechten hedroht fühlte. Die Begründung des Pädagogiums in Heidelberg blieb das einzige Ergebnis
all dieser Bemühungen. Eine erneute Berufung Frechts gegen Ende des Jahres verlief ebenfalls erfolglos.
Ein wirklicher Fortschritt hingegen, vielleicht auf Anregung jenes Pfarrertags vom Mai 1546 hin,
war
4. Pfaltzgrave Friedrichs, churfürsten etc., aufgerichte ordenunge christlicher und guter policey [vom
17. Juni 1546].
Nach ihrem Wortlaut zu urteilen, ist sie die erste kurpfälzische Polizeiordnung überhaupt. Sie ist
vom Kurfürsten ,,nach rathe unser gelerten und treffliche rethe“ erlassen worden, Theologen sind also
nicht beteiligt gewesen. Ihre Geltung ist ausdrücklich auf die Rheinpfalz beschränkt. Näheres über die
Entstehung und Publikation der Ordnung wissen wir nicht. Die Bestimmungen gegen Gotteslästern und
Schwören, Völlerei, Kleiderluxus und Trunksucht haben ältere, teils vorreformatorische Vorbilder.
Konservative Haltung zeigt der Umstand, daß beim Gotteslästern auch das Lästern der Heiligen und das
Schwören bei ihrem Namen verpönt wird. Doch ist der evangelische Charakter der Ordnung unzweifel-
haft. Sie gebietet den Predigtbesuch, wobei unter der Predigt der Gottesdienst schlechthin verstanden
wird, und verbietet alle Veranstaltungen und Betätigung zur Kirchzeit. Die Bestimmungen über Ehe-
bruch und uneheliche Beiwohnung zeigen erste Ansätze einer obrigkeitlichen Ehegesetzgebung im Verbot
heimlicher Ehe und der Ehe Minderjähriger. Das Gebot an geistliche und weltliche Personen, uneheliche
Beiwohnung innerhalb Monatsfrist abzustellen, erinnert hinsichtlich der Geistlichen an das erste Re-
ormationsmandat und an den Schluß der Stiftsordnung. Weitere Verordnungen in Ehesachen behält
sich der Kurfürst ausdrücklich vor. Das Fasten steht grundsätzlich frei, wird aber obrigkeitlich
festgesetzt, um der Fleischknappheit zu steuern. Diese Fastenzeiten werden im zweiten Druck der Ord-
nung noch etwas reduziert. Die Feiertage werden neben den hohen Festen auf die Marien- und Apostel-
tage beschränkt. Schließlich fließt das Strafgeld der Armen- und Krankenpflege zu, so daß erste Ansätze
eines Armenkastens sichtbar werden.
Diese Ordnung hat als einzige der Verordnungen von 1546 und 1547 das Interim überdauert. An
Peter und Paul (d. i. 29. Juni) 1549 erließ Friedrich II. in der Folge der kaiserlichen Polizeiordnung
von 1548:
Ordnung etlicher Policeyartickel, in die Churfürstlich Pfallencz bey Rheine publicirt. Anno 1549.
[Wappen Friedrichs II.] Gedruckt in der Churfürstlichen Statt Heydelberg durch Johan Eber-
bachen.
10 Blätter in 40, Titelrückseite leer.
Zwei Exemplare in Universitätsb. Heidelberg, K 22415 1. Ex., ganz in schwarzem Druck und
K 22415 2. Ex., mit teilweisem Rotdruck auf dem Titel und öfters im Text. In der Typenein-
richtung sind beide Drucke gleich.
Die Polizeiartikel von 1549 erwähnen die Polizeiordnung von 1546 an zwei Stellen, einmal wird die
Bestimmung über Kleiderluxus in 1549 durch eine detailliertere Bekleidungsordnung ersetzt (Aij
verso — Aiij verso), zum andern werden im Abschnitt von Eheberedungen, Hochzeiten etc. die Bestim-
mungen von 1546 förmlich erneuert und durch Zusätze ergänzt (Aiiij verso — B recto). Fasten und
Feiertage allerdings sollen der kaiserlichen Polizeiordnung von 1548 folgen. Interessant in den Polizei-
artikeln ist sonst noch ein Verbot des Bettels (Bv verso - Bvj recto).
Noch eine weitere Kirchenordnung muß für die Kurpfalz hergestellt worden sein, über die in der
bisherigen Literatur Unklarheit besteht. Die vorläuflge Kirchenordnung vom 21. April 1546 (unsere
Nr. 3) ist augenscheinlich nicht gedruckt worden29, obwohl auf der Adelsversammlung vom April 1546
29 Vgl. oben S. 18.
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