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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0112
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ist dies in einem Gottesdienst mit verschiedenen Teilen zusammengelegt. Die Übung der allmonatlichen
Bettage wird nun auch in aller Form in die Agende aufgenommen, desgleichen die Wahl und Verkündung
der neuen Ältesten mit diesbezüglichen Predigten am Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr sowie
am Neujahrstage selbst. Beim Heidelberger Katechismus ist die alte, liturgisch wenig glückliche Lectio
continua vor der Sonntagspredigt einer halbjährigen gewichen, worüber schon 1599 Gutachten gefordert
wurden. Der Katechismus hat einen ausgedruckten, neubearbeiteten Schriftbeweis. Durch Bezeichnung
mit Sternchen ist eine Auswahl der notwendigsten Fragen als Anfangspensum deklariert. Die bisher
bereits bei der Institution gebrauchten 22 Fragen sind an die Stelle des sog. kleinen Heidelberger Kate-
chismus gerückt. Die Ständetafel ist biblizistisch bereichert und variiert, aber nun ohne gottesdienstliche
Funktion. Auch die Änderungen der Bettagsgebete durch Umformulierung und Beifügung eines neuen
dürften eine bereits bestehende Ordnung sanktionieren. Hinzugefügt sind spezielle Feiertagsgebete, die in
etiva den lutherischen Kollektengebeten entsprechen. Da der reformierte Ritus vor der Predigt nur ein
einziges Gebet mit Offener Schuld und Bitte um gesegnete Anhörung des göttlichen Wortes kannte, hat
man die Fürbittengebete nach der Predigt auf die Festtage variiert.
Die Sakramentsformulare sind nahezu unverändert übernommen. Bei den Taufpaten wird erfolg-
reich absolvierte Institution verlangt. In den ländlichen Abendmahlsterminen an den Festtagen und am
ersten Septembersonntag (dem späteren Erntedanktag) wird eine noch heute allgemein in deutschrefor-
mierten Gebieten in Übung befindliche Praxis begründet. Die lutherisch klingende Spendeformel von
1585 ist wieder beseitigt. Bei den Kasualien sind die Kranken- und die Gefangenenvermahnung sowie
die Anweisung für Leichenpredigten erheblich umgestaltet.
In dieser vorliegenden Form ist die Kirchenordnung der Kurpfalz fast für ein Jahrhundert bestehen-
geblieben und ähnlich wie ihre Vorgängerin deutschreformierten Kirchenordnungen des 17. Jahrhunderts
zum Vorbild geworden.
Auf dem Titel eines späteren Nachdrucks von 1652 wird erwähnt, daß diesem ein Druck von 1611
vorgelegen habe. Doch konnte eine solche Ausgabe trotz mehrfacher Bibliotheksrundfragen nicht ermittelt
werden, so daß die alte Vermutung, daß diese Ausgabe von 1611 nur durch einen Druckfehler zu einer
Scheinexistenz gefunden habe99, viel für sich hat.
97. Churfürstlicher Pfaltz kirchendienerbestallungspuncten [vom 4. Juli 1601].
98. Churfürstlicher Pfaltz schuldienerbestallungspuncten [vom 4. Juli 1601 ].
Beides sind Bearbeitungen bisher gültiger Ordnungen, die bei gleichem sachlichen Gehalt nur eine
sprachliche Neuformulierung und die Gliederung in übersichtlich angeordnete Abschnitte bieten.
Bei der Kirchendienerbestallung ist uns das Vorbild von 1586 (Nr. 84) bekannt, bei der Schul-
dienerbestallung kann ein solches mit ziemlicher Sicherheit unterstellt werden. Wie dort ist der Auszug
aus der Landsordnung von 1582 über die Jurisdiktion über Kirchen und Schuldiener in weltlichen Ge-
richtssachen angehängt.
Gegenüber der Vorlage fügt die Kirchendienerbestallung die Beobachtung von Ältesten- und Classi-
calconventsordnung sowie die Institution ein, darin dem inzwischen eingetretenen Fortschritt kirchlicher
Organisation Rechnung tragend. Die Lehrnorm für Pfarrer ist einzig die Heilige Schrift.
Auch die
99. [Bestallung eines Inspektors vom 22. Juli 1601[
ist eine Erneuerung der Form unter Johann Casimir (Nr. 86). Auch sie unterscheidet sich sachlich von
ihrer Vorgängerin darin, daß sie die Aufsicht über das Institutionswerk in den Gemeinden und dessen

99 Vgl. Bassermann, S. 108.

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