Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0160
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Regierungszeit Ottheinrichs 1556-1559

Enchiridion.
Der kleine catechismus D. Martini Lutheri4.
Martinus Luther allen treuen frommen pfar-
herrn und predigern gnad, barmhertzigkeit und
fried in Christo Jhesu, unserm herrn.
Diesen catechismon oder christliche lehr in
solche kleine, schlechte, einfältige form zu stellen,
hat mich gezwungen und gedrungen die kläg-
liche, elende not, so ich neulich erfaren hab, da
ich auch ein visitator war. Hilf, lieber Gott, wie
manchen jammer hab ich gesehen, daß der ge-
mein mann so gar nichts weiß von der christlichen
lehre, sonderlich auf den dörfern, und leyder viel
pfarherr fast ungeschickt und untüchtig sind zu
lehren. Und sollen doch alle christen heissen, ge-
tauft sein und der heiligen sacrament geniessen,
können weder vaterunser noch den glauben oder
zehen gebot, leben dahin wie das liebe viehe und
unvernünftige säu und, so5 nun das evangelion
kommen ist, dannocht fein gelernet haben, aller
freiheit meisterlich zu mißbrauchen. O ihr bi-
schof, was wolt ihr doch Christo immermehr ant-
worten, daß ir das volck so schändlichen habet
lassen gehen und euer ampt nicht einen augen-
blick bewiesen6, daß euch alles unglück fliehe.
Verbietet zweyerley7 gestalt und treibet auf euer
menschengesetze, fraget aber dieweil nichts dar-
nach, ob sie das vaterunser, glauben, zehen gebot
oder einigs gotteswort können. Ach und wehe
uber eueren halß ewiglich.
Darumb bitte ich umb Gottes willen euch alle,
meine liebe herrn und brüder, so pfarherr oder
prediger seind, wöllet euch euers ampts von hert-
zen annemen, euch erbarmen uber euer volck,
das euch befohlen ist, und uns helfen, den cate-
chismum in die leuth, sonderlich in das junge
volck bringen. Und welche es nicht besser ver-
mögen, diese tafeln und form für sich nemen und
dem volck von wort zu wort fürbilden, und nem-
lich also.

4 1577 fügt hier statt des Brenzschen Katechismus
in 1556 den kleinen Katechismus Luthers ein
(vgl. D. Martin Luthers Werke (WA) 30 I, 803 und
Reu I, 1, 207). Dessen Text hat gegenüber der
von Luther selbst besorgten Fassung (Ausgabe
von 1531, Text in WA 30 I, 346-402, hier mit L
bezeichnet) einige Besonderheiten. Diese zeigen
insgesamt eine nähere Verwandtschaft mit der ins
Konkordienbuch aufgenommenen Form (vgl.
Bekenntnisschriften, 501-527, Varianten hier
mit C bezeichnet). Ebenso wie in dem für Kur-
pfalz bestimmten Druck des Konkordienbuchs,
Heidelberg 1582, fehlen hier Luthers Trau- und
Taufbüchlein. Das Vorbild von 1577 scheint am
ehesten die Katechismusausgabe Nürnberg 1558
(beschrieben WA 30 I, 746) zu sein, dort wie hier
auch die vorangestellten, der den sechs Haupt-
stücken zugrundeliegenden Texte, die hier in der
kurpfälzischen Kirchenordnung von 1577 dem

Aufs erst, daß der prediger vor allen dingen
sich hüte und meide mancherley oder anderley
text und form der zehen gebot, vaterunser, glau-
ben, der sacrament etc., sonder neme einerley
form für sich, darauf er bleibe und dieselbige
immer treibe, ein jar wie das ander. Dann das
jung und albere volck muß man mit einerley
gewissen text und formen lehren, sonst werden
sie gar leicht irre, wann man heuer sonst und uber
ein8 jar so lehret, als wölt mans bessern, und wird
damit alle mühe und arbeit verloren.
Das haben die lieben väter auch wol gesehen,
die das vaterunser, glauben, zehen gebot alle auf
ein weise haben gebraucht. Darumb sollen wir
auch bey dem jungen und einfältigen volck solche
stück also lehren, daß wir nit ein silben verrucken
oder ein jar anders dann das ander fürhalten oder
fürsprechen. Darumb erwehle dir, welche form du
wilt, und bleibe dabey ewiglich.
Wann du aber bey den gelehrten und verstän-
digen predigest, da magst du dein kunst beweisen
und die stück so bund, krauß machen und mei-
sterlich drähen, als du kanst. Aber bey dem jun-
gen volck bleib auf einer gewissen ewigen form
und weiß und lehre sie für das allererst diese
stück, nemlich die zehen gebot, glauben und
vaterunser etc. nach dem text hin von wort zu
wort, das sie es auch also9 nachsagen können und
außwendig lernen. Welche es aber nicht lernen
wöllen, daß man denselben sage, wie sie Christum
verläugnen und keine christen sind, söllen auch
nit zum sacrament gelassen werden, kein kind
auß der tauf heben, auch kein stück der christ-
lichen freyheit brauchen, sonder schlechts dem
bapst und seinen officialen, darzu dem teufel
selbst heimgeweiset sein. Darzu sollen ihn die
eltern und haußherrn essen und trincken versa-
gen und ihnen anzeigen, daß solche rohe leuthe
der fürst auß dem lande jagen wölle etc.
Dann wiewol man niemands zwingen kan und10
sol zum glauben, so sol man doch den haufen da-
Verzeichnis der fürnemsten Text des Heidelberger
Katechismus und der kurtzen Summa des Cate-
chismi in der Kirchenordnung von 1563 entspre-
chen.
An Separatausgaben des kleinen Katechismus
Luthers für die Pfalz sind nachweisbar:
Heidelberg 1577, Heidelberg 1579, Heidelberg
1583 (letztere mit angehängten Fragstücken),
eine Ausgabe ohne Ort und Jahr (zwischen 1577
und 1583, wohl Heidelberg), vgl. WA 30 I, 759.
Speziell für die Oberpfalz: Amberg 1578 (mit
Fragstücken), zwei Ausgaben von 1595, vgl. WA
30 I, 758-759.
Doch sind alle diese Ausgaben nicht älter als
unsere Kirchenordnung von 1577.
5 Fehlt L und C.
6 L und C: je beweiset.
7 L und C: einerlei, vgl. WA 30 I, 347, Anm. 4.
8 Fehlt L. 9 L und C: so. 10 L und C: noch.

134
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften