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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0205
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Kirchenordnung 1556

So dencke nun, das du disen underricht mit danck-
sagung gegen Gott und rechtem glauben anne-
mest, auf das du wissest, warauf dein trost und
seligkeit beruhen solle.
Du bekennest ja, das du ein sünder seyest, so
höre itzo und lerne, was Gott mit den sündern
thun wölle. Du denckest und alle menschen, Gott
seye eben deß sinnes wie die menschen, wer ihnen
guts thut, der geniesse es, wer ihnen leidts thut,
der entgelte es, wie du dann umb deiner mißhand-
lung willen itzo daligst und den todt leiden mußt.
Hettestu nit gemordet, würde dir der kopf nit ab-
gehauen. Hettestu nit gestolen, würdestu nit ge-
henckt werden. Das ist der welt urtheil, will und
meinung, aber Gott soltu anders lernen erkennen.
War ists, wer christlich und nach Gottes willen
und bevelch lebet, der soll es geniessen. Wer aber
solches nit gethan hat, soll darumb dannoch nit
verzagen, dann Gott nit lust hat an der sünder
todt [vgl. Ez. 33, 11], er will sünde vergeben und
ewig selig machen. Darumb hat er seinen eynigen
sohn Jhesum Christum lassen mensch werden
und sterben, auf das er für uns lidte und wir durch
sein sterben und leiden vergebung der sünden und
ewigs leben hetten.
So dich nun dein mißhandlung anfichtet und
dein gewissen bekümmert ist, sihe hieher, was
Christus für dich gethan hat. Dann also heißt der
spruch: Christus ist das lemblin Gottes, welches
der welt sünde tregt [Joh. 1, 29]. Bistu ein
mensch, so bist je auch ein stück der welt. Bistu
dann ein stück der welt, wo hat Gott deine sünde
hingelegt ? Für der welt ligen sie auf dir, darumb
mustu auch sterben, das ist der welt urtheil. Was
ist aber Gottes urtheil? Nemlich das Christus
Jhesus deine sünde von dir genommen und auf
sich geladen, dieselben getragen und darfür be-
zalet habe, auf das du für Gottes urtheil, so du
dich solches leidens Christi annimbst, von sünden
frey und ein kind Gottes in ewigkeit bleiben solst.
Dann also spricht Christus selbs Joannis am 3.
[16]: Gott hat die welt also geliebt, das er seinen
eynigen sohn hat hingeben, auf das alle, so an ihn
glauben, nit verloren werden, sonder das ewig
leben haben. Hie hörestu, wo Christus nit were
gestorben, müsten wir alle der sünden halb ver-
loren sein. Nun aber Christus gestorben ist, sol-
len wir alle, ich als wol als du, du als wol als
ich, an Christum glauben, das ist, sein leiden der-
massen annemen, das es umb unsertwillen und
uns zu gutem geschehen seye, so sollen wir nit
verloren werden, sonder das ewig leben haben.
Hie lerne widerumb, das du solche wolthat
Christi dir wol einbildest. Der welt würdestu
durch deinen todt gnug thun, darumb das du
wider die obrigkeit und deinen nechsten gesündi-
get hast, Gott aber würdest durch deinen todt nit
gnug thun. Christus aber hat darfür gnug thon,
desselben soltu dich annemen, dein gewissen da-

70-70 Ähnlich auch in Zweibrücken 1577.

mit trösten und frölich auf solchen trost sterben,
weil Christus für dich gestorben ist, auf das du
also gantz gerecht werdest. Für der welt bistu
gerecht, dann, was du verdienest hast, das wider-
fehrt dir. Für Gott bistu auch gerecht, dann
Christus ist für dich umb deiner sünde willen ge-
storben. An solchen todt Christi soltu mehr dann
an deinen einigen todt gedencken. Dann der todt
Christi hilft dir zum ewigen leben, dein eygener
todt beraubet dich nur dises zeitliches leben69.
Was kan dich dann weiter bekümmern, weil du
hörest, Gott wölle umb Christi willen dir gnedig
sein, weil Christus deine sünden auf sich genom-
men, dieselben getragen und darfür seinem vater
hat gnug gethan.
Man mag hie noch ein spruch oder zween ne-
men, den armen zu trost, als das Christus spricht
[Joh. 11. [25]]: Wer an mich glaubt, ob er schon
stirbt, soll er doch leben. Item: Christus ist nit ge-
storben allein für unsere sünde, sonder für der
gantzen welt sünde, 1. Joh. 2. [2]. Item: Kompt
zu mir alle, die ihr bekümmert seit etc., Matth. 11.
[28]. Bey solchen und dergleichen wenigen sprü-
chen soll man es bleiben lassen und sie den armen
leuthen wol einreiben, sonst macht man sie irr,
wann man es immer von einem spruch auf den
andern führet.
70Wann nun dem armen das gewissen der-
massen geringert ist, (wie es dann mus volgen)
weil Gott durch seinen geist bey dem wort sein
und wircken will, mag man dann auch zum andern
troststücke greifen und dem armen beides, die
schandt, so er für der welt tragen, und den todt,
so er offentlich leiden muß, nit ausreden, sonder
mit Gottes wort lind und leicht machen auf dise
weise.70
Trost wider die schand und den todt.
Das er alle anfechtung, so ime schandt und
todts halben under augen kommen werden, lerne
vest außschlagen und sich an den höchsten trost
halten, es scheine für der welt, wie es wölle, so
seye ime doch das ewig leben durch Christum er-
worben und gewiß zugesagt. Darumb, lieber
freund, lerne schaden und gewinn fein gegen-
einander abrechnen. Du und alle welt helt jetzund
diß für ein schaden, das du, ehe dann dein natur
erfordert, sterben must. Wolan, lasse es ein scha-
den sein. Was ist aber diß dargegen, das du nach
disem elenden leben solt ein kindt deß ewigen
lebens sein? Das du nun durch den todt zu sol-
cher verheissung gefürdert wirdest, solt du (wie
es in der warheit ist) für ein gewinn achten und nit
für ein schaden. Sterben ist ja schrecklich, aber
disen allein, so nichts dann sterben und kein hoff-
nung deß künftigen, ewigen lebens haben [vgl.
l.Thess. 4, 13], dieselbe hoffnung hast aber du.
Was woltestu dann sehr klagen ? Du verleurst vil-
leicht ein jar zehen oder zwenzig, die du sonst
lenger hettest mögen leben. Wer weiß, wie es dir

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