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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0212
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Regierungszeit Ottheinrichs 1556—1559

in anrüft, wie er spricht Deut. 30 [20]: Gott ist dein
leben und die lenge deiner tage. Dises soll man im
gebet betrachten, das man wisse, das Gott die crea-
turn und unser leben in seiner hand hat und kan und
will helfen, auch über die natürliche, gemeine weis.
Vom fall der ersten menschen.
Dises ist gantz gewiß und vestigklich zu halten,
das Gott alle creaturn gut erschaffen hat, wie im
ersten buch Mose im 1. capit. [31] klar ausgedruckt
ist. Und ist gewislich war, das der mensch darzu er-
schaffen ist, das Gott in im wonen und im Gott
seine weißheit und gütigkeit mitteilen wolt. Hat in
darumb erstlich also erschaffen, das er in begabt hat
mit den höhsten gütern, die in Gott sind, nemlich
mit weißheit, gerechtigkeit und freyem willen, das
er ein rein ebenbild Gottes were [Gen. 1, 27].
Und haben die ersten menschen, Adam und Eva,
dise güter sollen auf die nachkommen erben, so sie
im gehorsam bestendig gebliben weren. Und hette
Gott seine wonung und freude in den menschen ge-
habt. Aber Adam und Eva sind durch des teufels an-
reitzung und durch iren freyen willen dem göttlichen
gebot ungehorsam worden und sind also in ungnad,
sünd und todt gefallen [vgl. Gen. 3] und sind von
dem mörder verwundet und beraubt worden, wie
solchs Luc. im 10. capit. [30] angezeigt ist. Beraubt
sind sie der gnaden, das sie nicht mehr Gott gefellig
gewesen sind39 und haben darzu verloren die hohen
gaben, das schöne liecht von Gott im verstand und
den gehorsam im hertzen, item das leben. Uber diß
seind sie verwundt, das der verstand vol zweifels
und irrthumbs ist und das hertz vol unordenlicher
neigung, flucht und tödlichen schreckens, in aller-
ley betrübnus. Und hetten also die menschen im leib-
lichen und ewigen todt bleiben müssen, so nicht der
son Gottes fürbitter und mittler worden were.
Und ist nötig, hie zu erinnern, das gewißlich war
ist und festigklich zu glauben, das Gott nicht ursach
ist der sünden. Er wircket sie nicht, hilft nicht dar-
zu, wil sie nicht, sonder zürnet grausamlich wider
sie. Aber der teufeln und menschen wille selbs ist
ursach der sünden.

d GMMH: teufel.

Was ist sünd, erbsünd und wirckliche sünde?
In der ersten epistel Johannis [3, 4] ist ein kurtzer
spruch, der deutlich leeret, was sünd ist, nemlich:
Sünde ist, was wider Gottes gesetz ist. Dise red soll
man wol betrachten und recht versteen, nicht allein
von eusserlichen wercken, sonder auch von aller
blindtheit, unordnung und bösen neigungen in allen
kreften der teufelnd und menschen. Und ist darbey
zu versteen, das die sündige person darumb in
Gottes ungnaden ist und ist schuldig ewiger straf.
Erbsünd ist von wegen der ersten übertretung
Adams und Eva und von wegen der angebornen
blindheit von Gott und bösen neigungen, die in uns
durch denselbigen fall kommen sind, in Gottes un-
gnaden sein. Und ist dise sünde in allen menschen,
die aus mennlichem samen natürlicher weise geboren
werden, und sind darumb alle in Gottes ungnaden
und ewigklich verdampt, welche nicht durch den
herrn Christum vergebung der sünden erlangen und
widergeborn werden. Denn wie Adams und Eva
natur nach dem fall zerstöret ist, also sind ire kinder
und alle menschen, die natürlicher weise geborn
sind, hernach zerstöret, sind nicht Gottes wonung,
sonder sind vol zweifels von Gott und vol böser nei-
gung. Und dise blindheit und unordenliche neigung
streiten wider Gott und sind sünde, wie Paulus aus-
drucklich spricht, Rom. 8. [7]: Fleischlich gesinnet
sein, ist feindschaft wider Gott. Darumb, so der
mensch nicht vergebung erlanget durch Christum,
bleibt er von wegen diser sünden in ewigem zorn,
straf und verdamnus.
Wirckliche sünd sind alle werck wider Gottes ge-
bot, innerlich in der seel und im hertzen und eusser-
lich in allen glidmassen. Und ist der thäter auch umb
derselbigen willen in Gottes ungnaden und ver-
dampt, so er nicht zu Gott bekert wirdt und ver-
gebung der sünden erlanget durch den herrn Chri-
stum.
Und sollen die leut ernstlich underricht werden,
das, der sünde fürneme, gleiche straf ist die grau-
sam, ewig angst, darin die teufel und verdampte
menschen den gerechten und ernstlichen zorn Gottes
empfinden41 werden. Darneben in disem leiblichen
39 Fehlt Neuburg 1554.
41 Mecklenburg 1554: fülen.

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