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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0213
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Kirchenordnung 1556

leben sind auch strafen, nemlich der todt und aller-
ley leibliche plagen. Dise alle sind ein anfang der ewi-
gen strafen in den unbekerten.
Sie sind aber auch umb diser dreyer ursachen wil-
len den menschen aufgelegt. Erstlich, das wir alle
dardurch erinnert werden, das underscheid sey zwi-
schen tugent und untugent und das Gott gewißlich
ein weises, gütigs, warhaftigs, gerechts, keuschs
wesen sey und wider alles warhaftigklich zürne, das
diser seiner weisheit widerwertig ist. Das wir nun
dise underscheid und gerechten zorn erkhennen, hat
er auch die leiblichen plagen, die nicht gering sind,
auf die menschen gelegt.
Zum andern, Gott wil durch dise leibliche plagen
eusserliche zucht und friden erhalten und die gotts-
lesterer, eidbrüchige, mörder, rauber, eebrecher und
andere, befleckt mit blutschanden, hinwegkrau-
men42. Und helt Gott selbs fest ob diser regel, das
über eusserliche sünden auch in disem leben gewis-
lich leibliche strafen volgen, wie geschriben ist: Wer
das schwert nimpt, wirdt mit dem schwert umbkom-
men etc. [Mt. 26, 52], item von blutschanden: Hütet
euch, das euch das land nicht ausspeye von wegen
der blutschanden, wie es die Cananeer ausgespyen43
hat [vgl. Lev. 18, 28]. Gott wil eusserliche zucht
haben, hat darzu das gesetz geben. Nun were das
gesetz one execution und straf nur ein schwache
stimm und gedön. Darumb helt Gott selbs darob
ernstlich und erschrecklich, wie die grosse zerstö-
rungen in der welt für und für beweisen.
Die dritt ursach ist, das vil menschen durch solche
strafen erinnert werden, das sie widerumb zu Gott
seuftzen und bekert werden. Item, das die heiligen
für und für mehr den zorn Gottes wider die sünd
betrachten und gottesforcht, glauben und anrüfung
in inen zuneme und stercker werde, wie Paulus
spricht: Wenn wir gestraft werden, so werden wir
gezüchtiget, das wir nicht mit diser welt verdampt
werden etc. [1. Kor. 11, 32].
Und dieweil noch in diser verderbten natur vil
zweifels und unordenlicher flammen ist, darzu fallen
auch etliche, die heilig gewesen sind, in eusserliche
42 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: wegreu-
men.
43 Neuburg 1554: außgespeit.
44 Neuburg 1554: weggenommen.

grosse sünd, als Aaron [vgl. Ex. 32], David [vgl.
2. Sam. 11-12] und andere. So lasst Gott die leibliche
plagen noch auf allen menschen, auch auf den heili-
gen, in disem leben bleiben, das sie dardurch erin-
nert werden, obgleich die ewige straf hinwegkgenom-
men44 ist, darvon hernach weiter gesagt wirdt in der
frag, warumb die heiligen under das creutz gelegt
sind45.
Vom göttlichen ewigen gesetz und von under-
scheid der zehen gebot und der andern gesetz in
Mose, nemlich der levitischen ceremonien und
burgerlichen gesetzen.
Die alt, gewonliche weis, die gesetze in Mose in
drey teil zu teilen und zu underscheiden, ist ein
zimliche anlaitung, die leut zu underrichten von
vilen grossen sachen, nemlich also: Es sind dreierley
gesetz im Mose. Etliche sind genannt lex moralis.
Das nennen wir das ewig gesetz oder urteil wider
die sünd in allen menschen, wie wir hernach weiter
erkleren wöllen. Die andern gesetz heissen ceremo-
niales, das ist von kirchengepreng, von opfer, von
unterscheid der speise etc.46 Die dritten heissen
judiciales, das ist, burgerliche gesetz, von erbschaft,
landfriden47, halsgerichten und solchen ordnungen,
damit die regiment, zucht und friden erhalten sollen
werden48.
Nun ist zu wissen, das dise zwey teil, die leviti-
schen kirchengepreng und burgerliche gesetz, sind
zum regiment Israel auf ein gewisse zeit geordnet
und haben allein Israel binden sollen und sind mit
der endtlichen zerstörung Jerusalem zugleich ge-
fallen und binden uns nicht, wie klare zeugknus
sind in Actis im 15. cap. und in der epistel zu den
Galatern. Und sollen die gelerten weitern bericht
darvon wissen.
Aber diser teil, den man mit einem schwachen
namen nennet lex moralis, ist nicht ein vergengklich
gesetz oder erstlich mit Mose angefangen, sonder
es ist die ewig, unwandelbare weisheit in Gott selbs
und die ewige regel der gerechtigkeit in seinem gött-
lichen willen, die er aus unaussprechlicher gütigkeit
45 Vgl. unten S. 204-208.
46 Fehlt Neuburg 1554.
47 Fehlt Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554.
48 Fehlt Mecklenburg 1554; Neuburg 1554: + etc.

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