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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0214
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Regierungszeit Ottheinrichs 1556-1559

in die vernünftige creaturn gebildet hat. Und hat sie
darnach allezeit für und für in seiner kirchen von
Adams zeiten mit seiner predig erkleret und erholet,
das wir wissen sollen, wie er selbs ist, nemlich weis,
gütig, warhaftig, gerecht, keusch, und das er wölle,
das die vernünftig creatur im gleichförmig sein soll.
Darumb er ir49 dise hohe weisheit mitgeteilt hat, die
bindt alle vernünftige creaturn. Derwegen auch Gott
warhaftigklich und grausamlich zürnet wider alles,
das diser seiner unwandelbaren weisheit widerwer-
tig ist, und zerstöret es.
Und dises gesetz nennet man mit gewönlichem
namen zehen gebot. Denn darein sind die fürnemsten
sprüche ordenlich gefasset, die man aber also ver-
steen soll, wie sie Gott selbs erkleret hat. Und wiewol
keine creatur dise hohe weisheit ergründen oder aus-
reden kan, so müssen wir dennoch als kindlein die
zehen gebot für und für lernen und wissen, das dises
gesetz alle vernünftige creaturn bindt, das ist, Gott
selbs bindt sie. Und dise reden sind ein ernstlich ur-
teil wider alle sündige creaturen und zeugknus, das
Gott warhaftigklich wider sie zürnet. Und dises ur-
teil empfinden50 alle menschen, wenn das gewissen
in schrecken und angst fellt, die so gros ist, das sie
leiblichen und ewigen tod mitbringt, wenn nicht
trost kompt durch erkhentnus des herrn Christi aus
dem evangelio. In solcher angst lernet51 man, was
dises gesetz ist, und sonst kan man es mit worten
nicht ausreden.
Darumb ist auch allezeit dises ewig gesetz, lex
moralis und urteil wider die sünd in Gottes kirchen
von Adams zeiten geprediget und hat es der herr
Christus selb oft erholet und spricht Paulus: Durchs
gesetz ist erkhentnus der sünd [Röm. 3, 20]. Und ist
gantz gewiß, das Gottes will und ernstlicher befelch
ist, das man dises ewig gesetz in seiner kirchen pre-
dige aus disen beiden ursachen, das wir dardurch
wissen, wie der gehorsam, den wir Gott schuldig
sind, sein solt und also unsere sündige unreinigkeit
und übertretung erkhennen und vor Gottes zorn er-
schrecken und das die bekerten Gottes wort haben,

49 Fehlt Neuburg 1554.
50 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: fülen.
51 Neuburg 1554: leret.
52-52 Neuburg 1554: biß anher außgetilget gewesen.

daraus sie gewiß sind, welche werck die rechten
gottesdienst sind.
Underscheid zwischen dem gesetz und dem evan-
gelio.
Diser underscheid ist der haubtleere eine in der
kirchen. Und wo man sie verleschen lasst (wie sie
denn bey den papisten 52ausgetilget52 ist), folget
grausame blindtheit, das man tichtet, der mensch
sey gerecht durch eigne werck und verdiene ver-
gebung der sünden mit eignen wercken etc. Und die-
weil doch alle menschen sünd bey sich empfinden53,
bleiben sie im zweifel, könden Gott nicht anrüfen
und sincken endtlich in verzweifelung und ewigen
tod und wissen nicht, warumb der son Gottes ge-
sandt ist, wie die Phariseer bey den Juden in solcher
blindtheit steckten und hatten den rechten ver-
stand vom Messia verlorn. Aber Gott hat für und
für propheten erweckt, die rechte underscheid des
gesetzes und der verheissungen gepredigt haben,
wie auch der herr Christus selbst und die apostel
hernach geleeret haben.
Das gesetz ist dise ewig, göttlich weisheit, wie ge-
sagt ist, die Gott auch in die vernünftige creaturn
gebildet hat in der erschaffung und hernach im pre-
digampt für und für erholet. Die leeret und bezeu-
get, das man Gott recht erkhennen soll und das man
im gehorsam schuldig sey und wie derselbig gehor-
sam in allen unsern kreften sein solt. Und ist also
nach der sünd ein erschrecklich54 urteil wider alle
menschen. Denn kein mensch, on allein der son
Gottes, hat disen gantzen gehorsam. Und gibt das
gesetz nicht vergebung der sünden, sonder zeuget
allein von Gottes zorn wider die sünd. Und obwol
verheissungen an das gesetz gehenckt sind, so for-
dert es doch gantzen gehorsam darbey, spricht nicht,
das Gott one unsere verdienst sünde vergebe und
hinwegkneme55 etc.56.
Aber das evangelium ist eigentlieh die gnedig,
frölich predig vom son Gottes Jesu Christo, der in
dem wunderbarlichen rat göttlicher majestet zum
53 Mecklenburg 1554: fülen.
54 Neuburg 1554: schrecklich.
55 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: wegneme.
56 Fehlt Neuburg 1554.

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