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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0221
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Kirchenordnung 1556

menschen angeboten und wirdt der glaube ausdruck-
lich erfordert. Item Rom. 4. [16]: Darumb aus glau-
ben one verdienst, das die verheissung fest bleibe.
Darbey betracht auch den göttlichen eid Ezechie.
33. [11]: So war ich lebe, spricht der herr, ich wil
nicht, das der sünder sterbe, sonder das er bekeret
werde und das leben habe. Wer nun in der bekerung
nicht glauben wil, der verachtet den hohen eid, den
uns Gott ausdrucklich schweret, item er schmehet
das göttlich testament, das mit dem blut Christi
versigelt ist.
Dises74 alles sollen wir betrachten, uns wider den
zweifel zu stercken. Denn es ist und bleibt leider für
und für in disem leben, auch in den heiligen, vil
zweifeln und zapplen. Gleichwol sollen wir uns mit
dem evangelio stercken und also den zweifel über-
winden und trost und freude an Gott haben.
Also sollen auch die bekerten für und für glauben,
das sie Gott gefellig sind umb des herrn Christi wil-
len, ob sie gleich noch schwach sind. Rom. 5. [1-2]:
So wir gerecht worden sind durch den glauben, ha-
ben wir friden bey Gott durch unsern herrn Jesum
Christum, durch welchen wir einen zutrit haben
durch den glauben in diser gnacl, darin wir stehen.
Darumb, wo diser glaub und vertrauen auf Christum
nicht ist, da ist kein zutrit zu Gott. Und solchen ist
Gott nicht gnedig. Item Rom. 1. [17]: Der gerecht
lebt durch seinen glauben. Item Eph. 3. [12]: Durch
in haben wir einen frölichen zutrit in vertrauen, das
da ist durch glauben an in.
Daraus ist auch klar, wo diser glaub nicht ist, da
ist kein rechte anrüfung zu Gott. Denn das hertz ist
fiüchtig vor Gott und versinckt in betrübnus und
hat nicht trost an Gott. Darvon spricht Paulus: Wie
könden sie anrüfen, wenn sie nicht glauben [Röm.
10, 14]?
Dargegen spricht aber das hertz auch in den hei-
ligen: Ach: wie soll ich glauben, das ich Gott gefellig
sey, so ich doch empfinde75, das ich so vil sünde ge-
than habe und bin noch so vol böser neigungen und
empfinde75 nicht besondere erleuchtung in mir?

74 Neuburg 1554: Diß.
73 Mecklenburg 1554: füle.
76-76 Fehlt Neuburg 1554.

Antwort: Das vertrauen soll nicht stehen auf un-
sern tugenden und unserer reinigkeit, sondern auf
dem herrn Christo, umb welches willen Gott uns
gneclig ist. Und dises müssen wir durch das evange-
lium mit glauben fassen, wie der Psalm [130, 5]
spricht: Mein seel wartet auf den herrn und nach
seinem wort hoffe ich. Sollen nicht das wort fallen
lassen und andere zeichen suehen.
Diß alles ist wol zu mercken wider den lesterlichen
bepstlichen irrthumb 76und trientischen artickel76,
welcher spricht, man solle im zweifel bleiben. Und
könden christliche verstenclige leut zu jeder zeit
hiervon weiter bericht thun.
Man mag auch die folgend erinnerung thun zu an-
leitung der ungeübten.
77Warumb mus man die exclusivam gratis oder sola
fide erhalten77?
Antwort:
Eben darumb: Denn diser trost ist der hohe trost,
der im evangelio geoffenbart ist, und ist durch das
wort gratis oft ausgedruckt. Und die propheten ha-
ben dise meinung mit der negativa geben, Psalm
143 [2]: Kein lebendiger ist gerecht vor dir. Und wie
unser verdienst ausgeschlossen ist, also mus dar-
gegen der verdienst und die versiinung des herrn
Christi gegen Gottes zorn gehalten werden. Darumb
sprechen wir oft also. Vier ursachen sind, darumb
die exclusiva zu erhalten nötig ist:
Die erste ursach, das dem herrn Christo sein eer,
die im allein gebürt, gegeben werde.
Die ander ursach, das wir in erkhentnus unserer
sünd und warhaftigem schrecken gewisen trost ha-
ben, wie in Gott im evangelio geoffenbart hat.
Die dritte ursach, das rechte anrüfung zu Gott ge-
schehen könde im vertrauen auf den mittler Chri-
stum und nicht auf eigne heiligkeit.
Die vierdt ursach, das gesetz und evangelium klar
zu underscheiden. Denn das gesetz spricht nicht78
gratis.
77-77 Neuburg 1554: Warumb muß man die außschlies-
sende wörtlein umbsonst und allein auß dem
glauben erhalten ?
78 Neuburg 1554: + umbsonst.

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