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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0231
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Kirchenordnung 1556

bleibt der leibliche tod. Dises ist also geordnet und
verkündiget im ersten buch Mose im47 dritten capi-
tel, da Adam und Eva widerumb angenommen sind
und gleichwol dem leiblichen toclt underworfen.
Und fallen oft die heiligen, als David [vgl. 2. Sam.
11], in eusserliche sünden, so kommen andere leib-
liche strafen darzu.
Die ander ursach: Der heiligen elencl in disem le-
ben ist zeugknus, das ire natur noch sünclig ist, kalt
in gottesforcht und schwach im glauben, hat vil
zweifels und vil unordenlicher neigung.
Dise sünden achtet die welt nicht. Aber Gott wil,
das wir in der kirchen seinen willen lernen und nicht
stoltz werden und uns selb seer klug und gantz rein
duneken und aus eigner klugkheit leere oder regiment
machen wöllen, wie Samosatenus, Arius und seer vil
menschen oft sich aufgeblasen haben. Und sihet
man zu cliser zeit auch vil aufgeblasner reformato-
res.
So sollen wir nun unser schwacheit, torheit und
innerliche unreinigkeit mehr und mehr erkhennen,
beklagen und nicht geringachten, sonder wissen, das
Gott warhaftigklich wider die sünd zürnet, ob er
gleich die person umb des herrn Christi willen aus
barmhertzigkeit angenommen hat. Er will dennoch
sein gericht unverachtet haben und wil, das die sünd
gantz zerstöret werde. Darzu dienen allerley grosse
betrübnus, damit die heiligen überfallen werden als
Adam, Eva, Abraham, Isaac, Jacob, Job, Jeremias
etc.
Solche exempel gehören alle in dise regel im Psal-
men [119, 71]: Es ist mir gut, das du mich demüti-
gest, damit ich dein gesetz lerne. Wir sollen anderst
nicht gedencken, denn was hoch begabt ist, wirdt
auch widerumb tief gedemütiget. Denn Gott wil,
das wir unsere sünd und sein gericht nicht gering-
achten. Es muß einem jeden auch dahin kommen,
das er von hertzen spreche: Ich bin ein würmlin und
nicht ein mensch, ein spott der leut und verachtung
des volcks [Ps. 22, 7].
Und bleibt gewißlich die regel in Luca im48 16.
cap.49 [15]: Was bey den menschen hoch ist, das ist

47 Neuburg 1554: am. 48 Neuburg 1554: am.
49 Fehlt Neuburg 1554.
49 a Mecklenburg 1554: fület.

ein greuel vor Got. Dises sind so hohe wort, das sie
kein creatur gnugsam betrachten kan. Doch sollen
wir den herrn Christum ansehen. Diser ist das vol-
kommen exempel der diemut. Er ligt vor Gott und
empfindt49a den unaussprechlichen zorn Gottes wider
cleine und meine sünd, als hette er sie selbs gethan,
Und sicht gründlich des ewigen vaters weißheit und
willen und demütiget sich under in.
Dise grosse ding kan niemandt ausreden. Aber
darbey sollen wir gleichwol lernen als kleine kind-
lein, das Gottes gerechter wille ist, das wir uns under
in warhaftigklich demütigen sollen und sollen dem
herrn Christo im leiden nach unserer geringen maß
folgen und hernach in ewigkeit umb seinetwillen
göttlicher weißheit, gerechtigkeit und freuclen teil-
haftig sein.
Die dritte ursach ist der teufel wüten, die wider
die kirche grimmiger sind denn wider andere völcker.
Denn sie sind Gott und dem herrn Christo feind und
suchen, wie sie Gott lestern und schenden könden
und von Gott vil menschen reissen und verderben.
Dises ist ein besonderer streit. Und soll uns tröstlich
sein, wie es auch allen christlichen menschen ist, das
der herr Christus spricht: Niemandt wirdt mir meine
schäflein aus meinen händen reissen [Joh. 10, 28].
Dieweil die teufel uns feind sind, fürnemblich
darumb, das sie Gott und den herrn Christum und
den heiligen geist schenden und lestern wöllen, so
sollen wir gewißlich wissen, das Gott uns armen
menschen helfen wil umb seiner eere willen. Denn
die teufel suchen unser elend fürnemlich, das sie Gott
schenden. Dises ist oft zu betrachten, und sollen wir
uns trösten mit disem spruch: Der son Gottes ist er-
schinen, das er des teufels werck zerstöre50 [l.Joh.
3, 8],
Die vierdte ursach ist das besonder exempel, da-
mit nicht alle heiligen beladen werden. Das die ho-
hen heubter in der kirchen, Christus51, Abel, Esaias,
Jeremias, Petrus, Paulus etc.52 getödtet werden, ist
ein offentlich zeugknus, das ein ander leben und ge-
richt nach disem jetzigen leben folgen wirdt. Denn
dieweil inen Gott zuvor zeugknus geben hat mit vi-
50 Neuburg 1554: + etc.
51 Neuburg 1554: Christi.
52 Fehlt Neuburg 1554.

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