Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0233
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kirchenordnung 1556

Wer also im elend Gottes gegenwertigkeit, hilf,
erledigung und ewige seliglceit sicht, der sicht das
höchst gut. Darumb so kan das hertz widerumb
freud haben und wirdt also durch Gott widerumb
aus dem tode gerissen und empfindt55 leben und lin-
derung der angst. Von disem trost wissen die heiden
und gottlosen gantz56 nichts. Aber wir sollen Gottes
verheissung anschauen und glauben und hoffnung
darmit erwecken und stercken. Psalm 33. [34, 19]:
Der herr ist nahet bey denen, die ein betrübt hertz
haben. Esa. 57. [15]: Gott wonet in den57 betrübten
hertzen, das er sie widerumb lebendig macht.
Psalm 49. [50, 15]: Rüf mich an in der not, so wil ich
dich erretten, und58 du solt58 mich preisen. Nahum 1.
[7]: Der herr ist gütig und stercket in der trübsal und
erkhennet, die auf in vertrauen.
Dise und dergleichen sprüch soll man wissen und
oft betrachten und als warhaftige göttliche ver-
heissungen annemen und nicht in wincl schlagen als
vergebliche reden.
Wir sollen auch die exempel anschauen, wie Gott
vilen geholfen hat, Adam, Eva, Davicl, Manasse,
Nabuchodonosor, dem cananeischen freulin [vgl.
Mt. 15, 21-28] etc. Also wil er gewißlich allen helfen,
die in anrüfen, obgleich die leibliche hilf nicht auf
ein weis geschicht.
Denn wir müssen disen unterscheid auch mer-
cken. Die encltliche erledigung in ewiger seligkeit
sollen wir alle zugleich gewißlich hoffen, wenns
gleich59 Gottes wille ist, das wir in disem leben nicht
leiblich gantz erlediget werden, als Jonathas, Judas
Maccabeus und vil andere, ob sie gleich von feinden
erstochen werden, sind sie dennocht Gott gefellig
und erben ewiger seligkeit, empfinden59 a auch trost
in iren hertzen. Also spricht Job im60 13. capitel [15]:
Wenn er mich gleich tödtet, so wil ich dennoch auf
in hoffen.
Die zeitliche erledigung in disem leben ist nicht
gleich. Denn Gott hat dises aus sonderlichem rath
also beschlossen, das die kirche in disem leben under

55 Mecklenburg 1554: fület.
56 Neüburg 1554: gar.
57 Neuburg 1554: dem.
58-58 ]Neuburg 1554: soltu.
59 Neuburg 1554: schon.
59 a Mecklenburg 1554: fülen.

dem creutz sein soll. Auch wil er den glauben in uns
üben. Darumb sollen wir im nicht zeit und maß be-
stimmen. Item in strafen wil er auch seine gerech-
tigkeit erzeigen und lindert dennoch den zorn mit
barmhertzigkeit. Psalm 77. [78, 38]: Er hat nicht
den gantzen zorn angezündet. Hosea 11. [8-9]: Mein
hertz ist mit barmhertzigkeit bewegt und ich wil den
grimm meines zorns nicht ausschütten. Joel 2. [13]:
Der Herr ist barmhertzig und reuet in die strafe.
Habacuc61 [3, 2]: Im zorn gedenckstu an deine
barmhertzigkeit.
Darumb, obwol die leibliche erledigung ungleich
ist, so ist dennoch dein glaub und anrüfung und
hoffnung nicht vergeblich, sonder erlangt gewißlich
linderung62 der strafen und des elendes und erlangt
oft gantze erledigung, wie David und Manasses
widerumb zum königreich kamen63.
Und in allen disen artickeln vom trost sollen wir
zugleich den herrn Christum anschauen. Erstlich ist
er das allerhöhest exempel der demut und gedult,
dieweil er dem ewigen vater in dem allererschreck-
lichsten64 leiden gehorsam gewesen ist, sollen wir
billich auch nach unserer geringen maß gehorsam
sein. Darnach sollen wir wissen, das er eben darumb
unsere straf getragen hat, das wir nicht in der straf
versincken und ewigklich verworfen werden, son-
dern das wir allein umb dises mittlers willen verge-
bung unserer sünden und gnad haben durch glauben.
Zum dritten von der hilf sollen wir wissen, das der
son Gottes eben darumb menschlich natur an sich
genommen hat, das er ir hilfe thun und sie erhalten
wil in zeitlichen trübsalen und im tode. Denn wie ein
menschlicher leib verfaulet und zerfellt, wenn die
seel hinwegk65 ist, also were die gantz menschliche
natur ewigklich verdorben gewesen, wenn sie der
son Gottes nicht ergriffen hette und angezogen, ir
leben und gerechtigkeit zu geben. Darumb ist er bey
uns und unser Immanuel [vgl. Mt. 1, 23]. Und ist
dises ein hoher trost in aller betrübnuß, gedencken,
das deine natur auch dem herrn Christo am hals
60 Neüburg 1554: am. 61 Neuburg 1554: + 1.
62 Neuburg 1554: erlinderung.
63 Neuburg 1554: kommen.
64 Neuburg 1554: allererschrockenlichsten; Mecklen-
burg 1554: allerschrecklichsten.
65 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: weg.

207
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften