Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0249
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von den Ehesachen 1556

Darumb, so sich ein solcher fall zutrüge, das ein
junges, darauf die eltern nicht sonderlich achtung
gehabt, sich one verwilligung der eltern eelich zu
dem andern, ime nach seinem stand nicht ungemeß,
versprochen hett und der vater kein billiche, recht-
messige einred fürwenden köndt, soll ime nicht ge-
statt werden, die eegelibdnuß seines kinds zu ver-
hindern, sonder die jungen sollen zusammengespro-
chen werden.
Sovil aber vormunder oder pfleger, so anstat der
abgestorbnen eltern verordnet, bewilligung im ver-
heyraten der jungen belanget, haben sie ein gemess-
nen gewalt und sind die jungen denselben nit aller
ding wie iren vätern1 underworfen, wie sollichs ver-
merckt mag werden aus dem lege In copulandis c.
[anon] de nup.[tiis]11.
Die ander verwirrung, so sich in eesachen zutregt,
begibt sich in den gradibus consanguinitatis et af-
finitatis, von wegen der blutfreundschaft und
schwagerschaft.
Hierin sind die geistliche recht auch zu weit gan-
gen und haben one eehafte, billiche und nutzliche
ursach die ee biß in den vierdten gradum der freund-
schaft verboten.
Yedochm so wil dennocht Gott darin natürlich
und erbarlich ordnung gehalten haben. Dann er hat
bald im anfang den son von der mutter und die toch-
ter von dem vater abgescheiden, da er spricht: Der
mensch soll vater und muter verlassen und seinem
weib beywonung thun [Gen. 2, 24]. Er hat auch dar-
nach die welt mit dem sündfluß [vgl. Gen. 6-8] und
die Cananiter mit verderbung ires gantzen ge-
schlechts und lands [vgl. Deut. 7, 1-5] gestrafet, das
sie on alle natürliche zucht und underscheid sich zu-
sammenverheyrat haben.
Darumb ist hie zu bedencken, das etlicher per-
sonen eeliche zusammenfügung von wegen der blut-
freundschaft und schwagerschaft verboten sind,
einsteils aus göttlichem, natürlichem rechten, eins-
teils aus weltlichen, bürgerlichen rechten.
Von der blutfreundschaft.
Aus göttlichem und natürlichem rechten ist verbo-
ten, das kein person, so der andern in der aufsteigen-
l H: vatern. m H: Jedoch.
n H: son. o H: zusainnxenverheyratten.

den oder absteigenden linien verwandt, dieselb zu
der ee nemen mag und, es so geschehe, soll es nicht
allein unkreftig, sonder auch gestraft werden. Dann
solche person sind undereinander als vater und sön,
mutter und töchter. Daher kompt es, so Adam noch
auf disen tag lebet, dieweil alle weiber von ime her-
kommen und für seine töchter gerechnet, wurde im
nicht zugelassen, ein weib daraus zur ee zu nemen.
Darnach in collateralibus, auf der seiten, ist aus
göttlichem und natürlichem gesetz verboten der
erst und ander grad in der ungleichen linien, nem-
lich, das der bruder sich nit mit der schwester, der
sons sonsn sich nit mit des vaters oder mutter
schwester verheyraten solte. Und so es geschehe,
soll es nicht gestattet werden.
Und sofer erstrecket sich hierin das göttlich, na-
türlich gesetz, aus welchem offenbar ist, das die ee
in dem andern grad in der gleichen linien, nemlich
geschwisterige kinder, im göttlichen und natürlichen
gesetz nicht verboten ist.
Nachdem aber der weltlichen oberkeit bevolhen,
erbare zucht bey den underthanen zu halten und
billiche ordnung, die göttliche, natürliche gesetz
handzuhaben, fürzunemen, auch der gemein pöfel
zu diser zeit in ein solchen unverstand und mutwil-
len geraten, das auch geschwisterige sich zusammen-
verheyrateno möchten, wann der heyradt der ge-
schwisterige kinder zugelassen wurde, so mag der
landfürst unangesehen, das der heyradt zwischen
den freunden im andern grad der gleichen linien
beide, in göttlichem und keyserlichem rechten, zu-
gelassen, disen jetzbemelten andern, ja auch den
dritten gradum consanguinitatis verbieten, damit
der gemein man dester ordenlicher in dem gehorsam
des göttlichen, natürlichen gesetzs erhalten werde.
Auch von wegen burgerlicher ursach, das durch die
heyradt der nechsten freundt nicht die andern ver-
forteilt und übersetzt werden.
Yedochp sollen die jetztbemelten gradus, so allein
aus menschlicher ordnung verboten, nit so streng
als die andern, aus göttlichem gesetz verboten, ge-
halten, sonder, wo sich die umbstende so wichtig
zutrügen, möcht darin dispensiert werden nach der
gemeinen regel: In gradibus juris divini prohibetur
11 C 5, 4, 8 (CJC II, 195).

223
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften