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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0253
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Schulordnung 1556

sollen sie in besondere büchlein schreiben oder
schreiben lassen, als Deus, Gott, coelum15, himel.
Dise kinder sollen auch zur musica gehalten wer-
den und mit den andern singen, wie hernach ange-
zeigt wirdt.
Das ander heuflin sind kinder, die nun im lesen
gewiß sind und die regulas grammatice anfahen.
Teglich soll man die erste stund nachmittag alle
knaben in der musica üben. Hernach soll man disem
heuflin, das lesen kan, welches mag genennet werden
secunda classis, die zween tag Montag und Dinstag
fabulas Aesopi exponiern, welche Joachimus Came-
rarius lateinisch gemacht hat16. Und soll der schul-
meister nach gelegenheit der knaben wehlen, welche
er wil. Mag auch etliche liebliche colloquia Erasmi17
lesen und Erasmi büchlin: De civilitate morum18
und das büchlin Joachimi Camerarii, welchs titel
ist Praecepta morum19. Aber Aesopus soll nicht
gantz aus der schul kommen.
Den Donnerstag und Freytag soll man disem
heuf lin Terentium exponiern. Den sollen die knaben
von wort zu wort außwendig lernen. Darumb soll
man nit vil auf einmal fürgeben.
Am Abend soll man disen knaben, so sie zu hauß
gehenc, einen nutzlichen spruch fürschreiben und
exponiern, den sie auch alßbald in ein besonder
büchlin schreiben und daheim lernen exponiern und
gedencken, das sie in morgens aufsagen, als: Timor
Domini initium sapientiae [Ps. 111, 10], Omnibus in
rebus modus est pulcherrima virtus und dergleichen.
Morgens früe sollen dise knaben, sovil die in Ae-
sopo oder Terentio gehört haben, widerumb auf-
sagen. Und soll der preceptor etliche nomina decli-
niern lassen und verba conjugiern nach gelegenheit
der kinder, vil oder wenig. Und soll die reglen de
generibus, casibus, praeteritis und supinis fleissig
fordern.
c G-M: geen.
d GM: exemplen.
16 Aesopi Phrygis, fabularum celeberrimi autoris,
vita. Fabellae Aesopicae plures quadringentis ...
1538, brsg. v. Joachim Camerarius d.ä. (1500 bis
1574).
17 Desiderius Erasmus von Rotterdam (1466-1536),
Familiarium colloquiorum opus, 1518.
18 Erasmus, De civilitate morum puerilium, 1530.
19 Joachim Camerarius d.ä., Praecepta morum ac

So auch die kinder regulas constructionum gelernt
haben, soll er die construction und die reglen darvon
fordern. Die ander stund vormittag sollen die vier
tage in der wochen, Montag, Dinstag, Donnerstag,
Freytag, allezeit also gebraucht werden, das dann
die knaben erstlich ein stuck in etymologia auß-
wendig recitiern. Darnach soll der preceptor die-
selbige reglen mit exempelnd erkleren.
Und so sie die etymologiam 20gelernet haben, sol-
len20 sie hernach syntaxin dise stund auch also auß-
wendig recitiern. Und soll der preceptor hernach
dieselbige regeln mit exemplis erkleren und die kna-
ben teutsch fragen, das sie exempla latina auf die
regel in syntaxi machen, als: Wie soll man in latein
sprechen, straf volget gewißlich nach verachtung
göttlicher gebot? S.[chuler]: Poena comitatur certo
contemptum divinarum legum.
Und sollen in allweg die schulmeister disen fleiß
thun, das sie die jugent treiben, regulas grammatice
außwendig zu lernen. Und soll dise thorheit nit ge-
duldet werden, das etliche die reglen verachten,
wöllen die sprach one reglen lernen.
Auch ist nutzlich, das im gantzen land ein gleiche
etymologia und syntaxis und nicht mancherley ge-
braucht werden.
Den Mitwoch und Sonnabend soll man zum cate-
chismo21 brauchen durchaus in allen haufen. Und
sollen die preceptores jeden jungen nacheinander
hören, gantz und deutlich sprechen decalogum,
symbolum, precationem dominicam. Und die grös-
sern soll man weiter fragen im catechismo, Quot
sunt personae divinitatis? Quid sit lex? Quid pecca-
tum? Quid evangelium? Quid poenitentia? Quo-
modo homo accipit remissionem peccatorum? Und
soll ernstlich befolhen werden, das ein gleicher cate-
chismus durchaus im land gebraucht werde.
Und dieselbigen tage soll man den knaben ein
vitae accomodata aetati puerili soluta oratione et
versibus quoque exposita, 1544.
20-20 Neuburg 1554: geleret haben, sol man.
21 Die KO 1556 (Nr. 7) bietet den Katechismus des
Johannes Brenz (vgl .obenS.130-132), schr eib t ab er
am Schluß des Abschnitts ,,Von dem catechismo“
für die Schulen den kleinen Katechismus Luthers
vor (vgl. oben S. 133), dem auch die Reihenfolge
der weiter unten aufgeführten Hauptstücke ent-
spricht.

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