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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0254
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Regierungszeit Ottheinrichs 1556-1559

lection aus göttlicher schrift exponiern, am Mitwoch
Mattheum oder proverbiae Salomonis, am Sonn-
abend die erste epistel ad Timotheum oder die epi-
stel ad Colossenses oder einen gemeinen Psalm, als
Miserere [Ps. 51, 3], De profundis [Ps. 130, 1], Psal-
mum primum: Beatus vir, Secundum: Quare fre-
muerunt gentes, Psal. xxiiii.: Ad te, Domine, levavi,
Psal. xxxiii.: Benedicam Dominum in omni tempore,
Psal. cxxvi.: Nisi Dominus aedificaverit, Psal.
cxxxii.: Ecce, quam bonum. Und sollen die schul-
meister die grammatica fleissig in derselben expo-
sition anzeigen und die einig, eigentlich meinung den
jungen deutlich sagen und nicht frembde disputatio-
nes einfüren. Die jungen sollen auch diser Psalmen
etliche auswendig lernen, ir gebet darin zu üben.
Etliche schulmeister wöllen eitel heilige schrift
lesen, etliche gantz keine. Dise meinung beide sind
streflich. Sonder dise ordnung, wie gesagt ist, so man
treulich leeren wil, ist der jugent nutzlich.
Das dritt heuflin soll man in den grössern schulen
also machen, das man die knaben darzu wehlet, die
nun zimlich grammatici sind. In der stund nach
mittag sollen dise mit den andern in musica geübt
werden, wie zuvor gesagt. Hernach soll man inen
die zween tag, Montag und Dinstag, Vergilium expo-
niern, die ander zween tag, Donnerstag und Erey-
tag, etliche außerleßne epistolas Ciceronis oder de
amicitia, de senectute oder Salustium.
Am abendt regulas Prosodie und etliche liebliche
poemata Ovidii de Ponto oder heroidas Eobani22
oder etliche elegias Sabini23 oder Stigelii24.
Morgen früe sollen dieselbigen jungen, wie es die
zeit bringt, Virgilium oder epistolas Ciceronis ex-
poniern. Und soll der preceptor durchaus lassen con-
struiern und auf jede construction die regel aus dem
syntaxi fordern. Und soll sich diser langkweiligen
arbeit nit verdriessen lassen. Soll auch etliche
schwere declinationes und conjugationes halten.
Darnach soll man mit disem dritten haufen auch
repetiern etymologiam und syntaxin. Und soll jeder
insonderheit die reglen außwendig sagen. Dise re-
e GM: Proverbia.
f GM: richterstul.
22 Helius Eobanus Hessus (1488-1540), Heroidum
libri tres, 1513.
23 Georg Sabinus (1508-1560), Elegiae argumentis

petitio der etymologie und syntaxis ist nötig. Es mö-
gen auch die schulmeister zu diser stund beide hau-
fen, secundam et tertiam classem, zusammensetzen,
das sie in diser stund sambtlich gehört und geübt
werden.
Zu isem allem ist nötig, das der schulmeister selbs
ein gewiser grammaticus sey. Dann, was einer selbs
nit gelernet hat, darzu hat er nit lust und helt die
jungen nit darzu. Er soll auch selbs mit den schulern
lateinisch reden und die schuler dahin halten, das sie
undereinander lateinisch reden.
Alle wochen sollen die knaben aus dem dritten
haufen am Sonnabendt lateinische schriften dem
schulmeister überantworten, episteln oder historien
oder vers. Und soll der schulmeister den knaben zu
teutsch etliche schöne historien dictiern, die sie her-
nach die wochen lateinisch machen, als von Joseph,
von Sambson, von David, vom verlornen son [Lk.
15, 11-32] und aus andern büchern, von Ulysse und
Polyphemo, von Hercule und Omphale, von Cyro,
von Cambyse und dem gestraften richter, deß haudt
Cambyses auf den richterstuelf spannen ließ, von
Mida, der nicht recht urteilt zwischen Apolline und
Pan und wurden ihme seine ohren zu eselsohren ver-
wandelt, und andere nutzliche gedicht, darin zu-
gleich die jungen die sprüch üben und historien ler-
nen und vil erinnerung von tugent mercken mögen,
und sollen die schulmeister fleiß thun, das sie inen
selbs vorrhat schaffen solcher historien und gedicht.
Und so die jungen ire schriften überantwort ha-
ben, soll der schulmeister inen anzeigen, wo etwas
unrecht ist, und die unrechten wörter und construc-
tiones bessern.
Wo in stetten der jungen so vil ist, das man den
vierdten haufen machen kan auß solchen knaben,
welche nun gewiß sind in etymologia und syntaxi,
disen soll man dieselbigen stund regulas dialectices
lassen recitiern. Die soll der schuhneister mit leich-
ten, nutzlichen exempeln erkleren. Hernach soll man
inen fürgeben initia rhetoricae.
Dise soll man auch die wochen ein stund lassen
utiles et variae et carminibus elegantibus compo-
sitae, 1550.
24 Johann Stigelius (1515-1562), Elegia de causis et
usu liberalium artium, 1558. Einzelne seiner Ele-
gien hatte schon Sabinus veröüentlicht.

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