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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0428
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Regierungszeit Friedrichs III. 1559-1576

kranckheyten und derengleichen, fürnemlich aber
in todtsnöten. Dann alßdenn ist sein gewissen mehr
gegengstiget denn sonst im gantzen leben, dieweil er
fület, daß er für das urtheil Gottes erfordert wirdt,
zum theil auch von wegen der anläuf und anfech-
tung des teufels, welcher alsdann mit gewalt ime zu-
setzt, auf daß er das arme, krancke und betrübte
hertz gar undertrucken und in abgrundt der ver-
zweiflung stürtzen möge46. Derhalben, dieweil die
diener der kirchen diener Gottes sind 47und aber
Gott under andern namen seiner majestat fürnem-
lich diesen titel fürth, daß er sey ein zuflucht der
elenden, ein heiland deren, so da seindt eines zer-
schlagenen hertzen [Jes. 57, 15], so sollen auch die
diener Gottes mit allem mitleiden, treu und fleiß die
betrübten hertzen trösten und zu dem son Gottes
durch die verkündigung seines heiligen evangeliums
weisen, der ihnen hülf verspricht: Kompt alle (sagt
er) zu mir, die ihr beschweret und beladen seyet, ich
will euch erquicken [Mt. 11, 28]47. Wiewol nun alle
bekümmerte und krancken nit einerley anligen ha-
ben und derwegen auch kein solcher trost kan be-
schrieben werden, der auf die gestalt und umbstende
eines jeden anligen gerichtet sey, so sollen dannoch
diese nachvolgende hauptstück und lehren gemein-
lichen allen krancken fürgetragen werden.
Erstlich, daß alle kranckheyten nicht ohne gefähr,
sonder von der handt Gottes und seiner väterlichen
vorsehung uns zugeschickt werden48, auf daß wir
unsere sünden als die ursach alles unsers elends er-
kennen und uns für Gott demütigen.
Diese ursach der kranckheyt soll der kirchendie-
ner denen krancken, welche ihre sünd nicht recht
fülen, wol für die augen halten. Wie auch dargegen
im fall, der krancke mit schmertzen seines gewissens
geengstiget ist, der kirchendiener das verwundte ge-
wissen nicht herter engstigen, sonder vielmehr die
heilsame gnad Gottes ime fieissig einbilden soll. Dar-
zu der kirchendiener brauchen mag die erste frag des
catechismi und dieselbige dem krancken mit ange-
zogenen sprüchen auß der heiligen schrift wol ein-
bilden, das nemlich der arme, krancke leib, wie er

47-47 Fast wörtlich aus Kurpfalz 1556, oben S. 168.

da ligt, sampt der seelen des herrn Christi eigen sey
und durch das blut Jesu Christi von allen sünden er-
lößt und erkauft etc. Diß soll auch der kirchendiener
zu mehrerm trost durch die artickel des christlichen
glaubens dem krancken erklären und ime anzeigen,
wie er sich eines jeden artickels für seine eigne per-
son in seiner kranckheyt habe zu trösten, wie dann
dasselb leichtlich auß dem catechismo und darbey
angezognen sprüchen zu thun ist.
Auch mag bißweilen, sonderlich wenn der krancke
zum ersten mal besücht wirdt, diese folgende ver-
manung mit solchen oder dergleichen worten für-
gesprochen werden.
49Lieber freund, weil euch unser herr Gott mit
schwachheyt euers leibs heimgesucht, damit ihr es
Gottes willen heimstellet, solt ir wissen:
Zum ersten, daß solche unsere leibskranckheyt
uns von Gott, dem herrn, umb unser sünden willen
zugeschickt wirdt und daß die erbsünd, welche von
Adam auf uns geerbet, den todt und alles, was in
des todts reich gehöret, als gebrechen, kranckheit,
elend, jammer etc., mit sich bringet, dann wo wir
on sünd bliben, so hett weder der todt noch einiger-
ley kranckheyt an uns etwas mögen schaffen.
Zum andern, damit wir aber in unsern sünden,
kranckheit und allerley anfechtung, auch des todes
angst und noth nicht verzweifeln müssten, so lehret
uns das heilig evangelium, das uns Christus, Gottes
son, von der sünden loß und selig machen wil, so wir
glauben an seine verheissung, und solches geschicht
auf zweyerley weiß, erstlich, das er uns hie auf erden
durch das evangelium und die heiligen sacramenta
unsere hertzen und gewissen reiniget, Actor. 15 [9]:
Er hat ihre hertzen gereiniget durch den glauben,
zum andern, wenn aber unsere gewissen dergestalt
von sünden gereiniget und mit Gott, dem vater,
durch den glauben versönet sind, muß auch die sünd
auß unser natur und wesen außgefeget und ver-
tilget und wir endtlich von allen sünden gereiniget
und in warer gerechtigkeyt und reinigkeyt, die Gott
von uns fordert, volkommen werden, damit wir mit
Gott ewig leben mögen.
48 Vgl. Frage 27 des Heidelberger Katechismus,
oben S. 348.
49-49 Wörtlich aus Kurpfalz 1556, oben S. 170-171.

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