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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0459
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Kirchendienerbestallung zwischen 1566 und 1570

vermanen, sich sampt iren kindern und haußgesind,
so oft man das wort Gottes prediget, bevorab an den
sonn- und andern feyertagen, zu der versamblung
christlicher kirchen fleissig zu verfuegen, dasselbig
mit gebürender reverentz und zucht zu hören, die
sacramenten zu empfahen, darzu unsere policeien,
mandaten und ordnungen, so wir wider den unfleiß
und hinlässigkeit in besuchung der kirchen, auch
andere laster als abgöttereyen, unzucht, truncken-
heit, gotslästerungen, spilen und andere uppigkeiten,
außgehen und publicirn lassen18, uf der cantzel oft
anziehen, damit das volck zu zucht, friden und ge-
horsam desto mehr ermanet und geraitzt und von
den lastern nicht allein durch forcht der straf, son-
der vielmehr durch die liebe Gottes abgezogen und
gehalten werde17.
19Wo aber solche christliche, treuhertzige ver-
manungen bey den underthanen und zuhörern ohne
frucht abgehen würden, soll er diejenigen, so be-
rürter policeyen2 und mandaten zuwider in offent-
lichen sünden und lastern verfahren, unsern ampt-
leuten, die dann dißfals der kirchen zum besten die
gebürliche straf und handhab fürzunemen in be-
velch haben, anbringen. Da aber sie, die amptleut,
uber gleichmässig beschehene erinnerung in irem
ampt mit der straf hinlässig sein, alsdann solchs, wo
noht, fürters an uns gelangen, doch sich zuvorderst
der sachen aigentlich erkundigen und nichts auß
hörensagen oder schlechtem argwon seinen affecten
nach ohne grund fürbringen, uf das verbittrungen,
unordnungen und weitleufigkeiten, so sonsten dar-
auß (sonderlich bey denen, die noch allerdings nicht
zum besten erbauet sein) leichtlich wol ervolgen
könden, vermiten und auch den amptleuten durch
der kirchendiener ohnbeschaidenlichs antragen
nicht ursach gegeben, die laster soviel weniger zu
strafen, noch es das ansehen gewinne, als wolt man
sich zum weltlichen regiment, welchs keinem kir-
chendiener gebürt, mit gewalt einmischen und also
eins durchs ander verhindert werde19.
20 Furnemblich aber soll er für und für in der heili-
gen, göttlichen schrift alten und neuen testaments
18 Christliche Polizeiordnung von 1562, unsere Nr. 26,
oben S. 264-274, und deren erneute Einschärfung
von 1563, unsere Nr. 30, oben S. 332-333.
19-19 Dem Sinne nach, manchmal auch nach dem Wort-

fleissig studirn und lesen, ime die gemein machen,
seine predigten nicht allein auß den gewönlichen
postillen mit hindansetzung der bibeln, wie dann
nicht zu geringem nachteil und versaumnus bey
vielen kirchendienern der böse mißbrauch einge-
rissen, da sie etwan die gantze wochen müssig an-
dern gescheften nachgehen und abwarten, so sie
dann predigen sollen, allererst die postill ereilen,
dieselbige uberlaufen, was darauß gefasset, dem
volck ohne ainichen eifer, andacht und underschied
fürtragen, dardurch desto weniger die hertzen zu
anhörung und fassung götthchs worts angezündet,
geraitzt und bewegt werden.
Und dieweil auch einem kirchendiener seinem
ampt und vocation nach gebürt, das er nicht allein
der kirchen mit rainer, gesunder, göttlicher lehr,
sonder auch mit gutem exempel vorgehe und diene
und also die lehre mit seinem leben, wie der heilig
apostel Paulus gebeut, das ein bischove oder pfar-
herr ohnsträflich sein, ein züchtig, from haußgesindt
haben und ein züchtigen, unsträflichen wandel
füren sol etc. [l.Tim. 3, 2-4], ziere, so soll er dem-
nach seinen, auch seines weibs, kinder und hauß-
gesinds wandel, wesen und leben durch Gottes gnad
also gottselig, nüchtern und keusch anrichten, das
nicht allein alle gescheft und handtirung, sonder
auch rede, wandel, klaidung, sitten und geberden
den andern ein lehr, tugent und spiegel seien, aller
leichtfertigen uppigkeit mit worten, thaten und
wercken, aller ergerlichen untugenden und lastern,
bevorab der unzucht und füllereien, auch offnen
würtsheusern und gesellschaften, welche nicht zu
ehrn geraichen, desgleichen haderns, zanckens und
balgens müssig gehen, damit die christliche gemeindt
dardurch nit geergert oder verletzt und, was mit der
lehr erbauet, widerumben mit sträflichem leben und
laster abgerissen und zerstöret werde. Umb soviel
mehr soll er aufs fleissigst epistolas Pauli ad Timo-
theum und Titum oft lesen und repetirn, auf das er
darauß lerne und ime selbsten einbilde, wie er sich
baide, in lehr und leben, halten, auch wie sein aigen
haußgesindt sein und von ime geregirt werden solle.
laut aus der Kirchenratsordnung von 1564 :Von der
kirchendisciplin, unsere Nr. 32, oben S. 421-423.
20-20 Fast wörtlich aus Nr. 32, oben S. 414-415.

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