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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (18. Band = Rheinland-Pfalz, 1): Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die Grafschaften Pfalz-Veldenz, Sponheim, Sickingen, Manderscheid, Oberstein, Falkenstein und Hohenfels-Reipoltskirchen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.30658#0043
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Einleitung

5. Kirchenordnung 1557 (Text S. 71)
Diese ist im Wesentlichen ein Werk Sitzingers, der auf die mecklenburgische Kirchenordnung von 155243
zurück greift - was um so überraschender ist, als Wolfgang mit Herzog Christoph von Württemberg
befreundet war und ihre Religionspolitik stark auf gemeinsames Handeln der südwestdeutschen reforma-
torischen Stände bedacht war. Die meisten anderen Territorien in der näheren und weiteren Umgebung
übernahmen in den 1550er und 1560er Jahren die württembergische Kirchenordnung von 1553, oft nur mit
marginalen Veränderungen.44 Ursprünglich hatte Wolfgang ebenfalls vorgehabt, die württembergische Kir-
chenordnung zu übernehmen. 1554 ließ er einige Exemplare an die führenden Pfarrer seiner Landeskirche
verteilen und bat um die Übersendung ihrer Meinungen. Das ausführlichste Gutachten45 lieferten die beiden
Zweibrücker Prediger Michael Hilsbach und Conrad (Cunman) Flinsbach46. Grundsätzlich stimmen sie
darin der württembergischen Kirchenordnung lehrmäßig zu, anerkennen auch den gewichtigen Grund des
Herzogs, in den evangelischen Fürstentümern eine gewisse Einheit in Lehre und Formen der Kirche zu
erreichen. Aber dennoch sprechen einige Argumente gegen die einfache Übernahme der württembergischen
Kirchenordnung: Zum einen sei seit vielen Jahren in Zweibrücken Luthers Kleiner Katechismus in
Gebrauch, was man aus didaktischen und pädagogischen Gründen nicht ohne Not ändern solle. Zum ande-
ren regt sich bei den Zweibrücker Pfarrern Widerstand gegen die in der württembergischen Kirchenordnung
zugelassenen lateinischen Gesänge. Allerdings waren 1554 auch die vier zweibrückischen Landesklöster
noch nicht formell aufgelöst und in die später berühmte Landesschule47 Hornbach überführt worden.48
Weitere Kritikpunkte betreffen die Zulassung des Chorrockes und die Formen der Gebete in der württem-
bergischen Kirchenordnung. Schließlich wird von den Predigern darauf hingewiesen, dass ein gewichtiger
Teil einer Kirchenordnung in der württembergischen Ordnung überhaupt fehle, nämlich eine rechte, vleissige,
ordentliche bestellung und versehung [...] des Kirchenampts, so vil den beruff, die tauglichkeit, den wandel, das
ansehen und die Underhaltung des Kirchendieners belangt.49 Dieses Manko behob Sitzinger mithilfe der meck-
lenburgischen Kirchenordnung und des in ihr enthaltenen Ordinandenexamens von Philipp Melanchthon.
Dabei ergibt sich allerdings das Problem, dass diese Ordnung selbst eine äußerst verwickelte Geschichte
hat.50 Sie geht auf einen Entwurf Johann Aurifabers51 zurück, der ihn Melanchthon zur Begutachtung
übergab. Melanchthon hat an diesem Entwurf erhebliche Veränderungen vorgenommen, unter anderm sein
Ordinandenexamen, das hier zum ersten Mal gedruckt wurde, als ersten Teil der eigentlichen Kirchenord-
nung vorangestellt. Danach teilt sich das Schicksal dieser Ordnung: Einerseits erschienen mehrere offizielle

lichen standt. Worms 1523, vgl. Haupt, Beiträge, S. 19f.;
Haupt, Beiträge, S. XX-XXVI druckt auch die ganze
Flugschrift ab; Ulrich jun. stud. 1544 in Wittenberg,
1548 prom. Mag., heiratet 1548 Melanchthons Nichte
Anna Münsterer, 1551 prom. Dr.iur.utr., 1551 Rat in
Zweibrücken, 1553 Kanzler in Zweibrücken, in Pfalz-
Neuburg 1559-1561; ab 1561 Landrichter in Sulzbach in
der Oberpfalz, gest. 1574.
43 Vgl. Sehling: EKO V, S. 134f.
44 So Pfalz-Neuburg 1554, Kurpfalz 1556, Baden 1556 und
das elsässische Hanau-Lichtenberg noch 1572; vgl. Seh-
ling, EKO XVI, S. 44.
45 Bedencken der Theologici des Fürstenthumbs Zweybruck
über die Würtembergische Kirchenordnung, HWS-A
II/124.
46 Cunmann (= Conrad) Flinsbach, geb. 1527 in Bergza-
bern, stud. in Straßburg und Wittenberg, dort 1548
Mag. prom., 1548 Diakon (Stadtpfarrer) in Zweibrük-
ken, 1570 Superintendent, gest. 1571.

47 Das „Kleinod“ der zweibrückischen Reformation, vgl.
Deetjen, Konfessionswechsel, S. 49.
48 Im Gegenteil: Durch das Interim hatte z.B. gerade die
Abtei Hornbach eine Art letztes Aufbäumen erlebt. Der
reformfreundliche Abt Kintheuser hatte 1548 resignieren
und dem streng katholischen Johann Bonn von Wachen-
heim weichen müssen, vgl. Flesch, Schriftkultur,
S. 160; Mayerhofer, Bock, S. 781.
49 HWS-A II/124. Diese Prüfungs- und Anstellungsvor-
schriften werden in Württemberg in der Großen Kir-
chenordnung 1559 nachgereicht.
50 Vgl. CR 23, Sp. 21-34; Melanchthon, StA 6, S. 168f;
Sehling, EKO V, S. 132-136.
51 Johann Aurifaber, gen. Vratislavensis, geb. 1517 Bres-
lau, 1534 stud. Wittenberg, 1547 Rektor Breslau, 1548
Prof. Wittenberg, 1550 Dr. und Prof. Rostock, 1554 Kir-
chenpräsident Königsberg, gest. 1568 Breslau.

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