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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (18. Band = Rheinland-Pfalz, 1): Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die Grafschaften Pfalz-Veldenz, Sponheim, Sickingen, Manderscheid, Oberstein, Falkenstein und Hohenfels-Reipoltskirchen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.30658#0069
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1. 12 Artikel „Form und Maß'

sIst unser ernstlicher befelh, welcher da meyne,
das er mit gutem gewissen solchs nit halten khunde,
oder aber vermeint, etwas bessers in seiner pfar ant-
zustellen, der soll sein meynung selbst mundlich

Geist getriben. Darumb hasset der Teuffel die Psalmen oder
Geistliche Lieder nicht weniger denn andere Gottes wort und
begeret, eines mit dem andern zu vertilgen, daß seinem
Reich kein abbruch geschehe. Er mags aber wol leyden,
wann es geschicht in frembder Sprach, daß niemand dar-
durch verrnahnet oder gelehret werde. Christus spricht Matt.
12: Ich sage euch, daß die Menschen mussen rechenschafft
geben am Jungsten Gericht von einem jeglichen unnutzen
wort, das sie geredt haben. [Mt 12,36] Darumb schreibt
Paulus Eph. 4: Laßt kein faul Geschwätz auß ewerem
Mund gehen, sonder was nutzlich ist zur Besserung, da es
noth thut. [Eph 4,29] Und Coloss. 3: Nuhn aber legt alles
von euch, den Zorn, Grimm, Boßheit, Lästerung, schand-
bare wort auß ewerem mund, lieget nit under einander etc.
[Kol 3,8] |318| Wie fein laut es nuhn, wo man sagt von den
Christen, daß sie bißher gesungen und gesprochen haben
allerley unzüchtige, schandbare Lieder und sprüch, dar-
durch sich vil geärgert haben und zum bösen gereitzet sind
worden? Jederman aber hat darzu gelacht, niemand under-
standen, das zu wehren, und so man jetzund die Geistliche
Lieder und die H. Psalmen singt, will man es nit gestatten.
Ich achte, wo noch ein erbar Gemüth sey, das Christliche
Zucht und Ehr lieb hat, es werde sich von hertzen frewen
und wolgefallen haben, so man von Gottes wort singt und
sagt. Dargegen wird es von Hertzen traurig sein und miß-
gefallen haben, wo man leichtfärtiges singt und sagt. Aber
wie Christus sagt, Matt. 12: Weß das Hertz voll ist, gehet
der Mund uber, [Mt 12,34] das hören auch die ohren gern.
Will man aber so spöttlich von den Psalmen reden und
hönisch begeren, ein Lied zu singen, müssen wir unser Ge-
säng mit der |319| Kinder Israel Harpffen an die Weiden
bey den wassern Babel hencken, so lang biß Babel vergolten
wird Ihre Lästerung und Missethat, Psalm 137. Gott wolle
uns gnädig sein, daß wir sein wort erkennen und sein Lob
fürdern. Zwar man hat bißher die Psalmen Lateinisch ge-
sungen in der Kirchen und niemand ab ärgerniß geklagt, so
doch wenig sich haben mögen bessern, wie entspringt dann
itzunder so grosse ärgerniß, da sich wol vil konten bessern,
es ist doch nicht so ungewöhnlich, Teutsche Lieder in der
Kirchen singen, weil man bißhero gesungen hat: Christ ist

oder schriefftlich in unsere Cantzley antzeigen, so
wolle man ine mit gnediger antwort daruf hören,
damit allerley Clagen vermitten werden etc.s

erstanden etc., Nuhn bitten wir den Heiligen Geist etc. und
andere mehr. Und zu Wien in Osterreich ist ein Nunnen
Closter, da haben sie allwegen ihr Sibenzeit [d.h. die sieben
Horen des tägl. Stundengebets] Teutsch gesungen. Warumb
gilt es auch nicht itzunder bey uns? Will aber je ein gespött
und ärgerniß darauß werden, können wir dem unglaubigen
hau- |320|fen nicht wehren, sie ärgerten sich ab Christo selbs
und seinem wort, ja auch seine Jünger, Joh. 6. [Joh
6,52.60] Paulus prediget den gecreutzigten Christum, den
Juden zum ärgerniß, den Heyden zur torheit, aber den Be-
ruffenen zur krafft und weißheit Gottes. [1 Kor 1,23f] Soll
man Christum nicht predigen und die Erwehlten des worts
ihrer Seeligkeit beraubt sein, darumb daß die Heyden spot-
ten und die Juden sich ärgern? Ich wolte wol gern, wo es
sein möchte, daß die Perlin nicht für die Säw würden ge-
worffen und das Heyligthumb nicht den Hunden gegeben.
[Mt 7,6] Will man gar weg thun, was böse Menschen miß-
brauchen, unangesehen, daß es etlichen zum guten er-
scheußt, was würde uns bleiben? Die Kleyder mißbraucht
man zur Hoffart, der Bawer seinen Zwilchen Kittel nicht
weniger als ein Fürst in seinem Guldenen stück, womit wol-
len wir uns bedecken? Speiß und Tranck werden miß-
braucht zur füllerey, warumb laßt dann |321| Gott etwas auß
Erden wachsen? Die Zauberer mißbrauchen den theweren
Namen Christi, unsers Herrn. Warumb reuttert man ihn
nicht auß von aller Menschen Gedächtniß?
s-s Schlußabsatz in B durchgestrichen. C, D: Ewere F[ürst-
liche] G[naden] wollen meine kleinen verstands gutbe-
duncken gnädiglich verlesen, und wo Ewere F.G. im
Rath funden, dise oder dergleichen Meinunge den pfar-
rern und predicanten fürzuhalten, achte ich gerathen
sein, inen dabey sagen laßen, welcher do meine, das er
mit gutem gewissen solchs nicht halten könde oder aber
vermeinte, in seiner pfarr etwas bessers anzustellen, der
soll seine meinunge selbs mündtlich oder schriftlich in
E.F.G. cantzley anzeigen, so woll man inn horen mit
gnediger antwort darauff. Also achte ich, werde vilen re-
den und klagen gewehret. E.F.G. Underthanigster Io-
hann Schweblin.

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