Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

1. Visitationsordnung 1558

[2. Amtsführung des Pfarrers]
Am andern hat sich unnser Superintendens bei dem
pfarrhern und diacono zu erkhundigen, wivil mahl
sy an den Sonn- unnd feirtägen, auch sonst in der
wochenn predigenn unnd zu waß zeitt unnd stundt,
auch wie es mit den gesengenn, tauffen, übung des
catechismi, administrirung des herrn nachtmals, be-
suchung der kranckhenn, absolution, leichpredigen,
begrebnußen etc. unnd andern kirchenübungen ge-
halttenn, ob er die dominicalia evangelia, auch was
sonst fur |393| bucher altts unnd neues testaments
außlege. Unnd soll unnser Superintendens den pfarr-
hern ettwan ein argument furgeben, doruff in voller
gemeyn unnd beiwesen der amptleut ein predigt zu
thun, auch sonst seiner administration inn andern
kirchensachen mitt zusehenn und achtung habenn,
wie solche abgehenn, ob sy bei dem pfarrvölckhlein
frucht schaffen oder nit. Und ob er einichen feel oder
mangell vermerckhen wurde, der zu wenden unnd zu
bessern, hat er solchs dem pfarrherr nach volendter
predigt unnd verrichtung der sacramenten mit ernst
und doch glimpflich zu undersagenn mit underwei-
sung, wie es furter zu halttenn, darnebenn auch ver-
mahnen, das er sich eins bessern befleissige unnd zu
nechster visitation mit mehrer geschickhligkheytt
erfunden werde.
[3.] Bucher
Darneben soll er nit underlassen, der pfarrher bu-
cher zu besichtigenn, damit er wissens hab, warauß
sy ihre predigt nemen unnd, wo er dermassen bucher
finden wurde, die entweder untuchtig oder sonst mit
schedlichen opinionen beschmeyst und unserer Aug-
spurgischen Confession zuwider unnd entgegen we-
ren, soll er daran sein, das sy dero mussig stehenn
unnd ihre lectiones unnd studia in biblischer schrifft
unnd approbirten interpretibus zubringenn. Es were
dann sach, das ein pfarrherr oder kirchendihner eins
solchenn iuditii unnd also beschreyt, das er in Evan-
gelischer Lehr just unnd solche bucher mehr zu wi-
derfechten dann zu vertheydigenn brauchte, da man

sich dan mit confeririung der schrifft unnd freunt-
licher adhortation eins andern zu verhaltenn. |394|
[4.] Leben und wandel der pfarrer,
diacon, schulmeistern.
Ferner hat er sich zu erkhundigenn, wie sich die ca-
plän unnd diaconi in ihrem ampt, lebenn unnd we-
sen verhaltenn, ob sy dem pfarrher geburlichen ge-
horsamb leysten unnd wie sy sich gegenn ihren
pfarrkhindern erzeygenn, gleicher gestalt, wo schu-
len an einem ortt, den schulmeister befragenn, wie
unnd welcher gestalt er der schule vorstehe, was er
fur ein ordnung im lesenn haltte, was die knaben fur
ein profect habenn, sonnderlich aber, wie sy im ca-
techismo instituirt. Derwegenn er sy dan selbst zu
examiniren, damit er desto besser wissen muge, wie
die ingenia geschaffenn unnd underwisen werdenn,
das auch der schulmeyster in seinem beisein ein lec-
tion gethan, zu hören unnd zu erfahren, was er fur
einen methodum in docendo fure unnd ob die jungen
bei ihme nutz schaffen mugen. Was dann fur mengel
bei dem schulmeister, auch den knabenn erschienen,
hat er die zu verbessern oder nach gelegenheit der-
selbenn an den generalsuperintendenten gelangen zu
lassenn.
[5.] Ober- und under amptleut
Wo er nuhn die kirchenn- und schuldihner ihres
ampts halben notturfftiglich examinirt, soll er sy
auch anderer sachenn halbenn befragenn:
Nemlich, was sich die obern unnd underampt-
leut, deßgleichenn gericht unnd rath, bei ihren emp-
tern und verwalttung halttenn. Ob sy auch sampt
ihrem gesynde die predigten vleissig hörenn, zum
nachtmal des hern sich schickhenn unnd sonst mit
guten exempln ihres lebens und wandlß andern leu-
ten vorgehenn etc.
Item, ob sy nit freveltheydigung unnd ander ge-
richtlich sachenn uff der kirchenn güter und costen
halttenn, |395| wo unnd an welchenn orttenn.

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