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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (18. Band = Rheinland-Pfalz, 1): Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die Grafschaften Pfalz-Veldenz, Sponheim, Sickingen, Manderscheid, Oberstein, Falkenstein und Hohenfels-Reipoltskirchen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.30658#0638
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Sponheim

1. Die Vordere Grafschaft

Schon 1556 hatte Kurfürst Ottheinrich, zeitgleich mit der Einführung der lutherischen Kirchenordnung in
der Kurpfalz, eine erste Visitation der Vorderen Grafschaft angeordnet. Die Visitatoren führten zwar in
Kreuznach ein Pfarrerexamen durch, konnten aber keine Einführung der Reformation erzwingen, weil der
Kurfürst zu diesem Zeitpunkt nur zwei Fünftel der Rechte inne hatte und die beiden andern Gemeinherren,
Johann II. von Simmern und die Vormundschaftsregierung für Markgraf Philibert von Baden, katholisch
waren.5 Diese Situation sollte sich aber schon bald ändern. 1557 trat der evangelische Herzog Friedrich II.
von Pfalz-Simmern das Erbe seines Vaters Johann an. Der nächste, viel entscheidendere Schritt ereignete
sich aber mit dem Tode Ottheinrichs 1559. Eben jener Friedrich von Pfalz-Simmern, nun Kurfürst Fried-
rich III. „der Fromme“, gewann als Erbe der Kurpfalz zu seinen eigenen zwei Anteilen das pfälzische
Erbfünftel hinzu und kam damit in den Besitz von drei Fünfteln der Rechte der Grafschaft.6 Der Konfes-
sionsstand der Vorderen Grafschaft hing von da an ganz und gar an dem der Kurpfalz. Friedrich III.
begann 1561 schrittweise mit der Einführung des calvinistischen Bekenntnisses. Markgraf Philibert neigte
zwar ebenfalls der evangelischen Seite zu, konnte sich aber in den wenigen Jahren seiner eigenständigen
Regentschaft (1566-1569) nicht zu einer Einführung der Reformation durchringen. Für ihn kam offen-
sichtlich allenfalls eine Tolerierung des lutherischen Bekenntnisses in Frage, aber er blieb in diesen Fragen
stets unterlegen: 1563 nahm der Kreuznacher Superintendent Stolberger an jener Heidelberger Synode teil,
die den neuen Katechismus billigte. 1564 ließ Friedrich das verwaiste Kreuznacher Karmeliterkloster auf-
heben und in eine Schule umwandeln.8

1. Reformationsvertrag Januar 1566 (Text S. 628)
Diese beiden Texte sind das Ergebnis schwieriger Verhandlungen, die im Januar 1566 zwischen den kur-
pfälzischen und den badischen Räten durchgeführt wurden. Anfang Januar erschien der pfälzische Gesandte
Wenzel Zuleger9 in Baden und erreichte eine Zusage, dass in Sponheim nun mit der Aufhebung der Klöster
und der Abschaffung der letzten Reste des katholischen Messwesens endgültig die Reformation durchge-
führt werden könne.10 Markgraf Philibert wollte diesem aber nur unter der Bedingung zustimmen, dass
dabei strikt die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens beachtet würden - dass also die Augsbur-
ger Konfession die Richtschnur dieser Reformation sei. Für ihn scheinen dabei die Rücksicht auf seinen
Schwager und ehemaligen Vormund, Albrecht V. von Bayern, ausschlaggebend gewesen zu sein. Dieser
Text ist nur in einer Abschrift aus dem 18. Jahrhundert erhalten. Als sich die pfälzischen und badischen
Gesandten aber Ende Januar zur Durchführung dieser Beschlüsse in Kreuznach trafen, kam es zu höchst
unterschiedlichen Auslegungen dieser Beschlüsse,11 die in einem ausführlichen Protokoll dokumentiert sind.
Diesem Protokoll liegt außerdem ein umfangreiches Inventar des gesamten Klostergutes bei, das wir nicht

5 Vgl. Goeters, Kreuznach, S.14f.
6 Diese Besitzverhältnisse bestanden so lange, bis
1706/1708 in einem Vertrag die Vordere Grafschaft real
zwischen Baden und Kurpfalz geteilt wurde.
7 Vgl. Bergholz, Baden, in: Sehling, EKO XVI, S. 483.
8 Vgl. Goeters, Kreuznach, S. 18f.
9 Wenzel Zuleger, geb. 1530 Joachimsthal, stud. Jura und
Theologie u.a. in Genf; seit 1560 Präsident des Kirchen-

rates in Heidelberg, während der Relutheranisierung der
Kurpfalz in Neustadt und Frankenthal, dort. gest. 1596.
10 GLA Karlsruhe 75-368 fol.7f.; vgl. Bartmann, Kir-
chenpolitik, S. 78-79.
11 Die kurpfälzischen Gesandten hatten gewiss das streng
calvinistische Mandat Friedrichs vor Augen, das er am
3.10. 1565 an die Amtleute des Kurfürstentums hatte
ausgehen lassen, vgl. Sehling, EKO XIV, S. 429.

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