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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (18. Band = Rheinland-Pfalz, 1): Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die Grafschaften Pfalz-Veldenz, Sponheim, Sickingen, Manderscheid, Oberstein, Falkenstein und Hohenfels-Reipoltskirchen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.30658#0719
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Einleitung

Den Grafen von Manderscheid, einem der zahlreichen kleinen lokalen Adelsgeschlechter, gelang es im Laufe
des 14. und 15. Jahrhunderts durch eine geschickte Heirats- und Erwerbungspolitik zum bedeutendsten
Territorialherren der Eifel aufzusteigen: Im 16. Jahrhundert besaßen die drei Familienzweige1 mit den
Herrschaften Schleiden, Kronenburg, Jünkerath, Gerolstein, Kerpen, Blankenheim, Manderscheid, Kail,
Neuerburg, Falkenstein, Virneburg und Saffenburg, der Hälfte der Herrschaft Daun (gemeinsam mit Kur-
trier) und mehreren Familienangehörigen als Äbte der reichsunmittelbaren Abteien Prüm2 und Malmedy-
Stablo den größten geschlossenen Machtbereich zwischen Trier und Köln.3
Zu dieser Zeit war eine gemeinsame Politik der drei Familienzweige Manderscheid-Blankenheim, Man-
derscheid-Kail und Manderscheid-Schleiden durchaus erkennbar. Diese Politik war vor allem durch eine
deutliche Rücksichtnahme auf die habsburgischen Interessen bestimmt, da seit 1493 die Grafschaft Luxem-
burg in habsburgischem Besitz war. Obwohl die Manderscheider seit dem Mittelalter als reichsunmittelbar
galten und auch einige ihrer Herrschaften reichsunmittelbar waren, verfolgten sie im 16. Jahrhundert zeit-
weise eine Politik, sich als Lehensträger Luxemburgs darzustellen, um so den drückenden Steuerforderun-
gen des Reiches zu entgehen.4
Die Reformation in Manderscheid-Schleiden

Reformatorische Ideen und Bestrebungen lassen sich bei einigen Vertretern des Hauses Manderscheid, vor
allem der Linie Manderscheid-Schleiden, schon seit den 1540er Jahren nachweisen: 1542 ist ein Besuch und
eine Predigt Martin Bucers auf der Burg Schleiden nachweisbar,5 und hier sei auch an die beiden bedeu-
tendsten Gelehrten aus Manderscheid, Johannes Sleidanus6 und Johannes Sturm7, erinnert. Schließlich
stand Graf Dietrich IV. von Manderscheid-Schleiden in so engem Kontakt zu Erzbischof Hermann von
Wied, dass er der luxemburgischen Verwaltung als verkappter Lutheraner erschien.8
Den mehr oder weniger offenen Übertritt wagen aber erst die Söhne Graf Dietrichs V. (1551-1560):
Dietrich VI. (1560-1593) und Joachim (gest. 1582), die die Herrschaften Manderscheid, Neuerburg, Vir-

1 Die drei Zweige Manderscheid-Schleiden, Mander-
scheid-Blankenheim (später nochmals geteilt in Mander-
scheid-Blankenheim und Manderscheid-Gerolstein) und
Manderscheid-Kail entstanden mit dem Tode Graf Diet-
richs III. 1498, vgl. den Stammbaum in: Die Mander-
scheider (Beilage).
2 Die Abtei Prüm wurde 1576, nach dem Tode von Abt
Christoph von Manderscheid-Kail, vom Trierer Erzbi-
schof Jakob von Eltz eingezogen, vgl. Neu, Grafen,
S. 21f.
3 Vgl. Köbler, Lexikon, S. 378; Neu, Grafen, S. 16f.
4 Vgl. Neu, Manderscheid, S. 58f.
5 vgl. Neu, Grafen, S. 16.
6 Johannes Philippson (oder Siberti) gen. Sleidanus, Sohn
des reichen Schleidener Händlers Philipp Sibertz; geb.
1506 Schleiden; Schule in Schleiden, 1520 Gymnasium in
Löwen, 1523 Universität Köln, 1525 Löwen und Paris;
Erzieher der Söhne von Graf Dietrich IV.; 1533 Dienst

als franz. Diplomat, 1545 auf Vorschlag Bucers Chronist
der Reformation; mehrfache Besuche in Schleiden sind
belegt; gest. 31.10. 1556 Straßburg.
7 Johannes Sturm., geb. 1. 10 1507 Schleiden, mit Sleida-
nus in Löwen und Paris und in franz. Diensten, seit 1536
in Straßburg, 1538 erster Rektor des Gymnasiums dort
(seit 1566 Hochschule), einer der bedeutendsten Pä-
dagogen des 16. Jahrhunderts; nach 1555 durch die
zunehmende Konfessionalisierung isoliert, 1570 Rück-
trittsgesuch, 1581 abgesetzt; gest. 3.3. 1589 Straßburg.
Sturm begleitete offenbar Bucer auf seiner Reise nach
Schleiden 1542, vgl. Hinsen, Reformation, S. 53.
8 Vgl. Neu, Geschichte, S. 304-306; bei der Besetzung des
Prümer Abtstuhles durch Christoph von Manderscheid-
Kail 1546 behauptete der Trierer Erzbischof, die Man-
derscheider hingen ketzerischen secten an, Neu, Grafen,
S. 16.

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