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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0050
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Landau

gelangt.36 Bucer, Bullinger und Frecht bezeichnen Bader mehr oder weniger offen als Schwenckfelder,37
auch wenn Bader nicht in allen Fragen mit Schwenckfeld einer Meinung war, wie z.B. Schwenckfelds eigene
Aussagen über die Kindertaufe nahelegen.38
Der zweite Katechismus macht diese Anschauungen offenbar: Der äußerliche Vollzug der (Wasser-)
Taufe wird als entbehrlich dargestellt, für die Teilnahme am Abendmahl wird die absolute wirdigkeit der
Kommunikanten verlangt, die Krankenkommunion wird abgelehnt und die Kirche als Versammlung der
vom Heiligen Geist von der Welt abgesonderten Frommen definiert.39 Der Aufbau des zweiten Katechismus
weicht vom ersten erheblich ab, denn die eigentlichen Kernstücke des Katechismus, z.B. die Vaterunser-,
Credo- und Dekalogerklärungen, die im ersten breiten Raum einnehmen, fehlen 1544 fast vollständig, vom
Credo und Dekalog wird nur der Text ohne Erklärung geboten. Stattdessen sind lange Absätze über die
Trinität und das Abendmahl neu hinzugekommen. Dieser merkwürdige Umstand hat zur Vermutung Anlass
gegeben, Bader habe den zweiten Katechismus nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zum ersten, z.B. für
die älteren Kinder, konzipiert.40
Bader erkrankte 1545 so schwer, dass der Rat der Stadt sich schon in Straßburg um seine Nachfolge
bemühte.41 Nach seinem Tode übernahm aber zunächst der bisherige Diakon Johannes Liebmann42 die
Pfarrstelle,43 der ebenfalls ein dezidierter Anhänger Schwenckfelds war und den Bader offensichtlich aus
genau diesem Grunde als Diakon angenommen hatte.44 Auch von Liebmann wird berichtet, dass er schon in
seiner Ulmer Zeit wegen der Unwürdigkeit der Kommunikanten selten das Nachtmal halte.45
In Straßburg sah man diese Entwicklung mit Sorgen, benötigte aber offensichtlich eine erhebliche Zeit,
den Landauer Rat von dieser Sicht der Dinge zu überzeugen.46 Erst 1553 erhielt Mag. Leonhard Brunner
gen. Fontanus die Stelle. Brunner war zunächst Diakon an Alt-St. Peter in Straßburg und dann von 1527 an
als Prediger Reformator der Reichsstadt Worms gewesen.47 Von dort hatte er 1548 nach Straßburg zurück-
kehren müssen. Er starb 1558 in Landau.48 Brunner führte die Landauer Kirche vom Kurs Baders und
Liebmanns zurück in den Kreis des Straßburger Luthertums. Ob er dazu seinen eigenen, für Worms ver-
fassten Katechismus von 154349 oder denjenigen Luthers benutzte, ist nicht zu entscheiden.

36 Angeblich feierte er seit 1541 aus diesem Grund das
Abendmahl überhaupt nicht mehr, was mit seiner Aus-
sage im Katechismus von 1544 (s. S. 52) übereinstimmen
würde; vgl. Gelbert, Leben und Schriften, S. 248, 260;
Reu, Katechismen, S. 196.
37 Vgl. CSch VIII, S. 849; weitere Belege bei Krebs,
Baden und Pfalz, QFRG 22, S. 432f.
38 Vgl. CSch IX, S. 426f. Ein direkter, literarischer Einfluss
der Schwenckfeldischen Katechismen ist dagegen in
Baders zweitem Katechismus nicht nachweisbar
39 Weshalb sich Bader wohl auch weigerte, die Kinder
„gottloser“ Eltern zu taufen. Auch in Straßburg war
man über Baders theologische Entwicklung besorgt, vgl.
Gelbert, Leben und Schriften, S. 256, 260. 1544 fand
ein Treffen Baders mit Bucer in Bergzabern über diese
Fragen statt, das aber ohne Ergebnis blieb, vgl. Gel-
bert, Leben und Schriften, S. 261; CSch VIII, S. 849.
40 Vgl. Gelbert, Leben und Schriften, S. 257.
41 Am 9. September 1545 reiste Bucer nach Landau und
fand dort den sterbenskranken Bader vor, vgl. CSch IX,
S. 426; der Briefwechsel dazu im AST Straßburg 94
Nr. 46; vgl. Gelbert, Leben und Schriften, S. 270f.
42 Johannes Liebmann, aus Schwaben, predigte 1537-42 in

Ersingen, Grimmelfingen und Pfuhl (bei Ulm, argwöh-
nisch betrachtet von den Ulmer Predigern); 1542 Dia-
kon, 1545 bis 1553 Senior in Landau; vgl. Biundo, Pfar-
rerbuch 1968, Nr. 3139; CSch VIII, S. 602.
43 Vgl. Gelbert, Leben und Schriften, S. 273.
44 Vgl. CSch VIII, S. 602; Krebs, Baden und Pfalz, QFRG
22, S. 433.
45 CSch VIII, S. 601.
46 Vgl. CSch VIII, S. 602. Nicht zuletzt war es seit 1548
wegen des Interims natürlich schwierig für die Straßbur-
ger geworden, in auswärtigen Angelegenheiten im Sinne
der Reformation tätig zu werden.
47 Vgl. die Einleitung zum Teil Worms, S. 121.
48 Leonhard Brunner, gen. Fontanus, geb. vor 1500 in Ess-
lingen, 1510 imm. Heidelberg, Schüler Wimpfelings in
Straßburg, 1526 Diakon an Alt-St. Peter, 1527 Prediger
in Worms, 1532 Heirat mit Margareta Heuser, Bürgers-
tochter aus Worms, 1548 Diakon an St. Nikolaus in
Straßburg, 1553 „Senior“ (erster Pfarrer) in Landau,
gest. 1558 in Landau. Vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 665.
Biundo, Pfarrerbuch 1968, Nr. 645.
49 Vgl. im Teil Worms, Text Nr. 3.

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