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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0137
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Einleitung

1. Frühe reformatorische Strömungen

Die Geschichte der Reichsstadt Worms weist ähnlich wie die von Landau und Speyer einige Besonderheiten
gegenüber den großen süddeutschen Reichsstädten auf, was die Einführung der Reformation betrifft.
Erschwerend für die Reformationsgeschichtsschreibung und auch die allgemeine Urkundenlage ist darüber
hinaus die fast vollständige Zerstörung der Stadt durch die französischen Reunionstruppen Ludwigs XIV.
1689. Die Beschlussbücher des Stadtrates und die übrige archivalische Überlieferung setzen einigermaßen
geschlossen erst 1699 ein, als der Rat aus dem Frankfurter Exil zurückkehrte. Mandate und Beschlüsse
haben sich nur fragmentarisch und in der Stadtchronik von Friedrich Zorn aus dem Jahre 1570 erhalten.1
Ihren wirtschaftlichen Höhepunkt hatte die Stadt zu Beginn des 16. Jahrhunderts schon überschritten.
Die jahrhundertelangen Auseinandersetzungen zwischen Bürgerschaft und Bischof2 hatten im Landshuter
Krieg ihren Höhepunkt gefunden; zwar wurde 1509 ein Kompromiss gefunden, aber 1513 brachen, ähnlich
wie in Speyer, innerhalb der Stadt soziale Unruhen aus, die 1515 ihre Fortsetzung in einer Fehde mit Franz
von Sickingen fanden.3 All dies beeinträchtigte die Macht der städtischen Organe. Mit der sog. Pfalzgra-
fenrachtung4 von 1519 musste die Stadt empfindliche Einschränkungen ihrer politischen Unabhängigkeit
gegenüber dem Bischof hinnehmen: Die vom Rat seit langem bekämpften Privilegien des Klerus, die vor
allem die Wirtschaftskraft der Stadt schwer belasteten, wurden darin bestätigt.5 Vielleicht gerade wegen
dieser latenten Spannung fasste die evangelische Lehre in Worms, wie in anderen Reichsstädten, relativ
schnell und umfassend Fuß.
Dass ein beträchtlicher Teil des Rates und der Bevölkerung schon sehr früh zur Reformation überge-
gangen waren, belegen Ereignisse, die dem Wormser Reichstag 1521 folgten.6 Die schon erwähnte Zornsche
Chronik benennt Luthers berühmten Auftritt auf diesem Reichstag wenn nicht als Auslöser, so doch als
Katalysator für das offene Bekenntnis eines Teils der Bevölkerung zur reformatorischen Sache.7
Vor allem das Andreasstift war die Keimzelle der Reformation in Worms.8 Die Zornsche Chronik nennt
den Stiftskantor Nikolaus Maurus und den Kanoniker Friedrich Baur, aber auch andere Stiftsgeistliche,
wie Ulrich Sitzinger,9 Heinrich Stoll, Ulrich Preu und Johann Freiherr, sind namentlich als reformatorische

1 Friedrich Zorn war von 1565 bis 1610 Rektor des Worm-
ser Gymnasiums. Diese Chronik ist im Autograph und in
mehreren Abschriften (die dann auch spätere Ergänzun-
gen enthalten) aus dem 17. und 18. Jahrhundert im
StadtA Worms (Bestand 1 B) erhalten. Für unsere
Zwecke bedeutsam ist insbesondere die Abschrift von
Andreas Wilck (lutherischer Pfarrer in Worms von 1585
bis zu seinem Tode 1616) von 1613 (StadtA Worms 1
B-7).
2 Vgl. Wolgast, Hochstift, S. 138f.
3 Zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem
andauernden Streit der Stadt mit dem Klerus vgl. die
Einleitung zum Teil Speyer, oben S. 75. Die Wormser
Fehde Sickingens brachte der Stadt einen Schaden bei,
der sich auf fast 90.000 fl. belief, vgl. Scholzen, Sickin-
gen, S. 101.

4 Rachtung = Schlichtungsvertrag, vgl. Grimm, DWb 14,
Sp. 31.
5 Vgl. Keilmann, Bistum, S. 158f., Todt, Kleruskritik,
S. 151.
6 Vgl. Brunner, Wormser Messe, S. 110.
7 Vgl. Kammer, Anfänge, S. 6f; dort auch ausführliches
Zitat aus der Chronik.
8 Vgl. Keilmann, Bistum, S. 162, Todt, Kleruskritik,
S. 267.
9 Sitzinger ist die Schlüsselfigur im Wormser Priesterehe-
streit von 1523. Er scheint der erste der evangelischen
Prediger in Worms gewesen zu sein, der in den Ehestand
trat. Als er daraufhin seine Pfründe zu verlieren drohte,
kam es zu erheblicher Unruhe in der Bevölkerung. Die
Vorgänge sind dokumentiert in der Flugschrift Eine
getrewe vermanung eins liebhabers der Evangelischen war-

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