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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0123
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5. Kirchenordnung 1569

Derhalben gantz onchristlich sein wurde, wa die be-
grebnus der christen nit solt ehrlich gehalten wer-
den. Abraham hatt mitt großen ehren begraben sein
haußfrow Saram in Hebron, welchs hernach auch
der lieben patriarchen begrebnus gewesen ist.υ Des-
gleichen ward mit großen ehren unnd sonderlicher
solennitet und humanitet zu der begrebnus auß der
statt getragen der witt[we] son zu Naim;φ wie La-
zarus, der bruder Mariae und Marthae, begraben
worden sey, fündet man bey Johanne, dem evange-
listen.χ Und es war fürwar ain große straf unnd ain
gwiß anzaigen gottes zorns im alten test[ament], wa
man der begrebnuß beraupt und der leichnam on
alle ehr proieciert wurd, als zu sehen am propheten
auf dem weg an der Jezabel und andern mehr.ψ
Derhalben die begräbnus der abgestorbnen im heren
billich mitt hohen ehren zugeen und beschehn soll,
und auch ain sondere bequeme stund verordnet wer-
den, das die, vor mittnacht verschiden, des volgen-
den tags umb 9 ur vor mittag, und welche nach
mittnacht, umb 4 ur nach mittag sollen zur erden
bestatet werden. Darbey auch soll ain leichpredig
durch den erforderten predicanten gehalten werden,
das aber nit den todten, sonder den lebendigen, die
gleichfals solchem underworffen, zu ainer ermanung
und erinnerung geschicht, das, wie es heut irem bru-
der unnd schwester ergangen, das haben sy auch zu
aller und jeder zeit und stund zu gewartten. Dan der
weise man sagt, es sey besser zu geen in das clag-
hauß dan in das trinckhauß, den in jänem ist das
end aller menschen und der lebendig nimpts zu hert-
zen etc.ω Darmit jederman durch solche erinnerung
zur bösserung des lebens geraitzt werd, sollen die
laichpredigen beschehen.
Es will aber den predicanten beschwärlich sein und
es ist bey andern kirchen nitt gepreuchlich, das sy
eben in dem hauß, darin die leich ist, sollen person-
lich erscheinen und mit den schulern hinauß zur
begräbnus geen in ansehen, das etwan die behau-
ßung weit entlegen und inen etwan alters, etwan
schwachaitt halben nit wol möglich. Were derhalben
υ Gen 35 [27-29]; 36 ; 37.
φ Luc 7 [11-17].
χ Joh 11 [1-45],

an e. e. w. ir, der predicanten, bitt zu vergünstigen,
wie an andern ortten breuchlich, das der predicant
an dem ortt, da die leichpredig zu haltten, rechter
zeit erschine und, so das volck vorhanden, sein ampt
verrichte.
Dieweil aber zu solcher leich und andern predigen
von e.e.w. die größer glock bey sanct Jörgen verord-
net und geleuttet württ, und aber offt beschehen
und noch beschicht, das eben umb selbig zeit die
pfaffen solch glocken zu iren bruderschafften und
anderen abgöttereyen und liederlichen sachen leut-
ten laßen, dardurch gotselige leutt anders nit mai-
nen, dan man werd gottes wortt verkündigen, aber
betrogen [werden], dem gotsacker oder kirchen zu-
lauffen, gottes wort suchen und nitt fünden, were
auß diser und andern vil ursachen gutt und ratsam,
das man die von e. e. w. verordnete predigglock an-
ders nitt dan allain zu den ordenlichen predigen
prauchte, darab sy, die pfaffen, seytmals sy der gro-
ßen und klainen glocken in sanct Jörgen kirchen ain
iberfluß haben und zu irer abgotterey geprauchen,
kainer billichait zu beclagen hätten. Und das sy
kurtzlich von den begräbnußen und leichpredigen
gehandeltt. |8r|
Von den schulen.
Es geben die altten historien der kirchen gutten und
satten bericht, uß was ursachen und warzu die stiff-
ten und klöstern gestifftet und reichlich begabt wor-
den seind. Namlich nitt zu müssigang, unordenli-
chem leben, hurerey, ehbruch, abgötterey, frässen,
sauffen, spilen und in allen dingen nach des hertzen
mutwillen willen zu leben, sonder wol und recht in
selbigen stifften und klöstern studieren, die zeit in h.
schrifft wol anlegen und in werck gottlichs befelchs
täglich wachßen und zunemen, auch letstlich ander
leuten zu wolfartt mit lehren, predigen, underwei-
ßung der jugent, auch in burgerlichen sachen und
satzungen, darzu dan die menschen von gott er-
schaffen sein, dienstlich für steen sollen.
ψ 3. Reg 13 [1Kön 13,1-34]; 4. Reg 9 [2Kön 9,30-37].
ω Eccs 7 [Pred 7,2],

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