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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0130
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Speyer

8. Mandat zum Gottesdienst
30. März 1605a

Unsere herren, ein ersamer rhat dieser statt, hatt
ihren burgern und gehörigen zu verkündigen bevo-
len:α
Nachdem zu vielen unterschiedlichen malen bei an-
hörung deß göttlichen worts in der kirchen zu den
predigern alhie christliche, ansehenliche vermanun-
gen an aller stands haußvätter und -mütter besche-
hen, ihre kinder zu mehrer zucht und beßerm ver-
halten, alß bißher an denselben vermerckt werden,
mit allem muglichen fleiß anzuweisen, in sonderheit
aber daß muthwillige, ärgerliche wesen, ab- und zu-
lauffen, geschrey und gepolder so wol des außgelas-
senen, freihen gesinds alß der kinder und jugent in
den sonn- und feyertags mittagspredigten, deglei-
chen bei einsegnung newer eheleut und christlicher
tauf der jungen kinder durch gütliche untersagung
oder, im fall solche nicht helffen noch stadtfinden
wolt, durch andere unvorgreifliche ernste mittel ge-
purlich abzustellen, alß ist man in guter zuversicht-
licher hoffnung gestanden, es würden |2v| so offt wie-
derholte wolgemeinte erinnerungen gemeiner bur-
gerschafft zu gemuth gereichen und solche volg und
besserung bei ihnen haben fruchten lassen, welche
christlichen zuhörern gemäß und unverweißlich
auch ein jeder fur sich selbsten unerinnert zu leisten
und zu erzeigen schuldig ist.
Man hatt aber einem weg alß am andern nicht son-
der große beschwerung und mißfallen befunden, daß
disfals auß göttlichen wort gespurte lehren, die kin-
derlehr belangend, fast bei menniglich sehr sched-
lich verfangen und der wachsenden jugend muth-
will, frecheit, trutzige, leichtfertige sitten und uber-
mesige boßheit je lenger je mehr herfurbrechen und

α Ist sambstags, den 30. martii a[nn]o [1]605 vom rhat ap-
probirt und montags, den andern osterlichen feyertag, in
allen 3 kirchen, zu den predigern, S. Georgen und augu-
stinern, von den cantzeln abzulesen bevolen worden und
geschehen.

uberhand nemen, die eltern auch, wie sie dann sollen
und können, ihnen mit gepurlichem einsehen und
zuchtigung im wenigsten begegnen und abbrechen,
sondern solcher sträfflichen untugend und unerbar-
keit noch verhengen und ihnen luffen lassen und, so
sie von ehrlichen bericht werden, mit allerhand
schein dieselbe verglimpfen, dazue anders nichts zu
besorgen, dann daß durch so verächtliche |3r| und
geringschatzige haltung göttlichen bevelchs und
darauß geschopfter christlicher vermanung dem all-
mechtigen zu erschröcklichen wercken seines gerech-
ten zorns und beschwerlicher straff anlaß gegeben
und die ungezogene in aller bosheit und fernhen
muthwillen erstarckte jugendt, wo man derselben
nicht zeitig durch ernstliche mittel entgegen trach-
tet, der kirchen und politischem regimendt inskünff-
tig verderbliche enderung und zerruttung geberen
werde und derhalben solchem sorglichem wachsen-
dem unheil und der eltern unverantwortlicher ver-
saumung ihrer kinder also lenger nicht zu ubersehen
sein wil.
So erinnert und ermanet ein e. rhat auß tragendem
obrigkeitlichen ampt alle und jede ihre burger und
angehörige vätterlich, befehlen und gebieten solches
mit ernst, daß sie ihre kinder und jugend von un-
zimblichen, leichtfertigen, frechen geberden ab- und
hingegen zu unsern guten, löblichen sitten anhalten,
gepürliche reverentz und ehrerpietung gegen furne-
me, |3v| ehrliche manß- und weibspersonen mit fleiß
ihnen wol einbilden und bevorab sampt dem muth-
willigen gesind ernstlich untersagen, das sie in den
ordenlichen mittagspredigten zuchtig und sittsam
dem furtrag göttlichen worts gehör geben und an-
dern frommen zuhörern ungeverlich und nicht

a Textvorlage (Handschrift): StadtA Speyer 1-A-451-2 f.
2-6.

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