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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0142
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Worms

Stadt mit dem Priesterehestreit vor dem Reichskammergericht zusammenhängt:48 Ebenfalls 1527 hatte das
Andreasstift vor dem Stadtrat geklagt, dass die verheirateten Prediger, allen voran wohl Sitzinger und
Maurus, entgegen dem Abschied des Nürnberger Reichstages von 1523 weiter im Besitz ihrer Pfründen
seien. Da der Rat die Sache offenbar niederschlagen wollte, klagte das Stift 1528 mit kaiserlicher Unter-
stützung vor dem Reichskammergericht, auch auf Rückgabe der Pfarrhäuser und der von den Predigern
eingezogenen Gefälle. Der Ausgang des Prozesses ist unbekannt, die Akten enthalten keinen Beschluss.49
Diese beiden Vorgänge - die Errichtung der Schule und der Prädikatur sowie die Berufung Brunners auf
die nun offiziell eingerichtete Prädikatur der Bürgerschaft50 - können gemeinsam durchaus als der offizielle
Übergang der Stadt zur Reformation gewertet werden. Bis auf die Tatsache, dass Brunner bei den Reichs-
tagen regelmäßig die Stadt verlassen musste, weil der Stadtrat eine Provokation des Kaisers vermeiden
wollte,51 verlief die Zeit der Wirksamkeit Brunners offenbar in vergleichsweise ruhigen Bahnen.
Brunner, der schon 1524 mit einer deutschen Bibelkonkordanz auf sich aufmerksam gemacht hatte,52
verfasste und übersetzte in seiner Wormser Zeit mehrere kleinere Schriften.53 Für die Beschreibung des
konfessionellen Standes der Stadt ist allerdings sein erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder entdeckter
Katechismus von Bedeutung. Der Katechismus ist bisher nur in einem stark verstümmelten Exemplar
vorhanden. Immerhin scheint es sich um eine offizielles Dokument der Wormser Kirche zu handeln, das
deren Standort nahe der Straßburger Richtung Bucers beschreibt, was auch nicht weiter verwunderlich ist,
wenn man Brunners Freundschaft mit Bucer in Erwägung zieht.
3. Katechismus 1543 (Text S. 134)
Der Katechismus fußt auf dem zweiten Katechismus Bucers von 1537:
Der kürtzer Catechismus und erklärung der XII stücken Christlichs glaubens. Des Vatter unsers und Der
Zehen gepotten. Für die Schüler und andere kinder zu Strasburg. Durch die Prediger daselbet gestellet.
M.D.XXXVII.54
Er besteht aus den drei Hauptteilen Glaubensbekentnis, Gebet (Vater Unser) und Dekalog. Die anderen
Katechismusstücke Taufe, Abendmahl und Buße fehlen aber nicht, sondern werden innerhalb des Glau-
bensbekenntnisses abgehandelt, wobei interessanterweise Taufe und Abendmahl unter dem Oberbegriff
geistliche Wiedergeburt im dritten Artikel vorkommen. Insofern ergibt sich ein enger Lebensbezug, weil er
einem heils- und lebensgeschichtlichen Doppelaufriss folgt: Schöpfung, Erlösung, Sakramente, Buße, Gebet
und Leben nach Gottes Gebot.
In den Frage- und Antworttext des Katechismus sind von Brunner theologische Erklärungen für die
Hand des Pfarrers eingearbeitet worden, erkenntlich an der nicht durchgehaltenen Frage-Antwort-Struk-
tur. Diese Erläuterungen waren vielleicht auch als Vorlagen und Material für die üblichen Katechismus-
predigten gedacht. Außerdem ist zu beobachten, dass der Anteil der von Bucer übernommenen Abschnitte
zum Ende des Werkes hin deutlich abnimmt.
Da sich der Rat 1548 dem Interim unterwarf und die evangelischen Prediger und Lehrer, Brunner
voran, die Stadt verlassen mussten,55 war der Katechismus wohl nur wenige Jahre in Gebrauch. Brunner

48 Vgl. oben Fußnote 9.
49 Abdruck der Klageschrift und der Repliken bei Bek-
ker, Beiträge, S. 47-54.
50 Vgl. Becker, Beiträge, S. 54.
51 Genau wie der Speyerer Prediger Diller, vgl. oben S. 79.

52 Die er 1529, nach dem Erscheinen der Wormser Bibel
(VD 16: B 2681), erneut bearbeitete, VD 16: B 8636.
53 Vgl. Weckerling, Brunner, S. XLVIf.
54 Bucer, DS 6,3, S. 177-223.
55 Zorn-Wilck’sche Chronik p. 612-614. Vgl. Keilmann,
Reformation, S. 172.

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