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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0496
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Wied

5. Kirchenzuchtordnung

5a. Kirchenordnunga
18. Januar 1600

Zu wissen: Nachdem der wolgeborne Graff unnd
Herr, herr Wilhelm, Grave zu Wiedt, herr zu
a Textvorlage (Handschrift) FWA 64-3-1 (unpaginiert,
Paginierung vom Bearbeiter). Im selben Aktenbüschel
auch der Entwurf vom 18. Dezember 1599.
Die im Entwurf fehlenden Passagen sind auch in der
endgültigen Fassung nachträglich hinzugefügt worden.
Der andere Unterschied zwischen Entwurf und endgül-
tiger Fassung besteht darin, dass die marginalen Inhalts-
angaben der einzelnen Abschnitte im Entwurf lateinisch
abgefasst sind. Die Veränderungen der endgültigen Fas-
sung gegenüber dem Entwurf beruhen auf einem Gutach-
ten der Kirchendiener vom 14. Januar 1600 (im selben
Aktenbüschel):
Deß ampts Dierdorff samptlicher kirchendienere resolution
und bedencken, was der publicierenden der orts kirchenord-
nung ante publicationem noch vor ferrnere puncten hinzu-
zusetzen. | Verzeichnuß deßen, was in des wolgeb., uns. gn.
herren, Graven zu Wied etc., newlich außgangener Ordnung
und Edictalbefelch I. Gn. sämptliche des arnbts Dierdorff
kirchendienere zu endern und hinzuzusetzen gewust und
solches zu geschehen für notwendig erachtet. 1. Ut mutanda
mutentur, also daß für die herrschafft Runckel das ampt
Dierdorff, für die heimberger (deren keinen alhie seind) die
kirspelsgeschworen gesetzt werden, und was sonsten deren
ding mehr sind, welche man in uns. gn. herrn cantzeley ohn
unsere erinnerung wol zu endern wissen wird. 2. Daß alß-
bald nach dem zusammenleuten jeder sich in der kirchen
finden lasse und nicht niemand heraußen auff dem kirch-
hoff stehen pleiben und unnütze geschwetz treiben etc. Deß-
gleichen daß die zuhörer nach der predigt, wenn sie der
oberkeit gebot vom schultheißen angehört, sich alßbald nach
hause verfügen und des zanckens, schuldforderns und an-
derer liederlicher ursachen halben nit lenger auff dem kir-
choff stehen bleiben. Item, daß kremer, becker und andere
dergleichen nit vor oder unter, sonder nach der predigt feil
haben. 3. Daß die leichtfertige und heimliche gelöbnußen,
dardurch zu zeiten viel personen listig hindergangen und zu
fall gebracht werden, auch die | kinder ihre eltern zur bewil-
ligung dringen wollen, mit grossem ernst gestrafft und hie-
mit gentzlich abgeschafft und verbotten werden. 4. Daß nit
allein auff den jharmarckten, sonder auch bey den hochzei-
ten das getentz etc. abgeschafft werde und abgeschafft bleibe.
5. Daß das leichtfertige und nit allein schädliche, sonder
auch ärgerliche lauffen und rennen umb die hüner verbotten
werde. 6. Daß das thöricht, unnötige, unzüchtige und ganz
ungereimpte fordern und heischen der braut fur des vatters
hauß, darzu sich etliche lose leut alzu viel gern mit ihrn

Runckell unnd Isenburgk etc., alß dieses I[hrer]
G[naden] bampt Dierdorffsb ordenlicher landtherr
seltzamen rheimen und närrischen schandbossen gebrau-
chen lassen, gantz und gar abgestelt werde. 7. Daß das
leichtfertige und schandbare gesänge der braudmägde, wenn
sie die braut zur kirchen geleiten, wie auch das ungestüm-
me, cyclopische juchsen und schreyen der jungen gesellen,
wenn sie mit dem breutigam zur kirchen reiten etc., verbot-
ten werde. 8. Daß auff die bettäg kein hochzeit gehalten wer-
de, deßgleichen auch in denen wochen, wenn die bettäg
seind, durchauß ohn rechtliche ursachen keine hochzeiten
zugelassen werden. (N.B. hochzeit halten ein stückh des
hey. ehestandts ist, auch wol uff sontäge mögen christlicher
gebür celebriret werden. Würdt sollicher punct vor unnötig
gehalten). 9. Daß denen angehenden eheleuten, wenn nit
allein sie beide, sonder auch eins darvon zuvor in unzucht
gelebt habe, keine offentliche schenck- | hochtzeit gestattet
werde. Daß es auch also gehalten werde mit denen, die beide
zuvor im ehestand gewesen und sich anderwerts bestatten.
Item daß auch denen hochzeiterinnen, die in unzucht gelebt
und den krantz verschertzt haben, nit zugelassen werde, an-
dere ehrliche töchter und mägde zu dienerinnen und braud-
mägden (wie man sie nennet) zu gebrauchen. Und da dar-
wider geschehe, daß sie beiderseits, so wol die braudmägde
als auch die braut selbst, gestrafft werden. Item, daß auch
denen hochzeiterinnen, welche, ob sie wol keine uneheliche
kinder getzeugt, dannoch in beweißlicher hurerey gelebt ha-
ben, den krantz zu tragen verbotten werde. 10. Daß uber und
neben den geltstraffen die unzucht auch mit dem thurn ge-
strafft und darin keine dispensation gebraucht werde, damit
man weder den politicis noch ecclesiasticis verweißlich vor-
werffen könne, daß sie partheyisch seyen oder die sünden
für gelt und gaben verkauffen. 11. Daß das braten heischen
(deßen sich die junge gesellen des andern tags nach der
hochzeit mit grossen argernus zu gebrauchen pflegen) auff-
gehaben und verbotten werde. 12. Daß des breutigams und
der braut nechstgesessene nachbar auch mit ihnen, wenn sie
ehelich zusammen gegeben werden, zur kirch erscheinen. |
13. Daß die angehende Eheleute, wenn sie verkündigt wer-
den, selbst in der kirchen erscheinen und, neben andern,
Gott umb segen ihres ehestandts helffen anruffen. Dan ihrer
etliche alßdan auß schendlichem aberglauben nit in die kir-
che kommen wollen. 14. Daß nit allein das braden heischen,
sonder auch sonsten alle andere faßnachtsspiel, geselschaff-
ten, gelächer [= Gelage], oder wie es sonst einen nahmen
haben mag, abgeschafft und in summa die heidnische faß-
nacht, sovil immer möglich, auß den hertzen und gedecht-
nus der menschen möge bracht werden. 15. Daß die ge-

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