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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0162

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Die Reussischen Herrschaften.

Aus der ersten Zeit des neuen Consistoriums zu Gera ist eine Urkunde erhalten, welche
für die Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments und die Geschichte der Consistorien
von grossem Interesse ist. Der Adel bestritt dem neuen Consistorium das Recht, seine Hinter-
sassen direct vor das Consistorium zu citiren, das Consistorium sei nur auf den Weg der Rechts-
hilfe angewiesen. In für die ganze Zeit charakteristischer Weise wandte sich das Con-
sistorium nicht an seinen Herrn, sondern erbat ein Rechtsgutachten von dem Consistorium zu
Wittenberg.
Das Gutachten des letzteren ist im besiegelten Original im Fürstl. Regierungs-Archiv
zu Gera (P. I/b, Nr. 1) erhalten. Die äussere Adresse des mit dem Präsentatum 4. November
1600 versehenen Schreibens heisst: „Den ehrwürdigen ehrnvesten und hochgelerten verordenten
des reusischen plauischen consistorii zu Gerau unsern gueten freunden.“ Das Schreiben lautet:
„Unsere freundliche dinste zuvor. Ehrwürdige ehrnveste und hochgelerte, guete freunde. Auf
euere an uns gethane frage daruber ihr unser bedenken und recktsbelehrung gebeten, unter-
richten wir verordente des churfürstlichen sechsischen consistorii zu Wittenberg vor recht. Hat
der wohlgeborene und edele herr, herr Heinrich Reusse, herr von Plauen euch die cognition und
erörterung der ehe und anderer geistlichen sachen in ihr. gn. herschaft befohlen und aufgetragen,
derowegen ihr derer vom adel bauern, und unterthanen in solchen sachen immediate vor das
consistorium citirt und vorgeladen. Ob nun wol ermelte die vom adel vermeinen, das dieses
von euch in subsidium iuris zu bescheen, in erwegung, das von wolermeltem e. g. herrn sie
zum theil mit dem erb-, zum theil auch mit öber und erbgerichten zugleich beliehen, dennoch
und woferne es an deme, dass wolgedachtem e. g. herren die geistliche jurisdictio derer örter,
da sie und ihre unterthanen sesshaftig, wie auch die hohe öberbotmessigkeit, herligkeit und
superioritet zustendig, und dohero in ehe und anderen christlichen sachen, vor i. gn. oder der-
selben consistorio im rechten still zu stehen schuldig. So seid ihr die vom adel und ihre unter-
thanen im namen des consistorii vorzuladen, die vorladung durch den pfarherrn jedes orts, oder
durch die zu dem consistorio verordente und geschworne boten ankündigen zu lassen, und dann
solche ehe und andere sachen, so von den öbern und niedergerichten abgesondert, und in die
iurisdictionem ecclesiasticam gehören und euch zu verrichten befohlen uf vorgehende verhör zu
entscheiden wolbefugt. Von rechts wegen. Urkuntlichen mit unseren des consistorii insiegel
versiegelt.“
Es ist hier nicht unsere Aufgabe, die Geschichte dieses Consistoriums darzustellen, wie
insbesondere die unerquicklichen Streitigkeiten zwischen den Geistlichen und den „Politici“.
[Vgl. darüber Fürstl. Archiv Gera, P. I/b, Nr. 2, 45 ff.] Eine förmliche Organisation und eine
Consistorial-Ordnung fehlte. Am 29. April 1619 gab Heinrich der Jüngere und Älteste eine
„Verordnung welcher massen es bei itziger vacanz in consistorial- und ministerialsachen gehalten
werden soll“. (Unterschriebenes Original im Fürstl. Archiv zu Gera, P. I/b, Nr. 1.) Hiernach
wird der Kanzler zum „praeses oder director“ bestellt.
In diesen Rahmen gehören auch die Berathungen über eine Consistorial-Ordnung. Die
Vorarbeiten fallen schon sehr früh. Schon 1608 wird angeregt, die vor etlichen Jahren ver-
fasste Consistorial-Ordnung wieder vor die Hand zu nehmen, 1610 erinnert der Fürst die Ver-
ordnten des Consistoriums daran [Fürstl. Archiv, P. I/b, Nr. 2, Bl. 72]. Vom Jahre 1616 finden
wir im Fürstl. Regierungs-Archiv zu Gera, P. I/b, Nr. 1, einen Entwurf: „Ohngefehrliche be-
griff einer reuss-plauischen gemeinen consistorial-ordnung“. Heinrich hoffte eine gemeinsame
Consistorial-Ordnung für das ganze reussische Geschlecht zusammenzubringen, fand jedoch bei
den Verwandten kein Entgegenkommen (vgl. z. B. das ablehnende Schreiben von Reuss-Greiz von
1624 in denselben Akten). Und so musste sich Heinrich mit seinem eigenen Lande begnügen.
Man lese das Ausschreiben vom 28. Juni 1625, in welchem er das Scheitern seiner
Pläne tief beklagt, aber anordnet, dass nunmehr energisch an die Abfassung der eigenen Ord-
 
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