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Die Grafschaft Henneberg.
deutlich gekennzeichnet. Als praecipuum membrum hat der Fürst mitzuwirken, nicht als Haupt
der Kirche. Fürst Georg Ernst zieht auch daraus die Consequenzen: er will sich für seine
eigene Person dem Kirchenrath unterordnen; die betreffenden Stellen der Ordnung sind aber in
der zweiten Redaktion bedeutend abgeschwächt. Die Abgrenzung der Competenzen des Con-
sistoriums zu den weltlichen Behörden ist beachtenswerth. Nach kanonischem Vorbilde werden
rein weltliche, rein geistliche und gemischte Angelegenheiten unterschieden [eine unklare Ein-
theilung, die bekanntlich bis auf unsere Tage weiter besteht]. Bei letzteren hat im Zweifel
das Consistorium die Vorhand, — ein Grundsatz, der naturgemäss zu unerquicklichen Aus-
einandersetzungen führen musste.
Die Thätigkeit des Consistoriums wird sehr gut in richterliche und verwaltende ein-
getheilt. Recht interessant ist die Durchführung des Visitationsgedankens: jährliche Lokalvisi-
tationen der Dekane und Synodus des Kirchenraths — ähnlich wie in Kursachsen, mit denselben
Vorzügen, aber auch denselben Mängeln, wie wir sie in Bd. I S. 72 ff., 112 ff. entwickelt haben.
Auch die Regelung des kirchlichen Strafwesens mit seiner starken Anlehnung an das
kanonische Recht bietet des Bemerkenswerthen so viel, dass der Abdruck gerechtfertigt er-
scheint , wenn wir auch über das officielle Schicksal des vor uns liegenden Ordnungsconceptes
nicht genauer unterrichtet sind.
Durch dieses Consistorium war die Verfassung des hennebergischen Landes in die üb-
lichen Bahnen lutherischer Kirchenverfassung eingelenkt und der äussere Organismus der Kirche
im Allgemeinen festgelegt.
Aus der Zeit vor der Einführung des Kirchenraths sind auch noch verschiedene Verfügungen
zu erwähnen, die vom Fürsten persönlich ausgingen. So z. B. die Verfügung von Mittwoch nach
Exaudi, d. i. 6. Juni 1565 an den Pfarrer zu Frauenbreitungen, die Fahnen, Kerzen und Bilder, welche
noch aus katholischer Zeit stammten, abzuschaffen. (Henneberg. Gem.-Archiv IV, B. 2, Nr. 1.)
Vergessen sei auch nicht, dass der Fürst persönlich die Censur theologischer Schriften seiner
Pfarrer handhabte. Man vergleiche die Correspondenz mit dem Superintendenten Christoph
Fischer zu Schleusingen von 1562. (Henneberg. Gem.-Archiv IV, B. 2, Nr. 1.)
Das ausserordentliche Interesse des Fürsten für die Entwicklung des Protestantismus
griff weit über seine Landesgrenzen hinaus. Über seine starke Betheiligung an der Festlegung
eines gemeinsamen Bekenntnisses vgl. unten. Ich möchte hier nur noch die Correspondenz er-
wähnen, die er im Jahre 1563 mit Hans Ungnad in Urach und Primus Truber zu Laibach führte,
betr. „die Übersetzung der heiligen Schrift in die kroatische und wendische Sprache, und die
Bekehrung der Kroaten und angrenzenden Türken“. (Henneberg. Gem.-Archiv IV, B. 2, Nr. 3.)
V. Auf Reinheit und Einheit der Lehre war Georg am meisten bedacht. Verschiedene
Ausschreiben an Fürsten (die Juncker in Abschrift mittheilt) sollten Zeugniss für die reine
Lehre des Fürsten erbringen. Dafür wurden denn auch die hennebergischen Theologen wieder-
holt um Gutachten in Lehrfragen und theologischen Streitigkeiten ersucht (vgl. Juncker,
a. a. O.). Wie weit der Nachweis Juncker’s, dass Georg Ernst der erste Urheber der Con-
cordienformel gewesen sei, gelungen ist, bleibe hier ununtersucht, jedenfalls standen er und
seine Theologen den Verhandlungen sehr nahe. Juncker theilt a. a. O. (Dresdener Hand-
schrift S. 169 ff.) die Namen aller hennebergischen Geistlichen, welche die Concordienformel
unterschrieben haben, nach dem von ihm benutzten Original-Exemplaremit.
VI. Nachdem so durch die Unterschrift aller Geistlichen die Einheit der Lehre im Lande
sichergestellt war, blieb dem kirchlichen Gemüthe des Landesherrn nur noch ein Wunsch übrig:
auch Gleichheit in die Ceremonien zu bringen. Schon seit vielen Jahren trug sich Georg mit
der Idee, eine einheitliche Agende für seine Landeskirche zu publiziren.
Die Entstehungsgeschichte der Agende ist aussergewöhnlich interessant, besonders durch
die gutachtliche Betheiligung so vieler theologischer Grössen und durch die Art und Weise,
Die Grafschaft Henneberg.
deutlich gekennzeichnet. Als praecipuum membrum hat der Fürst mitzuwirken, nicht als Haupt
der Kirche. Fürst Georg Ernst zieht auch daraus die Consequenzen: er will sich für seine
eigene Person dem Kirchenrath unterordnen; die betreffenden Stellen der Ordnung sind aber in
der zweiten Redaktion bedeutend abgeschwächt. Die Abgrenzung der Competenzen des Con-
sistoriums zu den weltlichen Behörden ist beachtenswerth. Nach kanonischem Vorbilde werden
rein weltliche, rein geistliche und gemischte Angelegenheiten unterschieden [eine unklare Ein-
theilung, die bekanntlich bis auf unsere Tage weiter besteht]. Bei letzteren hat im Zweifel
das Consistorium die Vorhand, — ein Grundsatz, der naturgemäss zu unerquicklichen Aus-
einandersetzungen führen musste.
Die Thätigkeit des Consistoriums wird sehr gut in richterliche und verwaltende ein-
getheilt. Recht interessant ist die Durchführung des Visitationsgedankens: jährliche Lokalvisi-
tationen der Dekane und Synodus des Kirchenraths — ähnlich wie in Kursachsen, mit denselben
Vorzügen, aber auch denselben Mängeln, wie wir sie in Bd. I S. 72 ff., 112 ff. entwickelt haben.
Auch die Regelung des kirchlichen Strafwesens mit seiner starken Anlehnung an das
kanonische Recht bietet des Bemerkenswerthen so viel, dass der Abdruck gerechtfertigt er-
scheint , wenn wir auch über das officielle Schicksal des vor uns liegenden Ordnungsconceptes
nicht genauer unterrichtet sind.
Durch dieses Consistorium war die Verfassung des hennebergischen Landes in die üb-
lichen Bahnen lutherischer Kirchenverfassung eingelenkt und der äussere Organismus der Kirche
im Allgemeinen festgelegt.
Aus der Zeit vor der Einführung des Kirchenraths sind auch noch verschiedene Verfügungen
zu erwähnen, die vom Fürsten persönlich ausgingen. So z. B. die Verfügung von Mittwoch nach
Exaudi, d. i. 6. Juni 1565 an den Pfarrer zu Frauenbreitungen, die Fahnen, Kerzen und Bilder, welche
noch aus katholischer Zeit stammten, abzuschaffen. (Henneberg. Gem.-Archiv IV, B. 2, Nr. 1.)
Vergessen sei auch nicht, dass der Fürst persönlich die Censur theologischer Schriften seiner
Pfarrer handhabte. Man vergleiche die Correspondenz mit dem Superintendenten Christoph
Fischer zu Schleusingen von 1562. (Henneberg. Gem.-Archiv IV, B. 2, Nr. 1.)
Das ausserordentliche Interesse des Fürsten für die Entwicklung des Protestantismus
griff weit über seine Landesgrenzen hinaus. Über seine starke Betheiligung an der Festlegung
eines gemeinsamen Bekenntnisses vgl. unten. Ich möchte hier nur noch die Correspondenz er-
wähnen, die er im Jahre 1563 mit Hans Ungnad in Urach und Primus Truber zu Laibach führte,
betr. „die Übersetzung der heiligen Schrift in die kroatische und wendische Sprache, und die
Bekehrung der Kroaten und angrenzenden Türken“. (Henneberg. Gem.-Archiv IV, B. 2, Nr. 3.)
V. Auf Reinheit und Einheit der Lehre war Georg am meisten bedacht. Verschiedene
Ausschreiben an Fürsten (die Juncker in Abschrift mittheilt) sollten Zeugniss für die reine
Lehre des Fürsten erbringen. Dafür wurden denn auch die hennebergischen Theologen wieder-
holt um Gutachten in Lehrfragen und theologischen Streitigkeiten ersucht (vgl. Juncker,
a. a. O.). Wie weit der Nachweis Juncker’s, dass Georg Ernst der erste Urheber der Con-
cordienformel gewesen sei, gelungen ist, bleibe hier ununtersucht, jedenfalls standen er und
seine Theologen den Verhandlungen sehr nahe. Juncker theilt a. a. O. (Dresdener Hand-
schrift S. 169 ff.) die Namen aller hennebergischen Geistlichen, welche die Concordienformel
unterschrieben haben, nach dem von ihm benutzten Original-Exemplaremit.
VI. Nachdem so durch die Unterschrift aller Geistlichen die Einheit der Lehre im Lande
sichergestellt war, blieb dem kirchlichen Gemüthe des Landesherrn nur noch ein Wunsch übrig:
auch Gleichheit in die Ceremonien zu bringen. Schon seit vielen Jahren trug sich Georg mit
der Idee, eine einheitliche Agende für seine Landeskirche zu publiziren.
Die Entstehungsgeschichte der Agende ist aussergewöhnlich interessant, besonders durch
die gutachtliche Betheiligung so vieler theologischer Grössen und durch die Art und Weise,