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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0409

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Nordhausen.

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Archive: Städtisches Archiv zu Nordhausen.
Im Gegensatz zu Mühlhausen, dessen Verfassung einen ausgesprochen aristokratischen
Charakter aufweist, und welches in der Lage war, nach und nach ein verhältnissmässig grosses
Gebiet von 19 Dörfern und wichtige Hoheitsrechte vom Kaiser zu erwerben, war die Reichsstadt
Nordhausen seit 1375 durchaus demokratisch organisirt und blieb arm an Gebiet und Rechten.
Aber an geistiger Regsamkeit fehlte es dem gesunden Mittelstände, der in Nordhausen heran-
gewachsen war, nicht. Und so ist es erklärlich, dass, wie Luther rühmend hervorhebt, Nord-
hausen als eine der ersten Städte dem Evangelium gewonnen wurde. Nordhausen war die
Geburtsstadt von Justus Jonas. Auch Luther und Melanchthon wirkten öfter dortselbst.
Schon im Jahre 1522 wurde mit Billigung des Rathes Lorenz Süsse als erster evan-
gelischer Prediger an St. Petri gewählt (zu Süsse vgl. Leopold, a. a. O. S. 205). Als der
eigentliche Reformator Nordhausens ist aber Johannes Spangenberg anzusehen, welcher 1524
als Pfarrer an St. Blasii berufen wurde. Während das Capitel des Stifts S. Crucis dem Ein-
dringen der Reformation heftigen Widerstand entgegensetzte, hingen Rath und Bürgerschaft
um so fester der neuen Lehre an, insbesondere nachdem die Stürme der Münzer’schen Be-
wegung, welche sich auch in Nordhausen, wenn auch nicht gerade in besonders starkem Maasse,
geltend gemacht hatten, überwunden waren. Johannes Spangenberg traf die nöthigen Ordnungen.
Ihm verdankt Nordhausen die Gründung des Gymnasiums.
1546 ging Spangenberg als Generalsuperintendent nach Eisleben. —
Kirchliche Ordnungen der Stadt sind mir nicht bekannt geworden. Nur eine Polizei-
Ordnung vom Jahre 1549 ist zu erwähnen, welche auch einige kirchliche Bestimmungen enthält.
Interessant ist die Bestimmung über das Fasten und das Verbot des Fleichessens, welches offen-
bar mit dem Interim zusammenhängt und in ähnlicher Weise vom Rathe entschuldigt wird wie
in dem Bd. I dieser Sammlung S. 102 erwähnten Fastenmandate des Kurfürsten Moritz von
Sachsen.
Förstemann druckte diese Ordnung nach einer gleichzeitigen Abschrift im Stadt-
archive zu Nordhausen in: Neue Mittheilungen aus dem Bereiche historisch - antiquarischer
Forschung, Bd. 5, Heft 4, S. 94 ff. ab. Wir geben die kirchlichen Bestimmungen wieder. (Nr. 81.)
In den Jahren 1530, 1546, 1559 ergingen Mandate wider die Juden, und 1557 eine Ord-
nung wegen der Hochzeiten und Taufen. Letztere ist nur luxuspolizeilichen Inhalts.
In der Abschaffung der alten Kirchengebräuche war man übrigens in Nordhausen be-
dächtig vorgegangen. So wurden im Jahre 1556 zwei Geistliche suspendirt, weil sie ohne Vor-
wissen des Rathes die Elevation abgeschafft hatten. Sie wurden nur wieder eingesetzt, weil die
gesammte Geistlichkeit der Stadt unter Berufung auf ein Gutachten Melanchthon’s für sie ein-
trat. Der Rath erliess aus diesem Anlasse am 8. September 1556 eine Verordnung, „dass künftig-
hin von den Pfarrherrn oder ihren Kirchendienern von den Ceremonien ohne des Raths "V orwissen
nichts geändert werden solle“. — Man sieht, auch in Nordhausen ging die eigentliche Regierung
in kirchlichen Dingen in die Hand der Obrigkeit über.
Nicht ganz klar ist die Zuständigkeit zur Ernennung der Geistlichen geregelt. Die
ersten Pfarrer von 1522 berief der Rath; im Jahre 1547 beriefen die Kirchenvorsteher und die
Ältesten, der Rath bewilligte das Einkommen; 1589 schlug das Ministerium der Gemeinde einige
Candidaten vor. Dagegen stand die Verwaltung und Beaufsichtigung des Kirchengutes un-
bestritten dem Rathe zu. Vgl. hierzu Leopold, a. a. O. S. 52 ff. —
Wenn somit der Magistrat die Kirchenregierung im streng juristischen Sinne des Worts
führte, so war doch der Einfluss der zum Ministerium vereinten Geistlichen nicht gering. Dieses
Collegium berieth die Vorlagen an den Magistrat, wurde geschlossen bei ihm vorstellig und
ertheilte Gutachten. Auch gab es als Gesammtheit Erklärungen ab, wie die „Declaratio
ministerii Nordhus. de formula concordiae d. d. 9. Jan. 1581“ (s. Unschuld. Nachr., 1729, S. 192),
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