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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0423

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82. Visitations-Instruktion. 1562.

409

gewalt wegen des juris patronatus soll kein pfarrer
in die kirche mit unwillen eingedrungen werden.
Die pfarrleute sollen dem berufenen pfarrer
fuhre ausrichten, ihn mit den seinen und
seinen gerethe zu holen. Kein collator soll die
lehen thuen dem, der zum kirchen-amt untüchtig,
oder sonst das amt nicht könne verwalten, dass
es heisse beneficium propter officium, und da schon
jemand ein pfarlehn in besitz hätte, und die
pfarre nicht verwaltet, dass er davon ohne einig
reservat abstehen1) muss. Die collation2)
soll umsonst und ohne alle anforderung geschehen,
und obschon eingerissen wäre der missbrauch, dass
die collatores ihnen etwas von einkommen der
pfarre fürbehalten, so soll solches abgeschaffet
werden, und die pfarren von den unrechten be-
schwerungen ganz und gar befriedet3) werden.
Einen custos aufn dorfe soll der pfarrer und
die gemeine annehmen und urlauben; wo hiermit
uneinigkeit einfiele, soll es alsdann vor den super-
intendenten gebracht werden. In städten soll
der rath einen pfarrer vociren, doch also, dass er
von der kirchen erstlich offentlich gehöret werde,
und etliche als die kirchväter oder sonst ver-
ordnete aus der gemeinde sollen ihre stimme dazu
gegeben haben. Ein superintendens soll von
dem consistorio, so viel die superattendenz betrifft,
geordnet werden. Die diaconi in städten
sollen vom pfarrer und rathe vociret werden, des-
gleichen wo mehr4) denn ein pfarrer in einer stadt
wäre, und dass der vocation halber nicht zwiespalt
in städten angerichtet werde, in dem allen werden
die herren visitatores nach der orte gelegenheit
ordnung zu machen, fleiss thun.
Es wollen auch die visitatores, so balde die
visitatio im schwang gebracht, darauf bedacht sein,
in einer oder zwei vornehmen städten, als
Magdeburg, Halle, Halberstadt die or-
dination oder priesterweihe anzurichten,
weil es ubel stehet und unbequem, dass die ordi-
nanden in andern fremden fürstenthum sollen ge-
wigen5) werden.
4. Von der disciplina. Zu verhüten
unchristlich und ergerlich leben, dem heil, evan-
gelio zugegen, will vonnöthen sein, erstlich dass
die superintendenten auf die pfarrer in jedem
creise gute achtung haben, dass sie selbst nicht
sträflich leben, und da etwan ein pfarrer sein
würde, der ein säufer, spieler, unzüchtiger, haderer,
wucherer, jäger oder vogelsteller wäre, den soll
der superintendens mit ernste vermahnen, und ihn
die schenke und ärgerlich leben verbieten, wo er

1) M.: abtreten.
2) M.: die collation oder beleihung.
3) M.: befreiet.
4) M.: wo nicht mehr.
5) M.: geweihet.
Sehling, Kirchenordnungen. Bd. II.

nach beschehener vermahnung sich nicht bessern
würde, soll der superintendens und amtmann ihn
entsetzen, und dem ärgerlichen wesen in keine
wege zu sehen noch nötigen1)
Die pfarrer sollen das volk in den pre-
digten und beicht vermahnen, dass sie als christen
leben2) und niemand ärgernis geben, sollen auch
öffentliche sünde und ärgernüs in genere und in
specie strafen öffentlich, und da sie sähen unter
ihren pfarrleuten lästerer, trunkenbolzen, unzüch-
tige, oder die in hass und feindschaft und ver-
achtung der predigten und hochwürdigen sacra-
menten dahin gehen, sollen sie sie fürnehmen,
und zur busse vermahnen, da sie sich nicht zur
besserung schicken, soll er sie zur communion
item zur taufe zu stehen nicht zu lassen, und da
jemand darüber in seinen sünden beharren und
darinnen sterben würde, soll sie der pfarrer nicht
mit christlichen gesängen begraben, und ob man
ihme den gottes acker nicht weigern wolte , soll
doch der pfarrer noch die schüler nicht mitgehen,
nicht läuten noch singen, dergleichen soll gehalten
werden mit denen, so in todsünden ohne besse-
rung3) sterben, die so in völlerei, im4) balgen,
über den spielen ermordet werden, und dis soll
ohne ansehen der person oder freundschaft in
dörfern oder städten gleich gehalten werden, doch
wisse der pfarrer hierinnen seuberlich zu fahren
und zu verdammen nicht zu schnelle sein.
In bann öffentlich zu erklären soll kein
pfarrer für sich macht haben, sondern die cognitio
und erkäntnüss, welche durchs consistorium ge-
schehen muss, soll vorher gehen. In ehe-
sachen soll kein pfarrer zu sprechen haben,
sondern die sachen den verordneten oder con-
sistorio zu weisen. Ein pfarrer soll niemand
fremdes, die gelaufen kommen, copuliren oder
zusammengeben.
Das aufbieten werde gehalten nach der
agenda.
Das auch allenthalben in stedten und dörfern
verhütet oder verboten5) werde, dass an son-
tagen, festen, unter den göttlichen ämtern kein
schenken, zechen, spielen, hantieren, schiessen
u. d. gl. gelitten werden, hievon soll dem amt-
mann und rathe allenthalben befehl geschehen.
Dass auch niemand die feiertage zu felde oder
holze fahre, sondern der kirche warnehme, soll
bei einer busse verboten werden. Unter der pre-
digt sollen die pfarrleute nicht auf dem kirchhofe
oder andern plätzen spazieren, da dis an einen

1) M.: nachgeben.
2) M.: „dass sie als christen leben“ fehlt.
3) M.: busse.
4) M.: über dem.
5) M.: statt: verhütet oder verboten: „verschafft“.
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