Das Fürstenthum Anhalt.
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dem pfarher und küster bei verlust ihres dienstes. Der pfarrherr hat nicht macht seinen küster
zu vertreiben oder einen andern anzunehmen ohne des superintendenten vorwissen. Der super-
intendent soll zur kirchordnung [wohl richtiger: kirchrechnung] gefordert werden und sol kein
gelt verliehen werden on sein bewusst. Der schenke sol kein gemeine weiber herbergen. Die
in offentlicher feindschaft stehen oder in anderen offentlichen lastern leben sollen von
beiden sacramenten abgeweist. werden. Gotteslesterung ist verboten bei strafe des halseisens.
Welcher zwischen hier und ostern von seinem gotlosen wesen nicht will abstehen und sich
bessern und beten lernen, der soll das lant reumen.“ Vgl. auch Heine, Geschichte von Wörh-
zig, und Frenz, in: Beiträge zur Anhaltischen Geschichte, Cöthen 1902, Heft 5, S. 64 ff., wo-
selbst auch die speciell für Wörbzig erlassene Ordnung aus dem Cöthen’schen Superintendentur-
Archive mitgetheilt wird.
Um die kirchlichen Maassnahmen, welche in diesen zeitlichen Rahmen fallen, abzu-
schliessen, sei noch ein Vertrag erwähnt, der Sonnabend vor Estomihi 1551 (7. Februar) unter
Leitung des Superintendenten zwischen ihm und den anderen Pfarrern an St. Nikolaus
(Johannes Reusner, Heinrich Dressler, Johannes Trebelius) abgeschlossen wurde. Ein weiterer
solcher „Vertrag“ wurde von denselben Persönlichkeiten im Januar 1558 abgeschlossen.
Es sind dies Abmachungen der betheiligten Geistlichen über Behandlung bestimmter
kirchlicher Angelegenheiten, eine Kirchen-Ordnung in Vertragsform. Die Billigung des Landes-
herrn und des Rathes wurde von den Betheiligten natürlich vorausgesetzt. Wie wenig scharf
im formal-juristischen Sinne die Competenzen gegen einander abgegrenzt waren, kann man am
besten aus der von Fabricius 1545 aufgezeichneten Vereinigung des Ministeriums ersehen (vgl.
S. 508, Z. 10). Hier wird bei einem Abschnitte die Bewilligung des Rathes zu der Vereinigung
der Pfarrer ausdrücklich hervorgehoben, bei einem anderen Punkte dagegen nicht, und bei einem
dritten Punkte sogar bemerkt, dass der „Rath sammt den Pfarrern“ auch formell die Ordnung
publicirt hätte. Wir drucken diese Abmachungen unter Zerbst an vierter Stelle ab.
3. Mit der Ernennung von Superintendenten war der erste Stein für die Neu-
organisation des Kirchenwesens gelegt. Aber damit konnte man auf die Dauer doch nicht aus-
kommen. Zwar so lange Georg von Anhalt selbst lebte, war ja in ihm die centrale Behörde
ein evangelischer Bischof, der zugleich als Landesherr über die erforderlichen Zwangsmittel
verfügte, gegeben. Nach seinem Tode aber musste sich das Ungenügende der bisherigen
Verfassung mit besonderer Schärfe zeigen. Vor Allem fehlte es auch in Anhalt an einem
Ehegericht.
Was das materielle Eherecht anlangt, so hatte Luther zwar das corpus juris canonici
verbrannt, aber ein neues Recht nicht geschaffen. Georg von Anhalt war der Mann auch für
diese Aufgabe. Er publicirte eine ausführliche Ehe-Ordnung: „Einfeltiger unterricht von ver-
botenen personen und graden, und wes sie sich in ehesachen halten sollen, vornehmlich vor die
superattendenten und pfarherrn im stift Merseburg, darnach auch anderen pfarrherrn zu christ-
lichem dienst und nutz gestalt. Anno 1548.“ (Vgl. oben S. 28 ff.) Diese Eheordnung führte
Georg auch in Anhalt ein, indem er sie dem Superintendenten Fabricius zur Darnachachtung
übergab. Fabricius nahm sie deshalb in sein Kirchenbuch auf. Ein zweites Exemplar findet
sich im Zerbster Superintendentur-Archiv Nr, 14. Sie blieb auch dauernd in Anhalt in Geltung.
In die grosse Codification des Jahres 1599 wurde sie als ein Bestandtheil aufgenommen, unter
dem Titel „Einfeltiger unterricht von verbotenen personen und geraden u. s. w. Genommen aus
vorordnung weiland herrn Georgen fürsten zu Anhalt hochlöblicher christlicher gedechtnus“.
Die Änderungen, welche 1599 vorgenommen wurden, haben wir oben S. 28 ff. in Anmerkungen
abgedruckt.
Ausserdem benutzte man die sonstigen Ehe-Ordnungen Georg’s, wie z. B. die Celler, und
die bekannten Eheschriften der Reformationszeit. Im Kirchenbuche des Fabricius finden wir noch
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dem pfarher und küster bei verlust ihres dienstes. Der pfarrherr hat nicht macht seinen küster
zu vertreiben oder einen andern anzunehmen ohne des superintendenten vorwissen. Der super-
intendent soll zur kirchordnung [wohl richtiger: kirchrechnung] gefordert werden und sol kein
gelt verliehen werden on sein bewusst. Der schenke sol kein gemeine weiber herbergen. Die
in offentlicher feindschaft stehen oder in anderen offentlichen lastern leben sollen von
beiden sacramenten abgeweist. werden. Gotteslesterung ist verboten bei strafe des halseisens.
Welcher zwischen hier und ostern von seinem gotlosen wesen nicht will abstehen und sich
bessern und beten lernen, der soll das lant reumen.“ Vgl. auch Heine, Geschichte von Wörh-
zig, und Frenz, in: Beiträge zur Anhaltischen Geschichte, Cöthen 1902, Heft 5, S. 64 ff., wo-
selbst auch die speciell für Wörbzig erlassene Ordnung aus dem Cöthen’schen Superintendentur-
Archive mitgetheilt wird.
Um die kirchlichen Maassnahmen, welche in diesen zeitlichen Rahmen fallen, abzu-
schliessen, sei noch ein Vertrag erwähnt, der Sonnabend vor Estomihi 1551 (7. Februar) unter
Leitung des Superintendenten zwischen ihm und den anderen Pfarrern an St. Nikolaus
(Johannes Reusner, Heinrich Dressler, Johannes Trebelius) abgeschlossen wurde. Ein weiterer
solcher „Vertrag“ wurde von denselben Persönlichkeiten im Januar 1558 abgeschlossen.
Es sind dies Abmachungen der betheiligten Geistlichen über Behandlung bestimmter
kirchlicher Angelegenheiten, eine Kirchen-Ordnung in Vertragsform. Die Billigung des Landes-
herrn und des Rathes wurde von den Betheiligten natürlich vorausgesetzt. Wie wenig scharf
im formal-juristischen Sinne die Competenzen gegen einander abgegrenzt waren, kann man am
besten aus der von Fabricius 1545 aufgezeichneten Vereinigung des Ministeriums ersehen (vgl.
S. 508, Z. 10). Hier wird bei einem Abschnitte die Bewilligung des Rathes zu der Vereinigung
der Pfarrer ausdrücklich hervorgehoben, bei einem anderen Punkte dagegen nicht, und bei einem
dritten Punkte sogar bemerkt, dass der „Rath sammt den Pfarrern“ auch formell die Ordnung
publicirt hätte. Wir drucken diese Abmachungen unter Zerbst an vierter Stelle ab.
3. Mit der Ernennung von Superintendenten war der erste Stein für die Neu-
organisation des Kirchenwesens gelegt. Aber damit konnte man auf die Dauer doch nicht aus-
kommen. Zwar so lange Georg von Anhalt selbst lebte, war ja in ihm die centrale Behörde
ein evangelischer Bischof, der zugleich als Landesherr über die erforderlichen Zwangsmittel
verfügte, gegeben. Nach seinem Tode aber musste sich das Ungenügende der bisherigen
Verfassung mit besonderer Schärfe zeigen. Vor Allem fehlte es auch in Anhalt an einem
Ehegericht.
Was das materielle Eherecht anlangt, so hatte Luther zwar das corpus juris canonici
verbrannt, aber ein neues Recht nicht geschaffen. Georg von Anhalt war der Mann auch für
diese Aufgabe. Er publicirte eine ausführliche Ehe-Ordnung: „Einfeltiger unterricht von ver-
botenen personen und graden, und wes sie sich in ehesachen halten sollen, vornehmlich vor die
superattendenten und pfarherrn im stift Merseburg, darnach auch anderen pfarrherrn zu christ-
lichem dienst und nutz gestalt. Anno 1548.“ (Vgl. oben S. 28 ff.) Diese Eheordnung führte
Georg auch in Anhalt ein, indem er sie dem Superintendenten Fabricius zur Darnachachtung
übergab. Fabricius nahm sie deshalb in sein Kirchenbuch auf. Ein zweites Exemplar findet
sich im Zerbster Superintendentur-Archiv Nr, 14. Sie blieb auch dauernd in Anhalt in Geltung.
In die grosse Codification des Jahres 1599 wurde sie als ein Bestandtheil aufgenommen, unter
dem Titel „Einfeltiger unterricht von verbotenen personen und geraden u. s. w. Genommen aus
vorordnung weiland herrn Georgen fürsten zu Anhalt hochlöblicher christlicher gedechtnus“.
Die Änderungen, welche 1599 vorgenommen wurden, haben wir oben S. 28 ff. in Anmerkungen
abgedruckt.
Ausserdem benutzte man die sonstigen Ehe-Ordnungen Georg’s, wie z. B. die Celler, und
die bekannten Eheschriften der Reformationszeit. Im Kirchenbuche des Fabricius finden wir noch