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Das Fürstenthum Anhalt.
damit sie für zukünftige Fälle beobachtet werden könne. In Merseburg sei die Praxis die ge-
wesen, dass ein Missethäter, der sich mit der Obrigkeit vertragen gehabt hätte, von dieser der
Geistlichkeit ad publicam poenitentiam zugewiesen worden sei. Diese Praxis sei auch wohl für
Anhalt die bequemste. Doch halte er es zur Zeit für das Beste, dass auch solche Sünder, wenn
sie sich mit der Obrigkeit vertragen hätten und das Sacrament begehrten, nach Beichte und
Zusage der Besserung privatim absolvirt und dann zum Sacrament zugelassen würden. „Denn
die absolutio, sie geschehe privatim oder publice, nicht eine strafe, sondern ein trost ist den
gewissen, aber die absonderung von den sacramenten ist die strafe.“ Wenn die Aufrichtung
der öffentlichen Busse zur Zeit noch unthunlich sei, so sehe der Fürst doch keinen Grund ein,
weshalb die Geistlichen deshalb ihr Amt verlassen wollten. Letzteres würde weit mehr Ärger-
niss erregen. Angehängt ist diesem Schreiben eine Wiedergabe der öffentlichen Bussform nach
der Merseburger Form und der Interimsagende.
Was Georg hier den Geistlichen concedirte, erfüllte deren Ansuchen nur in geringem
Maasse. Bei geheimen Lastern sollte unter allen Umständen nur Privatbeichte und Privatabsolu-
tion stattfinden, damit die Laster nicht „ruchtig“ würden. Hier ist wohl der Gedanke des
Beichtgeheimnisses das durchschlagende Motiv gewesen.
Aber auch bei öffentlichen Lastern ist Georg zur Zeit für den privaten Modus, obwohl
er hier an sich gerne die Interimsagende in’s Leben gesetzt hätte. Warum wohl? Offenbar
weil er die Ausübung der öffentlichen Busse durch die Geistlichkeit fürchtete; die Hand-
habung der kirchlichen Strafgewalt, insonderheit des Bannes, hatte anderwärts schon recht
ärgerliche Formen angenommen; Übergriffe in das weltliche Gebiet waren nicht ausgeblieben,
die Praxis war unter den Geistlichen keine gleichmässige gewesen. Alles das mochte Georg
bestimmen. Als einzige Kirchenstrafe ward die Verweigerung der Sacramente zugelassen;
Beichte, Besserungszusage und Absolution geschehen privatim.
Welch’ eine milde, wahrhaft evangelische und weit über die Zeit hinausragende Ge-
staltung der Strafgewalt! Aber welch’ ein Abstand gegenüber dem canonischen Strafrecht!
Man kann es verstehen, dass dieses Schreiben Georg’s auf Fabricius und seine Collegen geradezu
niederschmetternd wirken musste. Wir können daher das Schreiben des Fabricius vom 18. October
1552 (Original in St.A. Zerbst a. a. O.) begreifen, in welchem er mittheilt, dass zu seiner grossen
Verwunderung der Fürst den gelinden processus Luther’s nicht zulassen wolle, ja sogar die Er-
mahnung beifüge, „das man mit der öffentlichen kirchenbuss niemand sol anruchig machen und
in die weltliche hand bringen“. Wiewohl er den Brief des Fürsten mehrfach durchgelesen habe,
so habe er „doch etlicher ursachen halben, swerlich bis anher kunnen gleuben, das alle diese
schriften von euer fürstlichen gnaden herkome“. Der weitere Inhalt des Schreibens ist fast
unehrerbietig gegen den Fürsten und lässt die Erregtheit des Fabricius und seiner Collegen
deutlich erkennen. Es heisst darin u. A.: Nachdem jetzt die Ehebrecher vernehmen, „das
e. f. g. auch die gelinde öffentliche kirchenbusse Martini Lutheri nicht hie zu lassen und sie
nur auf ir roh gewissen on offentliche busse zum sakrament und taufe gehen mugen, sind sie
viel erger worden,.da der erbar rath das laster des ehebruchs heimlich in beutel strafe
und die kirche mit ihrer christlicher und gelinder straf auch stille halten muss und die fürsten
im lande durch die finger sehen“, würden die Folgen nicht ausbleiben; die Kirchendiener wüschen
ihre Hände in Unschuld; der Fürst möge seine Handlung vor Gott selbst verantworten.
Hierauf muss Georg eine beruhigende, auf die Zukunft vertröstende Antwort gegeben
haben, denn unter dem 16. November 1552 (Original in Zerbst, St.A., a. a. O.) bedankt sich
Fabricius zugleich im Namen seiner Collegen für die tröstliche Zusage des Fürsten bezüglich
der Aufrichtung der öffentlichen Busse. Der Fürst solle nun auch die erforderliche Anordnung
erlassen, „es were dan die Martini Lutheri oder die auf der agenda“ [d. i. der Interimsagende].
Das Fürstenthum Anhalt.
damit sie für zukünftige Fälle beobachtet werden könne. In Merseburg sei die Praxis die ge-
wesen, dass ein Missethäter, der sich mit der Obrigkeit vertragen gehabt hätte, von dieser der
Geistlichkeit ad publicam poenitentiam zugewiesen worden sei. Diese Praxis sei auch wohl für
Anhalt die bequemste. Doch halte er es zur Zeit für das Beste, dass auch solche Sünder, wenn
sie sich mit der Obrigkeit vertragen hätten und das Sacrament begehrten, nach Beichte und
Zusage der Besserung privatim absolvirt und dann zum Sacrament zugelassen würden. „Denn
die absolutio, sie geschehe privatim oder publice, nicht eine strafe, sondern ein trost ist den
gewissen, aber die absonderung von den sacramenten ist die strafe.“ Wenn die Aufrichtung
der öffentlichen Busse zur Zeit noch unthunlich sei, so sehe der Fürst doch keinen Grund ein,
weshalb die Geistlichen deshalb ihr Amt verlassen wollten. Letzteres würde weit mehr Ärger-
niss erregen. Angehängt ist diesem Schreiben eine Wiedergabe der öffentlichen Bussform nach
der Merseburger Form und der Interimsagende.
Was Georg hier den Geistlichen concedirte, erfüllte deren Ansuchen nur in geringem
Maasse. Bei geheimen Lastern sollte unter allen Umständen nur Privatbeichte und Privatabsolu-
tion stattfinden, damit die Laster nicht „ruchtig“ würden. Hier ist wohl der Gedanke des
Beichtgeheimnisses das durchschlagende Motiv gewesen.
Aber auch bei öffentlichen Lastern ist Georg zur Zeit für den privaten Modus, obwohl
er hier an sich gerne die Interimsagende in’s Leben gesetzt hätte. Warum wohl? Offenbar
weil er die Ausübung der öffentlichen Busse durch die Geistlichkeit fürchtete; die Hand-
habung der kirchlichen Strafgewalt, insonderheit des Bannes, hatte anderwärts schon recht
ärgerliche Formen angenommen; Übergriffe in das weltliche Gebiet waren nicht ausgeblieben,
die Praxis war unter den Geistlichen keine gleichmässige gewesen. Alles das mochte Georg
bestimmen. Als einzige Kirchenstrafe ward die Verweigerung der Sacramente zugelassen;
Beichte, Besserungszusage und Absolution geschehen privatim.
Welch’ eine milde, wahrhaft evangelische und weit über die Zeit hinausragende Ge-
staltung der Strafgewalt! Aber welch’ ein Abstand gegenüber dem canonischen Strafrecht!
Man kann es verstehen, dass dieses Schreiben Georg’s auf Fabricius und seine Collegen geradezu
niederschmetternd wirken musste. Wir können daher das Schreiben des Fabricius vom 18. October
1552 (Original in St.A. Zerbst a. a. O.) begreifen, in welchem er mittheilt, dass zu seiner grossen
Verwunderung der Fürst den gelinden processus Luther’s nicht zulassen wolle, ja sogar die Er-
mahnung beifüge, „das man mit der öffentlichen kirchenbuss niemand sol anruchig machen und
in die weltliche hand bringen“. Wiewohl er den Brief des Fürsten mehrfach durchgelesen habe,
so habe er „doch etlicher ursachen halben, swerlich bis anher kunnen gleuben, das alle diese
schriften von euer fürstlichen gnaden herkome“. Der weitere Inhalt des Schreibens ist fast
unehrerbietig gegen den Fürsten und lässt die Erregtheit des Fabricius und seiner Collegen
deutlich erkennen. Es heisst darin u. A.: Nachdem jetzt die Ehebrecher vernehmen, „das
e. f. g. auch die gelinde öffentliche kirchenbusse Martini Lutheri nicht hie zu lassen und sie
nur auf ir roh gewissen on offentliche busse zum sakrament und taufe gehen mugen, sind sie
viel erger worden,.da der erbar rath das laster des ehebruchs heimlich in beutel strafe
und die kirche mit ihrer christlicher und gelinder straf auch stille halten muss und die fürsten
im lande durch die finger sehen“, würden die Folgen nicht ausbleiben; die Kirchendiener wüschen
ihre Hände in Unschuld; der Fürst möge seine Handlung vor Gott selbst verantworten.
Hierauf muss Georg eine beruhigende, auf die Zukunft vertröstende Antwort gegeben
haben, denn unter dem 16. November 1552 (Original in Zerbst, St.A., a. a. O.) bedankt sich
Fabricius zugleich im Namen seiner Collegen für die tröstliche Zusage des Fürsten bezüglich
der Aufrichtung der öffentlichen Busse. Der Fürst solle nun auch die erforderliche Anordnung
erlassen, „es were dan die Martini Lutheri oder die auf der agenda“ [d. i. der Interimsagende].