Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0541

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das Fürstenthum Anhalt. 527
ordneter, wenn auch in der Kirche, vornehmen lassen wolle. Ulrich macht einen Vermitt-
lungsvorschlag.
Diese Eingabe Ulrich’s ist von einer anderen Hand (derjenigen des Kanzlers Trauhot?) mit
kritischen Randglossen versehen. Es finden sich allerdings in derselben auch Sätze, die den Wider-
spruch der Hofräthe, die auf eine Verminderung der Strafgewalt hinausarbeiteten, herausfordern
mussten. Ulrich möchte z. B. am liebsten den grossen Bann wiederhergestellt sehen und vertheidigt
diesen Gedanken so: „Den grossen bann, anathema, haben wir nicht mehr in unserer kirchen,
nicht das er unrecht were, wie oben gesagt, sondern das die welt dieses materni flagelli nicht
mehr wirdig ist, als die zur ewigen excommunication mit haufen eilet. Und weil dieselbe, wie-
wol aus gottes zorn und nachlessigkeit beider regiment gefallen, vermugen ihn auch die kirchen-
diener ane hülfe der obrigkeit nicht zu restituiren, weil er äusserlichen leibeszwang in sich
habet, der uns nicht befolen, auch die censura zu dem consistorium gehört, darin weltliche und
geistliche richter beisammen sitzen sollen.“ Kanzler Traubot muss diese Eingabe dem
Fürsten gegenüber stark abfällig kritisirt haben. Denn unter dem Datum Zerbst, 25. Mai
1575 reichen die Superintendenten und Pfarrer Abraham Ulrich, Wolfgang Amling, Markus
Helse, Georg Roth, Clemens Streso, Gallus Dressler und Joachim Schulz einen ausführ-
lichen Bericht ein, in welchem sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe des Kanzlers einzeln
bekämpfen und ihre Stellung zum Kirchenbann rechtfertigen (Original, von den Geistlichen
unterschrieben, im St.A. Zerbst, a. a. O.). Sie bitten, wenigstens in dem gerade jetzt vor-
liegenden Ehebruchsfalle nach dem bisherigen Brauche verfahren zu dürfen, für die Zukunft
wollten sie sich nach dem Wunsche des Fürsten vergleichen und der Fürst möge dann den
Vergleich bestätigen. Zur Entscheidung der Differenzen schlugen sie den Schiedsspruch eines
Consistoriums vor.
Die Entscheidung des Fürsten ist mir nicht bekannt geworden. Es ist wohl Alles beim
Alten geblieben.
Besonders rühmend muss die Fürsorge des Fürsten für die Wittwen und Waisen der
verstorbenen Pfarrer hervorgehoben werden.
Schon Fabricius hatte auf diesen Punkt sein Augenmerk gelenkt und sich vom Con-
sistorium zu Wittenberg die dort beobachtete Praxis berichten lassen. (Zerbst, Superinten-
dentur-Archiv, XXIX, 75 ff.) Ich habe diesen Bericht in Bd. I S. 358 abgedruckt.
Joachim Ernst erliess eine diesbezügliche Ordnung unter dem 1. Januar 1580. Dieselbe
ist mehrfach erhalten. So im Superintendentur-Archiv Zerbst, XXIX, S. 454, S. 479b und
XVIII, S. 160. Wir bringen dieselbe hiernach erstmalig zum Abdruck. (Nr. 126.)
Nicht unerwähnt darf endlich seine Fürsorge für die Förderung der gelehrten Studien
bleiben, die er durch die Fundirung des akademischen Gymnasiums zu Zerbst bethätigte. An-
halt blieb von den dogmatischen Streitigkeiten ebenso wenig verschont wie andere Länder.
Führer der Anhaltiner Theologen war hierbei der Superintendent Mag. Wolfgang Amling.
Amling, geboren zu Münnerstadt, wurde im Jahre 1566 in der Zeit der Pest nach Zerbst
als Schulrector berufen, wirkte in dieser Stellung dort bis 1569, kehrte nach Münnerstadt
zurück, wo er bis 1573 privatisirte; dann, nach Coswig als Pfarrer berufen, unterwarf er sich
dem Pfarrexamen und wurde von Mag. Abraham Ulrich ordinirt. In demselben Jahre folgte er
aber einem Rufe als Pfarrer nach Zerbst, woselbst ihm, als Ulrich 1577 gestorben war, 1578
die Superintendentur übertragen wurde. Er starb am 18. Mai 1606.
Ich entnehme diese Notizen einer eigenhändigen Lebensskizze Amling’s, die sich auf
der Rückseite des ersten Blattes in einem Bande des Zerbster Superintendentur-ArchivsNr. 29
befindet. Im Übrigen sei auch auf Becker’s Abhandlung in: Theologische Studien und Kritiken.
1897, S. 112 ff., verwiesen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften