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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0063

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Kirchenordnung Joachim’s II. von 1540.

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welche auch die gottlosen heiden strafen, sondern
welche die heiligen phariseer bei sich selber nicht
wissen noch erkennen wollen, und darumb des
des arztes nicht achten. Daher der heilig teufer
nicht allein zun huren und publicanen gesagt,
poenitentiam agite, sondern zu diesen grossen
heiligen leuten, damit er sie als sünder uber-
weiset, denn die, weil sie auch eusserlich gliessen,
meineten sie, sie stünden nur ser wol, achten
nicht, wie das herz voller unglaubens und unflats
were, aus dem doch erst die andern eusserlichen
sünden entspringen.
Darumb mus auch ein prediger leren, wie
das gesetz nicht allein das eusserlich erfordert,
sondern das herz und alle affecten, und solch
innerliche geistliche sunden neben den eusser-
lichen, wie ferlich schedlich und verdamlich die
sein, wol ausstreichen, und was fur unflats aus
der erbsunde in uns stickt, wol ausgebreitet und
exagerirt werden, wie es denn an im noch viel
grösser is. Da wil wol denn einem jeglichen sein
herz sagen, ob er sich auf erfüllung des gesetzes
und seine eigene wirdigkeit verlassen möge, oder
ob er des arztes bedürfe oder nicht, also bezeugt
auch der heilig Paulus zun Römern am 2. Und
fürder wie beide, heiden und jüden, am gesetz
fellig und der ewigen verdamnis an im selber
schuldig; wer darfur nicht erschrecken und die
sunde im nicht bitter sein lassen, darüber die noch
belieben wil, der wird des tröstes auch wenig be-
geren; darumb sollen die leute fur solcher sched-
lichen sicherheit fleissig verwarnet werden, denn
daraus folget rohes wesen und verachtung dieses
göttlichen schatzes, der vergebung der sunde. Das
aber durch solch predigt das herz getroffen wird,
und also göttlichen drauen zu gleuben, und der-
wegen zu warer reu bewegt, das müssen beide,
prediger und zuhörer mit ernstem fleis von gott
bitten, des gabe es ist.
Die aber nu dermassen durch göttliche gnade
ire sunde erkennen, darob misgefallen tragen und
mit rechtem ernst berauen, denen ist die predigt
des evangelii angenem und nötig; denn reu on
glauben der vergebung der sunde ist verzweife-
lung, wie auch der vermeinte glaub der vergebung
der sund on reu mehr vermessenheit, gottes spot
und ein lauter geticht und nicht warhaftiger glaub
ist. Darumb gehört es zusamen, denn der heilig
geist, des gabe es ist, wil in einem solchen zer-
brochenen herzen sein wirkung und kraft er-
zeigen, welche sonst nicht empfunden würde.
Nu ist alhie das haubtstück und die summa
des ganzen evangelii gelegen, das klar und rein
ungeachtet aller menschlichen widersprechung ge-
leret und bis in den tod erhalten werde, nemlich,
das wir erlangen vergebung der sunde, die recht-
fertigung und die endliche unser ewige seligkeit,

aus lautern gnaden gottes, allein durch den
glauben auf die erlösung Christi, on zuthun der
wirdigkeit unser werk und verdienst, nicht auch
von wegen der wirdigkeit unser reu und buss.
Denn ob die wol da sein mus, so kan sie doch
nimmermehr gnugsam sein, nicht auch umb wirdig-
keit willen unsers glaubens, denn der auch viel
zu geringe, aber darumb, das derselbe glaube, wie
schwach der ist, auf sein selbst wirdigkeit, noch
einig ander werk, es sei so gros wie es wolle,
fusset und trauet, sondern siehet und verlesst
sich blöslich allein auf die unaussprechliche gütig-
keit gottes, durch das heilige evangelium, uns
gewislich verheissen durch den, der wider liegen
noch triegen, und was er zusagt, als der all-
mechtige, nicht feilen lassen kan; denn die predigt
des evangelii ist nicht dienstlich, so dem nicht
geglaubt wird , wie der herr Marci sagt, credite
evangelio. Und ad Hebre.: Sermo dei non profuit
eis, quia non erat cum fide coniunctus. Solchs
mus ein jeder fur sich selber gewislich in seinem
herzen, in eigenem glauben fassen, und ist nicht
gnugsam der historische glaube, den auch der
teufel hat, davon Jacobus sagt, denn solcher kan
sein auch mit der verzweifelung. Aber dieser
glaube, das der mensch im auch in sonderheit
solche gnad durch Christum verdienet, und aus
gnaden, on verdienst geschenkt, gleubet, der ist
gewis und stillet das unrugige betrübte gewissen.
Durch den glauben wird gott die eher geben, das
er warhaftig und er allein unser seligmacher sei;
durch den glauben wird unser gebrechen und die
gnad erkant; durch den glauben wird des teufels
strick und mausfalle zur linken und zur rechten,
damit er letzlich uns fahen wil, vermiden, und
sein feindselige anfechtung uberweldigt. Denn so
er wil komen mit hoffart und vertrauen auf eigne
wirdigkeit, damit er viel gestürzt und die früchte
des leidens Christi inen entzogen, so stehet der
glaub und zeuget gewaltiglich, das er auf kein
ander verdienst sehe, denn nur auf die gnade
gottes, und bekennet, das er seines verdienstes
halben verloren.
Widerumb so der teufel den menschen auf
verzweifelung bringen wil, und auch das gewissen
der allerheiligsten uberweisen kann, das sie gottes
gesetz nicht erfullet und darumb der verdamnis
schuldig, so ist aber da der gewaltige schilt des
glaubens, damit solche feurige geschos des feindes
aufgefangen. Denn da bekend der glaube aber-
mals, das er nur auf gottes gnade fusse, und so
wenig seiner unwirdigkeit halber verzage, als er
auf seine wirdigkeit nicht vertrau; und also dieser
glaub allein und sonst nichts macht das herz und
gewissen friedlich; denn dieweil derselbe auf
gottes wort, der da warhaftig und allmechtig ist,
sich steuret, so ist er auch gewis und zweifelt
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