Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0427

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Gotteskastenordnung für Breslau von 1523.

407

89. Gotteskastenordnung. Von 1528.
Ursachdes gemeinen kastenshalben dem armut zu gute vorgenommen.
[Nach St.-A. Breslau, Handschriften P. I, Fol. 41—44.]

So als unser hail, fromikeit, leben und
selikeit alleine gegrundet und gesatzt ist auf
einen rechten bestendigen glauben, der dann
nichtes anderes ist, denn ihr herrlich vertrauen
und genzliche zuversicht in die lauter barmherzig-
keit und zusage gottes, des himelischen vaters,
uns erstlich verheissen, und donoch durch Christum
Jesum, seinen einigen sohn, wahrhaftig erzaigt,
gewert und beweist, in deme, das er denselben
zu unser enthaltunge und des ewigen lebens
derlangunge herab in diese betrupte werlet ge-
sandt und ihn alle unsere sund und missethat auf
sich hat nehmen lassen, und durch seinen bitteren
und allerschmehlichsten todt des kreuzes die
handschrift unserer schulde hat ausgelescht Ad.
Coloss. 2 und uns also gerechtfertiget und zu seinen
kindern und zu der erbschaft des himmelreichs
und der ewigen selikeit angenommen hat aus un-
aussprechlicher liebe, gunst und gnade, die er zu
uns von anbeginn getragen hat und noch tregt,
und so balde wir uns streflich und arme sunder
erkennen und uns an seine barmherzigkeit und
an das verdienst seines sones halten, uns selbst
entgegenkommet und als ein gutigster vater uns
widerum gnediglichen aufnimt und der vorigen
missethat nimmermehr gedengt. Ist es nicht
möglich, so wir solche grosse und ungehabte liebe
gottes bei uns empfinden, das wir ihn widerum,
wo wir nicht ganz steinen und stehlen sein, nicht
lieben solten. Wer aber gott liebet, der horet
seine stime und volget seiner leere, Johan. 10.
Denn aber volgen wir ihme und lieben ihn, wenn
wir unseren nechsten in seinem elende, armuth,
krankheit und widerwertigkeit trostlich, hulflich
und forderlich erscheinen und ihn des, so uns
gott mitgetheilet und gegeben hat, auch geniessen
lassen. Dann was wir dem minsten aus den
seinen thuen, haben wir ihm getan, Matth. 25.
Und so Christus vor uns zum tode und marter
ging, hat er uns keinen anderen befehl seines
letzten willens gegeben und gelassen denn diesen:
Ich gebe euch ein neu gebet, das ihr einand
liebet, als ich euch geliebet habe, und in deme,
werden sie alle erkennen, das ihr meine junger
seit. So ihr euch untereinander werdet lieben,
darauf dann volgen muss, wer gott liebet, der
liebet auch seinen nechsten. Wenn wer nicht
liebet seinen bruder, den er sieht, wie kann er
gott lieben, den er nicht sieht, Johan. 1. Und
der ist auch kein christner, sondern ein gottloser
mensch, der seinen nechsten in seiner noth, armuth
und angst nicht trostlich, noch hulflich ist. Wie

dann Salomon in buch der sprüch im 21. cap.
sagt: Die seele des ungütigen wird sich nicht
erbarmen über seinen nechsten. Wo dann gottes
sohn gesaget, wie oben, das alles dasjehnig, so
dem armen dorftigen menschen geschieht, ihme
geschehe und zu einer danksagunge seiner wohl-
that von uns nichtes anderes fordert, noch begert,
dann dass wir uns über unseren nechsten er-
barmen und ihme gutes thun sollen, als er sich
über uns erbarmet und uns one unterlass gutes thut,
damit sein heiliger namen glorifiert und geheiliget
werde, und wir nicht alleine mit nahmen, sondern
auch mit der that christen befunden, /not ein
erbarer rath und rechter treulicher christlicher
meinunge allein gotte zu lobe und zu troste dem
nechsten einen gemeinen kasten aufgericht, darein
geleget soll werden alles dasjehnige, so zu dem
gemeinen almosen, zur erkaltunge und trost der
armen und kranken leute und zu hulf hausarmen
leuten gegeben wird.
Und zu ausspendung solches gemeinen al-
mosen sollen allezeit verordnet sein zwene aus
den herren rathsmannen oder herren scheppfen,
und achte aus der gemeine, die mit solchem
almus erstlich diejenigen, so mit den franzosen
beladen und in dieser stath krank worden sind,
sollen heilen und gesund machen lassen, so sind
mennlichs oder weiblichs geschlechts.
Darnach sollen sie das gemeine almus nicht
aus günst, sondern alleine aus heischunge der
noth, bei ihren eiden und guten gewissen aus-
theilen hausarme leuten, nicht denen, die das ihre
mit mussiggehen, birtrinken oder sunst in anderer
weise hinbringen, oder sich widerlich und un-
gepurlich halten, sondern alleine denen, die treu-
lich und vleissig arbeiten, oder schwachheit und
geprechen halben nicht arbeiten mögen, und sich
und ihre kinder nicht erhalten, noch genesen
können one hulfe und beistand, sich auch sunst
aufrichtig halten oder bei der stadt verstorben
sein aus unfals oder verhenkung gottes, und sollich
almus sol einem jeden furgereicht werden, nach
erkenntnuss der hierzu verordneten, bis so lange
sie sich ihrer narunge gebessert und des almus
ferner nicht bedorfen.
Es soll kain fremde bettler in der stadt er-
liden werden.
Ein jeder betler, der noch arbeiten kann und
sein brot sein selbst derwerben, soll arbeiten oder
aus der stadt getrieben werden.
Kain gesell, noch magt soll in der stat ge-
liden werden, der nicht arbeit, noch dienet.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften