Die Fürstenthümer Liegnitz, Brieg und Wohlau.
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Dem Landesherrn gab bald ein Kirchenzuchtfall Gelegenheit, seine Ansichten über die
Stellung der Obrigkeit geltend zu machen: „principi esse ius cognoscendi causas ecclesiasticas
inconsulto ministerio“. Es gab dieser Fall Anlass zu einem für die Geschichte des landes-
herrlichen Kirchenregiments recht bemerkenswerthen Zusammenstosse des Landesherrn mit einem
grossen Theile seiner Geistlichkeit, in welchem letztere nachgeben musste. Vgl. den hübschen
Aufsatz von Eberlein, im Correspondenzbl. 5, S. 39 ff.
Der Landesherr musste Rang- und Competenzstreitigkeiten unter den beiden Super-
intendenten entscheiden oder wenigstens einen hierüber von anderer Seite zu Stande gebrachten
Vergleich landesherrlich confirmiren. Vgl. hierfür den interessanten „Vertrag zwischen Herrn
Georgio Rott und Herrn Thoma Thanholtzern“ vom 22. Juni 1565 (Correspondenzbl. 6, S. 119):
Der Brieger Stadtpfarrer erhielt den Vorrang vor seinem Mit-Superattendenten, dem Hofprediger.
Um das Jahr 1555 nahmen aber die Bestrebungen wegen der Kirchenordnung festere
Formen an. Die Liegnitzer Superattendenten Henricus Theodorus und Georgius Seyler liessen
sich in einem Schreiben, welches Liegnitz, Montag nach Joh. Evangelista 1555 datirt ist (St.-A.
Breslau, Liegn. X, 2b), u. A. vernehmen: Gemäss dem Befehl des Fürsten, eine Kirchenordnung
zu stellen, „haben wir darüber nachgedacht und mit etlichen der ältesten pfarrherrn auf dem
Lande und städten, sampt den Senioren sich entschlossen, die Württembergische Kirchenordnung
anzunehmen, auf E. G. lande applizirt und wenig aus der Nürnbergischen Agenda hinzugesetzt,
als nemlich etliche praefation und gebeth im taufbüchlein und den artikel vom bann, auch de
gradibus, wie nahe man heiraten mag, des hochwirdigen und hochgebornen fürsten und herrn,
herrn Georg, fürst zu Anhalt büchlein (vgl. meine Ausgabe der Kirchenordnungen, Bd. II,
S. 6), und haben sonderlich hoch von nöten geachtet vor dem artikel vom bann, E. F. G.
herrn und vaters hoch milder gedenken mandata der schwermer belangend, sampt E. F. G.
Mandat, wie man der pfarren widmuten gebeue erhalten und den pfarrherrn iren zustand
treulich geben sol, mit inserirt, dehmütig bittend, da diese agenda E. F. G. gefallen würde,
und zu publiziren bedacht, dieselbige zu renoviren und confirmiren. Diese Kirchenordnung oder
Agenda gnädiger fürst und herr stellen wir E. F. G. in unterthäniger dehmut zu“. Die Verfasser
bitten um Entschuldigung, dass sie sich an die Württembergische Agenda gehalten, „sintemal
wir keine bessere nicht hätten können stellen und die auch fast von allen der A. C. verwandten
kirchen, sowol allhie in E. F. G. landen und etlichen örtern angenommen, und unser gnädiger
fürst und herr alzeit sein und bleiben“.
Der Entwurf wurde den Briegischen Superattendenten zugeschickt, welche ihn billigten
und um die Ausdehnung auf Brieg baten. Aber der Fürst kam zu keinem Entschlusse. Im
Jahre 1557 beantragten 14 Geistliche des Fürstenthums Brieg beim Fürsten die Einführung
der Mecklenburgischen Kirchenordnung. Dieser Wunsch fand Erfüllung. Wie unten noch
näher zu schildern, stimmte der Fürst diesem Wunsche zu und berief 1558 einen General-
convent. Auf diesem wurde dann die Mecklenburger Ordnung mit der kleinen Abweichung
angenommen, dass bei der Taufe der Neugeborenen die aus Luther’s Taufbüchlein in die Agende
herübergenommenen Worte des Gebetes vor der Taufe,, und er selbst dazu gethan“ ausgelassen und
nur in dem Falle gebraucht werden sollten, wenn Personen, die bereits zu Verstande gekommen,
zur Taufe gebracht würden. Kein Geringerer als Melanchthon hatte 1558 in einem Briefe an
den Herzog die Einführung der Mecklenburger Ordnung empfohlen (C. Reform. IX, S. 634;
Correspondenzbl. 6, S. 88). Am 20. December 1558 publizirte der Fürst diese Ordnung für
Brieg mit geringen Änderungen (St.-A. Breslau, Brieg X, 2 a).
Die Liegnitzer hätten gerne eine Ausdehnung dieser Agende auf ihr Fürstenthum gesehen.
Aber es blieb da zunächst alles beim Alten. Die von Walter, Siles. diplom., S. 146, und
v. Kamptz 1, S. 542, Nr. 9, citirte Liegnitzer Kirchenordnung von 1579 habe ich nirgends gefunden.
Erst im Jahre 1594 wurde ihnen vom Landesherrn eine eigene Landesordnung gegeben, die aber
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Dem Landesherrn gab bald ein Kirchenzuchtfall Gelegenheit, seine Ansichten über die
Stellung der Obrigkeit geltend zu machen: „principi esse ius cognoscendi causas ecclesiasticas
inconsulto ministerio“. Es gab dieser Fall Anlass zu einem für die Geschichte des landes-
herrlichen Kirchenregiments recht bemerkenswerthen Zusammenstosse des Landesherrn mit einem
grossen Theile seiner Geistlichkeit, in welchem letztere nachgeben musste. Vgl. den hübschen
Aufsatz von Eberlein, im Correspondenzbl. 5, S. 39 ff.
Der Landesherr musste Rang- und Competenzstreitigkeiten unter den beiden Super-
intendenten entscheiden oder wenigstens einen hierüber von anderer Seite zu Stande gebrachten
Vergleich landesherrlich confirmiren. Vgl. hierfür den interessanten „Vertrag zwischen Herrn
Georgio Rott und Herrn Thoma Thanholtzern“ vom 22. Juni 1565 (Correspondenzbl. 6, S. 119):
Der Brieger Stadtpfarrer erhielt den Vorrang vor seinem Mit-Superattendenten, dem Hofprediger.
Um das Jahr 1555 nahmen aber die Bestrebungen wegen der Kirchenordnung festere
Formen an. Die Liegnitzer Superattendenten Henricus Theodorus und Georgius Seyler liessen
sich in einem Schreiben, welches Liegnitz, Montag nach Joh. Evangelista 1555 datirt ist (St.-A.
Breslau, Liegn. X, 2b), u. A. vernehmen: Gemäss dem Befehl des Fürsten, eine Kirchenordnung
zu stellen, „haben wir darüber nachgedacht und mit etlichen der ältesten pfarrherrn auf dem
Lande und städten, sampt den Senioren sich entschlossen, die Württembergische Kirchenordnung
anzunehmen, auf E. G. lande applizirt und wenig aus der Nürnbergischen Agenda hinzugesetzt,
als nemlich etliche praefation und gebeth im taufbüchlein und den artikel vom bann, auch de
gradibus, wie nahe man heiraten mag, des hochwirdigen und hochgebornen fürsten und herrn,
herrn Georg, fürst zu Anhalt büchlein (vgl. meine Ausgabe der Kirchenordnungen, Bd. II,
S. 6), und haben sonderlich hoch von nöten geachtet vor dem artikel vom bann, E. F. G.
herrn und vaters hoch milder gedenken mandata der schwermer belangend, sampt E. F. G.
Mandat, wie man der pfarren widmuten gebeue erhalten und den pfarrherrn iren zustand
treulich geben sol, mit inserirt, dehmütig bittend, da diese agenda E. F. G. gefallen würde,
und zu publiziren bedacht, dieselbige zu renoviren und confirmiren. Diese Kirchenordnung oder
Agenda gnädiger fürst und herr stellen wir E. F. G. in unterthäniger dehmut zu“. Die Verfasser
bitten um Entschuldigung, dass sie sich an die Württembergische Agenda gehalten, „sintemal
wir keine bessere nicht hätten können stellen und die auch fast von allen der A. C. verwandten
kirchen, sowol allhie in E. F. G. landen und etlichen örtern angenommen, und unser gnädiger
fürst und herr alzeit sein und bleiben“.
Der Entwurf wurde den Briegischen Superattendenten zugeschickt, welche ihn billigten
und um die Ausdehnung auf Brieg baten. Aber der Fürst kam zu keinem Entschlusse. Im
Jahre 1557 beantragten 14 Geistliche des Fürstenthums Brieg beim Fürsten die Einführung
der Mecklenburgischen Kirchenordnung. Dieser Wunsch fand Erfüllung. Wie unten noch
näher zu schildern, stimmte der Fürst diesem Wunsche zu und berief 1558 einen General-
convent. Auf diesem wurde dann die Mecklenburger Ordnung mit der kleinen Abweichung
angenommen, dass bei der Taufe der Neugeborenen die aus Luther’s Taufbüchlein in die Agende
herübergenommenen Worte des Gebetes vor der Taufe,, und er selbst dazu gethan“ ausgelassen und
nur in dem Falle gebraucht werden sollten, wenn Personen, die bereits zu Verstande gekommen,
zur Taufe gebracht würden. Kein Geringerer als Melanchthon hatte 1558 in einem Briefe an
den Herzog die Einführung der Mecklenburger Ordnung empfohlen (C. Reform. IX, S. 634;
Correspondenzbl. 6, S. 88). Am 20. December 1558 publizirte der Fürst diese Ordnung für
Brieg mit geringen Änderungen (St.-A. Breslau, Brieg X, 2 a).
Die Liegnitzer hätten gerne eine Ausdehnung dieser Agende auf ihr Fürstenthum gesehen.
Aber es blieb da zunächst alles beim Alten. Die von Walter, Siles. diplom., S. 146, und
v. Kamptz 1, S. 542, Nr. 9, citirte Liegnitzer Kirchenordnung von 1579 habe ich nirgends gefunden.
Erst im Jahre 1594 wurde ihnen vom Landesherrn eine eigene Landesordnung gegeben, die aber