Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0053
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung

weitere Pfarreien inkorporiert: Vehlen, Sülbeck, Meinsen, Kirchhorsten und vor allem St. Martini in Stadt-
hagen (mit der vor den Mauern gelegenen Johanniskapelle)70. Die Besetzung dieser Pfarreien stand Kost-
ken zu; mit der Berufung Jakob Dammanns zum Pfarrer der Martinikirche setzte sich Graf Otto IV. im
März 1559 aber über die Rechte Kostkens hinweg71. Als Propst des Stifts Obernkirchen bekleidete Kostken
zugleich das Amt des Archidiakons des zum Bistum Minden gehörenden Archidiakonats Obernkirchen. Er
übte damit die Aufsicht über eine vergleichsweise große Zahl von Geistlichen aus72. Kostken scheint den
Klerus seines Archidiakonats ermuntert zu haben, an den alten kirchlichen Gebräuchen festzuhalten.
Damit widersetzte er sich offen den Anweisungen des Grafen. Otto IV. scheute sich aber zunächst, mit aller
Härte gegen Kostken vorzugehen. Davon hielten ihn die Stellung Kostkens und dessen hohes Alter zurück.
Darüber hinaus war ihm der Propst über lange Jahre als Berater verbunden gewesen73. So hatte er u.a. der
Delegation angehört, die am Celler Hof mit den braunschweig-lüneburgischen Räten über eine Eheschlie-
ßung Ottos IV. mit der Tochter Herzog Ernst des Bekenners verhandelte74. Die Geschehnisse um das Stift
Obernkirchen (s. die Einleitung zu Nr. 4) führten dann aber wohl endgültig zum Bruch.
3. Befehl zur Inventarisierung der Pfarreien und ihrer Kirchengüter, 9. Juni 1562 (Text S. 57) / 12. Mandat
zur Erhaltung der Kirchengüter und zur jährlichen Rechnungslegung, 6. Juli 1577 (Text S. 77) /
23. Anweisung an den Superintendenten zur neuen Kirchenordnung und zu den Kirchenrechnungen, [nach
29. Juli 1615] (Text S. 169)
In Artikel 19 des Augsburger Reichstagsabschieds vom 25. September 1555 war die Verfügungsgewalt der
protestantischen Reichsstände über die Kirchengüter in ihrem Gebiet reichsrechtlich anerkannt worden75.
Die Behandlung der Kirchengüter spielte in den Ordnungen der Grafschaft Schaumburg eine besondere
Rolle. Eine der ersten Maßnahmen, die Otto IV. nach der Einführung der Reformation traf, war eine
genaue Bestandsaufnahme aller in seinem Territorium gelegenen Pfarreien und geistlichen Institute und
ihres Besitzes. Mit dieser Aufgabe betraute er 1562 Johannes Krumwiede. Dieser sollte nicht nur die zu den
Pfründen und zur Kirchenfabrik gehörenden Güter mit ihren Einkünften aufzeichnen, sondern auch die
Kollaturrechte, die bei den Kirchen angesiedelten Bruderschaften und Kalanden sowie die Namen der
Kirchenvorsteher und Kirchenpfleger erfassen.
Die Aufzeichnungen Krumwiedes über seine Reise durch die Grafschaft scheinen nicht erhalten zu sein.
Auch die Person Krumwiedes bleibt über seine Tätigkeit bei der Inventarisierung hinaus im Dunkeln. Wie
nötig eine solche Bestandsaufnahme war, zeigte sich wenige Jahre später, als die nach dem Tod Ottos IV.
von den Landständen eingesetzte Regierung gegen Mißstände bei der Verwaltung der Kirchengüter vorge-
hen mußte. Anscheinend nahmen die Kirchenvorsteher und -pfleger eine weitgehend uneingeschränkte Ver-
fügungsgewalt über die Kirchengüter für sich in Anspruch. Zur Kontrolle ihrer Tätigkeit beschlossen die
Mitglieder der Regierung deshalb eine jährliche Rechnungslegung vor den Drosten und Amtsleuten und in
Gegenwart des Pfarrers.

70 Vgl. Brosius, Stift Obernkirchen, S. 73f.; Niedersächsi-
sches Klosterbuch 3, S. 1111.
71Vgl. Brosius, Stift Obernkirchen, S. 61. Das Patronat
von St. Martini hatte zunächst bei den Grafen von
Schaumburg gelegen, die es 1329 aber dem Stift Obern-
kirchen übertrugen. Durch den Bischof von Minden
wurde die Kirche dann dem Stift noch im gleichen Jahr
inkorporiert. Wohl auf Drängen Kostkens hin sollte die
endgültige Bestallung Dammanns erst nach einem Pro-
bejahr erfolgen.

72 Vgl. ebd., S. 74-77. Zu den zwölf Archidiakonaten des Bis-
tums Minden vgl. Wilfried Dammeyer, Der Grund-
besitz des Mindener Domkapitels. Ein Beitrag zur Güter-
und Wirtschaftsgeschichte der deutschen Domkapitel,
Minden 1957 (= Mindener Beiträge zur Geschichte, Lan-
des- und Volkskunde des ehemaligen Fürstentums Min-
den 6), S. 81.
73 Vgl. Brosius, Stift Obernkirchen, S. 71.
74 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV, S. 187.
75 RTA JR 20,4, Nr. 390, S. 3110.

33
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften