Grafschaft Schaumburg
Eine besondere Form der öffentlichen Buße findet im Mandat vom Februar 1570 Erwähnung, nämlich
das Knien vor dem Hauptaltar mit einem Licht in der Hand während des Gemeindegottesdienstes sowie das
Umschreiten des Altars und das Niederlegen eines „Bußgeldes“ auf demselben. Bei einer Wiederholungstat
ist die Bußhandlung mit einer Prangerstrafe verbunden, dem Tragen des Schandsteins.
Arbeitsruhe und ein Verbot des Handels auf den Märkten scheint nur während der Gottesdienstzeiten
angeordnet gewesen zu sein, nicht aber für den gesamten Sonn- und Feiertag. Bei der Abhaltung von
Jahrmärkten durften die Buden erst nach dem Gottesdienst am Vormittag geöffnet werden.
10. Garantie des Fortbestands des Stifts Möllenbeck, [6. Mai 1570] (Text S. 72)
Im Jahr 896 war in Möllenbeck (heute zur Stadt Rinteln gehörig) ein Kanonissenstift gegründet worden.
Der Konvent bestand aus 12 adeligen Kanonissen; daneben gab es noch Laienschwestern. Den Gottesdienst
im Stift hielten vier Kanoniker unterstützt von einer Reihe von Kaplänen. Der seit Mitte des 14. Jh.
einsetzende Verfall führte 1440 zur Aufgabe des Stifts, nachdem in Möllenbeck nurmehr eine Kanonisse
ansässig war142. Der Bischof von Minden übertrug das Stift daraufhin den zur Windesheimer Kongregation
gehörenden Augustiner-Chorherren in Böddeken (südlich von Paderborn). Das neugegründete Stift erlebte
eine beachtliche Entwicklung: So gehörten der Gemeinschaft zeitweise 20 Kanoniker und 50 Laienbrüder
an. In den vierziger Jahren des 15. Jh. konnte die Klosteranlage umgebaut und zwischen 1479 und 1505 eine
dreischiffige Hallenkirche im Stil der Spätgotik errichtet werden. Beim Stift entstand ein weiträumiger
Wirtschaftshof mit zahlreichen Werkstätten, der von den Laienbrüdern und Knechten betrieben wur-
de143.
Seit den zwanziger Jahren des 16. Jh. gab es innerhalb des Möllenbecker Konvents zwar immer wieder
Mitglieder, die sich der Reformation anschlossen und das Haus verließen144; der Kern des Konvents war
aber, als Graf Otto IV. die Reformation in der Grafschaft Schaumburg einführte, weiterhin dem alten
Glauben verbunden145. Auch nach 1559 scheinen das geistliche Leben und die Gottesdienste zunächst ein-
mal in der gewohnten Form fortgesetzt worden zu sein146.
Als im Sommer 1563 der bisherige Prior Johann Braun starb, fürchtete der Konvent die Aufhebung des
Stifts147 . Über die Frage der Wahl des neuen Priors kam es zum Streit zwischen dem Konvent und dem
Grafen: Während der Konvent die vollzogene Wahl, an der die Vorsteher der Häuser in Böddeken und
Dalheim teilgenommen hatten, dem Grafen nur anzeigen wollte, beharrte Otto IV. auf seiner Zustimmung
zur Wahl des Priors148. Der drohende Konflikt konnte aber durch einen Bruder Ottos, den Hildesheimer
Propst Wilhelm von Schaumburg, geschlichtet werden149.
Der neue Prior Hermann Wening150 nahm erste Veränderungen im geistlichen Leben der Gemeinschaft
und bei den Gottesdiensten vor151. Im Jahr nach der Wahl wurde das Stift visitiert. Der Besuch der Kom-
mission in Möllenbeck fand im August 1564 statt, also einige Monate nach der eigentlichen Visitation der
Grafschaft (Nr. 6a und b). Zum Ablauf der Visitation und zu ihren Ergebnissen fehlen aber die Zeugnis-
142 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 3, S. 1060f.; Heut-
ger, Stift Möllenbeck, S. 1-71.
143 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 3, S. 1061f.; Heut-
ger, Stift Möllenbeck, S. 72-118.
144 Vgl. die Beispiele bei Heutger, Stift Möllenbeck,
S. 119f.
145 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 203.
146 Vgl. Heutger, Stift Möllenbeck, S. 120.
147 Vgl. Brosius, Möllenbeck, S. 47.
148 NLA Bückeburg L 1, Nr. 3203. Vgl. Husmeier, Graf
Otto IV., S. 203f.
149 Zu Wilhelm von Schaumburg, der nach seinem Tod im
Jahr 1580 im Stift Möllenbeck beigesetzt wurde, vgl. Bei
der Wieden, Schaumburgische Genealogie, S. 128.
150 Wening hatte das Amt des Priors bis zum Jahr 1580 inne.
Der Geschichtsschreiber Hermann Hamelmann widmete
ihm 1580 seine „Oratio vel relatio historica“ und bezeich-
nete ihn als in doctrina et iudicio excellens. Vgl. Nieder-
sächsisches Klosterbuch 3, S. 1065; Heutger, Stift Möl-
lenbeck, S. 123; Jürgen Scheffler, Hermann Hamel-
mann und Lemgo, in: Bernhard Copius und das Lemgoer
Gymnasium,hrsg.von FRIEDRICH Bratvogel, Göttingen
2011, S. 171-196, hier: S. 176.
151 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 203.
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Eine besondere Form der öffentlichen Buße findet im Mandat vom Februar 1570 Erwähnung, nämlich
das Knien vor dem Hauptaltar mit einem Licht in der Hand während des Gemeindegottesdienstes sowie das
Umschreiten des Altars und das Niederlegen eines „Bußgeldes“ auf demselben. Bei einer Wiederholungstat
ist die Bußhandlung mit einer Prangerstrafe verbunden, dem Tragen des Schandsteins.
Arbeitsruhe und ein Verbot des Handels auf den Märkten scheint nur während der Gottesdienstzeiten
angeordnet gewesen zu sein, nicht aber für den gesamten Sonn- und Feiertag. Bei der Abhaltung von
Jahrmärkten durften die Buden erst nach dem Gottesdienst am Vormittag geöffnet werden.
10. Garantie des Fortbestands des Stifts Möllenbeck, [6. Mai 1570] (Text S. 72)
Im Jahr 896 war in Möllenbeck (heute zur Stadt Rinteln gehörig) ein Kanonissenstift gegründet worden.
Der Konvent bestand aus 12 adeligen Kanonissen; daneben gab es noch Laienschwestern. Den Gottesdienst
im Stift hielten vier Kanoniker unterstützt von einer Reihe von Kaplänen. Der seit Mitte des 14. Jh.
einsetzende Verfall führte 1440 zur Aufgabe des Stifts, nachdem in Möllenbeck nurmehr eine Kanonisse
ansässig war142. Der Bischof von Minden übertrug das Stift daraufhin den zur Windesheimer Kongregation
gehörenden Augustiner-Chorherren in Böddeken (südlich von Paderborn). Das neugegründete Stift erlebte
eine beachtliche Entwicklung: So gehörten der Gemeinschaft zeitweise 20 Kanoniker und 50 Laienbrüder
an. In den vierziger Jahren des 15. Jh. konnte die Klosteranlage umgebaut und zwischen 1479 und 1505 eine
dreischiffige Hallenkirche im Stil der Spätgotik errichtet werden. Beim Stift entstand ein weiträumiger
Wirtschaftshof mit zahlreichen Werkstätten, der von den Laienbrüdern und Knechten betrieben wur-
de143.
Seit den zwanziger Jahren des 16. Jh. gab es innerhalb des Möllenbecker Konvents zwar immer wieder
Mitglieder, die sich der Reformation anschlossen und das Haus verließen144; der Kern des Konvents war
aber, als Graf Otto IV. die Reformation in der Grafschaft Schaumburg einführte, weiterhin dem alten
Glauben verbunden145. Auch nach 1559 scheinen das geistliche Leben und die Gottesdienste zunächst ein-
mal in der gewohnten Form fortgesetzt worden zu sein146.
Als im Sommer 1563 der bisherige Prior Johann Braun starb, fürchtete der Konvent die Aufhebung des
Stifts147 . Über die Frage der Wahl des neuen Priors kam es zum Streit zwischen dem Konvent und dem
Grafen: Während der Konvent die vollzogene Wahl, an der die Vorsteher der Häuser in Böddeken und
Dalheim teilgenommen hatten, dem Grafen nur anzeigen wollte, beharrte Otto IV. auf seiner Zustimmung
zur Wahl des Priors148. Der drohende Konflikt konnte aber durch einen Bruder Ottos, den Hildesheimer
Propst Wilhelm von Schaumburg, geschlichtet werden149.
Der neue Prior Hermann Wening150 nahm erste Veränderungen im geistlichen Leben der Gemeinschaft
und bei den Gottesdiensten vor151. Im Jahr nach der Wahl wurde das Stift visitiert. Der Besuch der Kom-
mission in Möllenbeck fand im August 1564 statt, also einige Monate nach der eigentlichen Visitation der
Grafschaft (Nr. 6a und b). Zum Ablauf der Visitation und zu ihren Ergebnissen fehlen aber die Zeugnis-
142 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 3, S. 1060f.; Heut-
ger, Stift Möllenbeck, S. 1-71.
143 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 3, S. 1061f.; Heut-
ger, Stift Möllenbeck, S. 72-118.
144 Vgl. die Beispiele bei Heutger, Stift Möllenbeck,
S. 119f.
145 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 203.
146 Vgl. Heutger, Stift Möllenbeck, S. 120.
147 Vgl. Brosius, Möllenbeck, S. 47.
148 NLA Bückeburg L 1, Nr. 3203. Vgl. Husmeier, Graf
Otto IV., S. 203f.
149 Zu Wilhelm von Schaumburg, der nach seinem Tod im
Jahr 1580 im Stift Möllenbeck beigesetzt wurde, vgl. Bei
der Wieden, Schaumburgische Genealogie, S. 128.
150 Wening hatte das Amt des Priors bis zum Jahr 1580 inne.
Der Geschichtsschreiber Hermann Hamelmann widmete
ihm 1580 seine „Oratio vel relatio historica“ und bezeich-
nete ihn als in doctrina et iudicio excellens. Vgl. Nieder-
sächsisches Klosterbuch 3, S. 1065; Heutger, Stift Möl-
lenbeck, S. 123; Jürgen Scheffler, Hermann Hamel-
mann und Lemgo, in: Bernhard Copius und das Lemgoer
Gymnasium,hrsg.von FRIEDRICH Bratvogel, Göttingen
2011, S. 171-196, hier: S. 176.
151 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 203.
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