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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0064
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Grafschaft Schaumburg

hohen Aufwand des Konvents für Gastmähler und die Verschleuderung von Stiftsgut177. Ziel des Grafen war
die Einflußnahme auf die Zusammensetzung des Konvents, die Aufsicht über die Schwestern und eine
strengere Kontrolle der Stiftsökonomie. In einer ausführlichen Stellungnahme wehrte sich die neue Äbtissin
Anna von Alten178 gegen die Vorwürfe. Dabei beharrte sie auf dem Recht des Stiftskapitels, frei über die
Aufnahme neuer Frauen zu entscheiden. Gegen die Vorwürfe der Verschleuderung von Stiftsgut und einer
luxuriösen und anstößigen Lebensführung der Konventualinnen verwahrte sie sich in scharfer Form. Zum
Aufbau einer gemeinsamen Verteidigungslinie gegen die Ansprüche des Landesherrn suchte sie Kontakt zur
Priorin des Obernkirchener Stifts, Gertrud von Münchhausen179.
Den noch von Anna von Alten angestrengten Prozeß des Stifts gegen Adolf XIV. vor dem Reichskam-
mergericht in Speyer führte ihre Nachfolgerin Agnese von Mandelsloh weiter, die 1587 gegen den Willen des
Grafen zur Äbtissin gewählt wurde180. In dem Prozeß ging es um die Befreiung von der schaumburgischen
Landeshoheit und um die Anerkennung Fischbecks als Reichsstift. Die Äbtissin klagte wegen der Eingriffe
des Grafen in die Rechte des Stifts, vor allem wegen der von diesem vorgenommenen Einsetzung des
Amtmanns181. Adolf XIV. hatte nämlich den noch von seinem Vater berufenen Gerhard Schmidt 1586 gegen
ihren Willen abgesetzt und Johann von der Horst zum neuen Amtmann berufen. In der von den schaum-
burgischen Räten entworfenen Verteidigungsschrift beharrte der Graf gegenüber dem Reichskammergericht
auf der Landstandschaft des Stifts und auf seinem Recht als Landesherr, den Fischbecker Amtmann zu
ernennen und wieder abzuberufen. Schwere Vorwürfe erhob er gegen die Lebensweise der Stiftsdamen und
ihrer Vorsteherin und gegen die Wirtschaftsführung des alten Amtmanns Schmidt182.
1587 wandte sich die Äbtissin Agnese von Mandelsloh an Kaiser Rudolf II. und erwirkte von ihm eine
Bestätigung des Besitzes und der Freiheiten des Stifts. Drei Jahre später erreichte sie vom welfischen
Fürstenhaus eine Erneuerung des aus den Zeiten der welfischen Lehnsherrschaft herrührenden Schutzver-
sprechens für Fischbeck. Einen von den Schaumburger Landständen 1591 unternommenen Vermittlungs-
versuch zwischen dem Stift und dem Grafen wies sie unfreundlich zurück183. Das nach einer Prozeßdauer
von 15 Jahren vom Reichskammergericht gefällte Urteil entsprach aber nur zum Teil ihren Erwartungen:
Zwar wurde das Recht des Stiftskapitels zur Wahl der Äbtissin und zur Ernennung des Amtmanns bestä-
tigt, zugleich aber wurde Fischbeck die Anerkennung als Reichsstift versagt und damit dessen Unterord-
nung unter die Landesherrschaft der Schaumburger Grafen bestätigt.
Nach dem Urteil des Reichskammergerichts kam es durch die Vermittlung Herzog Heinrich Julius’ von
Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahr 1602 auch zu einer Einigung zwischen Äbtissin und Konvent auf der
einen und dem neuen Landesherrn Graf Ernst auf der anderen Seite. Anfang 1602 entsandte der Herzog von
Braunschweig-Wolfenbüttel mehrere Räte nach Fischbeck, die bereits Mitte Februar ihre Vermittlungs-
vorschläge vorlegten184. Es dauerte jedoch noch bis zum Oktober des Jahres, bis der Vertrag unterzeichnet
werden konnte, weil die Äbtissin Agnese von Mandelsloh an verschiedenen Stellen Änderungen wünsch-
te185. Der am 27. Oktober 1602 geschlossene Vertrag war eine Ausgestaltung des Reichskammergerichtsur-
teils. Er bestätigte zwar die Privilegien des Stiftskapitels bezüglich der Wahl der Äbtissin und der Bestel-
lung des Amtmanns, räumte dem Schaumburger Grafen aber die Möglichkeit der Überprüfung und das

177 Vgl. Oldermann, Stift Fischbeck, S. 108f.
178 Zu Anna von Alten vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 1,
S. 417 und Oldermann, Stift Fischbeck, S. 103f.
179 Vgl. Oldermann, Stift Fischbeck, S. 109f.
180 Zu Agnese von Mandelsloh s. das Biogramm unter Nr. 15,
Anm. 1.
181 Die Akten des Prozesses vor dem Reichskammergericht in
Speyer finden sich unter NLA Bückeburg L 1, Nr. 3150
und 3201.

182 Das Schreiben aus NLA Bückeburg L 1, Nr. 3150 ist aus-
führlich referiert in Oldermann, Stift Fischbeck,
S. 113f.
183 Ebd., S. 115-117.
184 Die Vermittlungsbemühungen des Herzogs von Braun-
schweig-Wolfenbüttel sind dokumentiert in NLA Bücke-
burg L 1, Nr. 3152 und 3206.
185 Vgl. Oldermann, Stift Fischbeck, S. 119.

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